WKÖ-Chef macht sich für mehr Frauen in Kammerfunktionen stark – Verschlankung der Kammerorganisation
um 30 Prozent als weitere Reformmaßnahme
Wien (pwk) - „Die gute Nachricht ist, dass es Österreichs Wirtschaft besser geht als der in
anderen Ländern und dass die USA in keine Rezession stürzen. Die schlechte Nachricht ist, dass alle Wachstumsindikatoren
für 2009 nach unten zeigen.“ Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ),
verwies in seinem „Bericht zur Lage der österreichischen Wirtschaft“ vor dem Wirtschaftsparlament der WKÖ
vor allem auf die hohe Inflation. 2009 würde die Arbeitslosigkeit zunehmen, würden private Investitionen
zurück gehen und der private Konsum weiterhin schwach sein. Und auch die Exporte würden weniger stark
wachsen als heuer. Leitl: „Experten prognostizieren uns einen Rückgang des Wirtschaftswachstums von heuer
rund 2,5 Prozent auf etwa 1,5 Prozent im nächsten Jahr.“
Leitl fordert 5-Punkte-Programm
Um rechtzeitig gegenzusteuern, fordert der WKÖ-Chef von der Bundesregierung rasch ein 5-Punkte-Programm. Erstens
müsse eine Entscheidung über die Steuerreform die Vorschläge der Wirtschaft berücksichtigen.
Leitl nannte konkret die Forderung nach einer Sechstelbegünstigung für Selbständige nach dem Modell
des 13./14. Gehalts für Unselbständige sowie den Entfall von Bagatellsteuern wie etwa der Werbeabgabe
oder der Kreditvertragsgebühr.
Zweitens müssten, so Leitl, endlich die Potentiale einer Verwaltungsreform zugunsten von Entlastung und Zukunftsinvestitionen
ausgeschöpft werden: „Hier ist ein grob fahrlässiger Stillstand eingetreten.“
Drittens müsse das Unterstützungsvolumen für die Exportoffensive „Go International“ endlich auf
die zugesagten 25 Millionen Euro angehoben werden.
Zur Ankurbelung der Inlandsnachfrage müsse viertens die Wohnbauförderung neben dem Neubau auch auf die
thermische Sanierung konzentriert werden. Das vermindere Klimastrafzahlungen, schaffe Arbeitsplätze und spare
Energie.
Und fünftens müsse die Regierung Maßnahmen gegen die Inflation und den daraus resultierenden Kaufkraftverlust
ergreifen: „Die Sozialpartner sorgen sich um die Lohnrunden im Herbst. Durch eine kurzfristige finanzielle Unterstützung
müssen wir Haushalten, Pendlern und Transporteuren Hilfe gegen die explodierenden Spritpreise leisten.“
2007: Über 30.000 Betriebsneugründungen
Was die Unternehmensgründungen betrifft, so verwies Leitl auf das Jahr 2007, wo mit über 30.000 Betriebsneugründungen
der bislang zweitbeste Wert erzielt wurde. 40 Prozent der Gründer seien erfreulicherweise Frauen – ein doppelt
so hoher Anteil wie in der EU. Leitl nahm diese positive Entwicklung zum Anlass, an alle Funktionärinnen und
Funktionäre als auch alle wahlwerbenden Gruppen zu appellieren, mehr Frauen für Kammerfunktionen zu nominieren:
„Die Zunahme der Frauen bei unseren neuen Mitgliedern ist ein selbstverständlicher Auftrag, dass diese zahlenmäßige
Entwicklung bei der Besetzung der Funktionen in WK und einzelnen Gremien zu berücksichtigen ist.“
Abfertigung Neu für Selbständige
Als Erfolge nannte der WK-Chef auch die Einführung einer Abfertigung Neu für Selbständige ab 1.
Jänner sowie die Neuregelung des Rauchens in der Gastronomie, wo für kleine Gaststätten eine vernünftige
und tragfähige Lösung gefunden worden sei. Weiters positiv sei das Auslaufen der Erbschafts- und Schenkungssteuer:
„Das ist ein Plus am Guthabenkonto der Regierung, wenn einmal eine Steuer wegfällt und die Menschen entlastet
werden.“ Mit einer verbesserten Aus- und Weiterbildung müsse man jetzt auch Maßnahmen gegen den zunehmenden
Facharbeitermangel ergreifen.
Seit 2002: Mitglieder um jährlich 150 Millionen Euro entlastet
Was die Fachorganisationsreform betrifft, dankte Leitl allen Funktionären für die konstruktive Mitarbeit:
“Wir haben seit 2002 eine 30-prozentige Beitragssenkung durchgeführt, welche die Mitglieder um jährlich
150 Millionen Euro entlastet. Wir haben zugleich die Leistung um 30 Prozent gesteigert. Und nun verschlanken wir
unsere Organisation um 30 Prozent. Wir wollen wegkommen von 40 Prozent negativ bilanzierende Fachorganisationen,
wir wollen alle möglichen Synergieeffekte im Sinn unserer Mitglieder nutzen.“ Und als Signal insbesondere
für die großen Beitragszahler sieht Leitl die Möglichkeit, dass die Landeskammer je nach regionaler
Möglichkeit in den kommenden 5 Jahren eine gewisse Senkung der Kammerumlage 2 durchführen.
Gesundheitsreform: Leistungsstandards erhalten und System finanziell stabilisieren
Abschließend sagte der Kammerpräsident zur Gesundheitsreform, mit der Pleitemeldung der Wiener Gebietskrankenkasse
habe eine hektische Suche nach neuen Einnahmen – Beitragserhöhung, Wertschöpfungsabgabe, Vermögenszuwachsbesteuerung
usw. – eingesetzt. Leitl: „Mit ihren Vorschlägen wollen die Sozialpartner einerseits die gesundheitlichen
Leistungsstandards erhalten und haben hier sogar den Patientenanwalt auf ihrer Seite. Andererseits wollen wir aber
auch eine finanzielle Stabilisierung des Systems ohne neue Belastung der Versicherten.“ Kritiker der Sozialpartnervorschläge
sollten endlich bessere Ideen präsentieren. Nein-Sagen allein sei zuwenig. Und als Wirtschaft fordere man
auch eine neue gleichberechtigte Form der Partnerschaft in der Krankenversicherung: „Wir wollen keine Zweite-Klasse-Medizin.
Und wir wollen auch keine Zweite-Klasse-Partnerschaft. Entweder gibt es künftig eine richtige Partnerschaft
oder gar keine.“ |