Der winzigste Fußball der Welt   

erstellt am
26. 06. 08

Innsbrucker Ionenphysiker sind C60 auf der Spur
Innsbruck (universität) - Mit Fünf- und Sechsecken als Seitenflächen sehen sie aus wie ein Fußball. Allerdings ist ihr Durchmesser dreihundert Millionen Mal kleiner: Fußballmoleküle. Innsbrucker Ionenphysiker erforschen die aus 60 Kohlenstoffatomen (C60) bestehenden Moleküle seit über 15 Jahren. Derzeit ist ein Team um Univ.-Prof. Dr. Paul Scheier der Frage auf der Spur, welche Rolle C60 bei der Bildung komplexer Biomoleküle - damit den Bausteinen des Lebens - bereits im Weltall gespielt haben könnte.

"Neben Diamant und Grafit sind Fußballmoleküle wie C60 die dritte bisher bekannte Form von Kohlenstoff. Da das extrem stabile C60 auch im Weltraum nachgewiesen wurde, versucht die internationale Forschung die Rolle der Fußballmoleküle im größten Match überhaupt, nämlich jenem der Entstehung des Lebens, zu klären. Astrophysiker und Astrobiologen vermuten, dass in interstellaren Wolken komplexe Biomoleküle auf kohlenstoffhältigen Staub- und Eispartikeln aus einfachen Molekülen wie Wasser, Ammoniak und Kohlendioxid durch die Wechselwirkung mit langsamen Elektronen entstehen," erklärt Scheier. Diese Vorgänge, die bei der Bildung und Zerstörung komplexer Biomoleküle im Weltraum ablaufen dürften, werden in Innsbruck simuliert sowie Schritt für Schritt untersucht.

C60 dient bei diesen Versuchen als Modelloberfläche, um zu untersuchen, ob und wie langsame Elektronen auf kohlenstoffhältigen Staubkörnern im interstellaren Raum Auslöser chemischer Molekülsynthesen auf dem Weg zu den Bausteinen des Lebens gewesen sein könnten. Dazu werden die winzigsten Fußbälle der Welt in einer Spezialkammer in Mikro-Tröpfchen aus superkaltem Helium eingelagert. In diesem Laborexperiment ersetzt das dotierte Heliumtröpfchen die Staubteilchen. Bei 0,37 Grad Kelvin - dies ist nahe dem absoluten Nullpunkt - werden die Heliumtröpfchen und das eingelagerte C60 mit langsamen Elektronen beschossen.

Im Weltall werden die kohlenstoffhältigen Staubpartikel mit hochenergetischem Licht bestrahlt, welches nach Absorption im Staubteilchen freie, langsame Elektronen erzeugt. Das C60 liefert im Laborexperiment die langsamen Elektronen, ohne selbst die weiteren biochemischen Prozesse zu beeinflussen. "Langsame Elektronen sind in der Lage gezielt Bindungen in komplexen Molekülen sehr selektiv zu brechen, was vor Kurzem in Innsbruck entdeckt worden ist. Diese einzigartige Eigenschaft langsamer Elektronen ist vermutlich die treibende Kraft bei der Synthese von Biomolekülen in interstellaren Wolken. Die Produkte dieser Wechselwirkungen können wir anschließend nach ihrer Masse analysieren und mit hoher Empfindlichkeit nachweisen", betont der Wissenschaftler.

Das Innsbrucker Team will durch diese Experimente weitere Beiträge dazu liefern, wie elementare Prozesse bei der Entstehung des Lebens abgelaufen sind. Diese Forschungen sind aber nicht nur mit dieser Frage verknüpft. Die Arbeiten des Teams ermöglichen auch Rückschlüsse darauf, wie Strahlenschäden entstehen, also darauf was passiert, wenn ionisierende Strahlung (Radioaktivität oder Röntgenstrahlung) auf Biomoleküle - wie z. B. Proteine und die DNS einwirken.

C60 wurde 1985 von Harold Kroto, Richard Smalley und Robert Curl entdeckt. Diese Wissenschaftler wurden dafür 1996 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Am Bereich Ionenphysik des Institutes für Ionen- und Angewandte Physik der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck konnten bereits kurz nach der Entdeckung des "prominenten" Moleküls erste Untersuchungen mit C60-Material durchgeführt werden, da der Erfinder der Massenproduktion von C60, Prof. Wolfgang Krätschmer aus Heidelberg dem Institut eine erste Probe zur Verfügung gestellt hatte.

Bei der Erforschung von Fußballmolekülen sorgte das Innsbrucker Team unter Leitung des damaligen Institutsvorstandes, Univ.-Prof.DDr.hc.mult Tilmann Märk bisher unter anderem für internationales Aufsehen, als es als global erstes Team zusammen mit Prof. Olof Echt von der University of New Hampshire und Prof. Chava Lifschitz von der Hebrew University of Jerusalem 2001 die genaue Bindungsenergie von C60 klären konnte. C60 hat eine große Bindungsenergie von zehn Elektronenvolt (eV). Ganz im Gegensatz zu seinem großen "Bruder", dem Fußball, hält das Fußballmolekül extrem hohe Energiedosen aus, z. B. Temperaturen von über tausend Grad Celsius. Und: Erst bei einem Aufprall mit einer Geschwindigkeit von 30.000 Stundenkilometern löst sich seine Struktur auf.
 
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