Der Physiker und Nobelpreisträger Nils Bohr erklärte die Struktur von Atomen mit seinem
berühmten Planetenmodell, bei dem die Elektronen um den Atomkern kreisen, wie die Erde um die Sonne.
Wien (tu) - Rund 100 Jahre später ist das Bohr'sche Modell wegen seiner Anschaulichkeit nach
wie vor populär, obwohl es für die Beschreibung der Grundzustände eines "gewöhnlichen"
Atoms nicht ausreicht. PhysikerInnen der Technischen Universität (TU) Wien gelang es in Zusammenarbeit mit
der Rice University in Houston (USA) erstmals das Atommodell mit Hilfe von "Riesenatomen" in natura zu
kreieren. Mögliche Anwendungen für Quanteninformationstechnologien könnten daraus abgeleitet werden.
Seit einigen Jahren ist es dank modernster Lasertechnologie möglich sogenannte "Rydberg Atome" zu
erzeugen. Dabei handelt es sich um riesige, angeschwollene Atome, die 100.000 Mal größer sind als Atome
im Grundzustand und fast mit bloßem Auge erkennbar. Von Joachim Burgdörfer und Shuhei Yoshida vom Institut
für Theoretische Physik der TU Wien stammten die Überlegungen zu einer trickreichen Methode, um das Planetenmodell
von Bohr (Vorbild für Atomium in Brüssel, im Logo der IAEA) in der Natur doch noch realisieren zu können.
Burgdörfer: "Vergleichbar wäre der angeregte Zustand eines Rydberg-Atoms mit dem Planetenmodell
unseres Sonnensystems. Man nimmt gewissermaßen den Planeten Merkur und schießt ihn in die Bahn von
Pluto. Den hochangeregten Zustand erreicht man mit kohärenten Laser-Photonenquellen. Die Photonen übertragen
die Energie gezielt auf die Elektronen und schießen diese in eine sehr hohe Bahn. So entstehen riesige 'aufgeblasene
Atome'."
ExperimentalphysikerInnen von der Rice University in Houston (Texas) und dem Oak Ridge National Laboratory (USA)
schafften es so nach fast 100 Jahren das Bohr-Modell dank der theoretischen Überlegungen der TU-WissenschafterInnen
im Experiment zu realisieren. Bei den großen "Rydberg-Atomen" rücken die klassische und die
Quantenwelten eng zusammen. "Die Idee war, aus Atomen im hochangeregten Zustand, der immer noch ein Quantenzustand
ist, ein Objekt, ein Modell zu formen, dass sich beinahe klassisch verhält, bei dem die Teilchen in einer
Bahn um den Atomkern herumfahren. Es bedarf dazu einiger Schritte. Aus der delokalisierten Elektronenwelle muss
ein lokalisiertes Teilchen ein kompaktes Wellenpaket, werden, das dann wie ein Planet den Kern umkreist. Wir haben
dafür eine fein abgestimmte Abfolge von extrem kurzen elektrischen Pulsen vorgeschlagen", so Burgdörfer.
Diese Anordnung wurde von Professor Barry Dunning nun im Labor in Houston realisiert und das Elektron auf der Kreisbahn
wurde auf etwa zehn Umläufe um einen Kalium-Atomkern direkt beobachtet. Das heißt, dass es gelungen
ist, die Phaseninformation für fast eine Mikrosekunde zu bewahren, was enorme Anforderungen an das Experiment
stellt.
Die Arbeit konnte am 20. Juni 2008 in der Fachzeitschrift "Physical Review Letters" publiziert werden.
In einem weiteren Schritt möchten die ForscherInnen nun Rydberg-Moleküle kreieren, die aus zwei oder
mehreren Rydberg-Atomen bestehen. Daraus erhofft man sich Erkenntnisse über die Vielteilchendynamik solcher
planetarischen Systeme gewinnen zu können und das Zusammenwachsen zwischen Quantenwelt und klassischer Welt
weiter voranzutreiben. Nicht zu letzt erwarten sich die WissenschafterInnen auch mögliche Anwendungen für
den Quantencomputer daraus abzuleiten. |