Wien (oenb) - Anlässlich der Generalversammlung des Verbandes österreichischer Banken und Bankiers
am 24.06. betonte Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur der OeNB und EZB-Ratsmitglied, dass die Stabilität der österreichischen
Finanzmärkte weiterhin hoch ist. Er bezog sich dabei einerseits auf den Internationalen Währungsfonds
(IWF), der in seinem kürzlichdurchgeführten Follow-up zum Financial Sector Assessment Program (FSAP)
im Rahmen der Art. IV Konsultationen zu dem Ergebnis gelangte, dass Österreichs Finanzsystem weiter gestärkt
worden und schockresistent sei.Andererseits stützt sich die Einschätzung, dass das Finanzsystem stabil
ist, auf aktuelle Daten und Analysen der OeNB.
Trotz der weiterhin nicht bereinigten, internationalen Finanzmarktturbulenzen, so Gouverneur Liebscher, sind die
österreichischen Banken ohne gröbere Blessuren davon gekommen. Die vergleichsweise geringe Betroffenheit
haben sie ihrem Geschäftsmodell, ihremhohen Einlagenaufkommen, ihrer Ausrichtung auf das weniger zyklische
Privatkundengeschäftund nichtzuletztder Konzentration ihrer Aktivitäten auf Österreich sowie Zentral-,
Ost- und Südosteuropa zu verdanken. Die von den Auswirkungen der US-Subprime-Krise hervorgerufenen Abwertungen
bei strukturierten Kreditprodukten betrugen bei den 30 größten österreichischen Banken im Jahr
2007 rund 1,1 Mrd EUR. Für das erste Quartal 2008 rechnen die in diesem Markt aktiven Großbanken mit
einer zusätzlichen Abwertung ihres strukturierten Kreditportfolios um 550 Mio EUR bis 750 Mio EUR. Der Gouverneur
gab zu bedenken, dass es sich bei diesen Zahlen überwiegend um Wertberichtigungen aufgrund von Marktwertveränderungen
handelt, die wegen der hohen Volatilität der Marktpreise jeweils nur eine Momentaufnahme darstellen.
Auch derIWF anerkennt, dass die österreichischen Banken die Öffnung der Märkte in Zentral-, Ost-
und Südosteuropa frühzeitig genutzt haben, was sich in der Folge in erhöhten Erträgen und einer
verbesserten Risikostreuung niederschlug. In diesem Zusammenhang verwies der Gouverneur darauf, dass die von Österreichs
Banken in dieser Region gehaltenen Vermögenswerte Ende 2007 bereits 26% der konsolidierten Bilanzsumme des
gesamten österreichischen Bankensektors ausmachten und dass der entsprechende Anteil am Gewinn vor Steuern
fast 43% erreichte. Er erinnerte aber auch daran, dass die überdurchschnittlich hohe Profitabilität derGeschäftsaktivitäten
der österreichischen Banken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa mit deutlich höheren Risiken verbunden
sind, weshalb es unerlässlich ist, dass die Expansion der Banken in diese Region mit einemadäquaten Risikomanagement,
ausreichenden Risikovorsorgen und einem entsprechenden Eigenkapitalpolster einhergeht.
Obwohl sich die österreichischen Banken nicht gänzlich von den internationalen Finanzmarktturbulenzen
abschotten konnten, gelang es ihnen, laut Gouverneur Liebscher, ihre Geschäftsaktivitäten und ihre Profitabilität
im Jahr 2007 nochmals deutlich zu steigern.Im ersten Quartal 2008 hinterließen die Verwerfungen auf den internationalen
Finanzmärkten aber auchbei ihnen gewisse Spuren. Erstmals seit 2002 kam es beim unkonsolidierten Betriebsergebnis
der in Österreich meldepflichtigen Kreditinstitute im Jahresabstand zu einem Rückgang. Vor allem der
negative Saldo aus dem Finanzgeschäft und zum Teil auch die deutliche Reduzierung des Saldos aus dem Wertpapierprovisionsgeschäft
dürften von den Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen herrühren, führte der Gouverneur aus.
Weiters schnitt Gouverneur Liebscher die Frage an, welche Lehrenaus den jüngsten massiven Verwerfungen auf
den internationalen Finanzmärkten zu ziehen sind und nannte unter anderem die Weiterentwicklung desRisiko-
und Liquiditätsmanagements sowie der internen Anreizstrukturen bei den Banken, die Erhöhung der Transparenz
bei strukturierten Produkten und Zweckgesellschaften sowie die Berücksichtigung der Erfahrungen mit illiquiden
Märkten bei den Rechnungslegungsstandards und Bewertungsmodellen als notwendige Reaktionen zur Vermeidung
ähnlicher Krisen in der Zukunft. Zudem verwies der Gouverneur auf die vom Basel Committee on Banking Supervision
veröffentlichten „Priciples for Sound Liquidity Risk Management and Supervision“, welche einen wesentlichen
Beitrag zu einem verbesserten Liquiditätsrisikomanagement der Finanzinstitute leisten werden. Besonders hob
der Gouverneur hervor, dass auch eine Verhaltensänderung bei den Investoren unumgänglich ist, nämlich
eine eingehende Risikoprüfung potenzieller Investments, was die Effizienz der Disziplinierung durch den Markt
erhöhen würde.
Im Zusammenhang mit der Finanzmarktaufsicht verwies Gouverneur Liebscher einmal mehr darauf, dass in Österreich
die Amtshaftungsregelungen sehr extensiv sind. In dieser Kritik trifft er sich mit dem IWF, der sich ausdrücklich
für eine Einschränkung der im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten extensiven österreichischen
Amtshaftung im Aufsichtsbereich aussprach. Er plädierte dafür eine Regelung anzustreben, in der die Aufsicht
den Status des öffentlichen Interesses einnimmt, womit die Ansprüche Dritter weitgehend ausgeschlossen
werden. |