Parlamentarische Enquete zum Thema "Medienrecht und Opferschutz"   

erstellt am
04. 07. 08

Justizministerin Berger stellt Gesetzesänderungen in Aussicht
Wien (pk) - "Medienrecht und Opferschutz" – so lautet der Titel einer Parlamentarischen Enquete, die am 03.07. im Sitzungssaal des Nationalrats abgehalten wird. Unter Beisein von insgesamt vier Ministerinnen diskutieren ExpertInnen und Abgeordnete über das Spannungsverhältnis zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz, notwendige gesetzliche Adaptierungen des Mediengesetzes und eine Verbesserung des Opferschutzes. Es gebe viele aktuelle Anlassfälle für die Enquete, erklärte Abgeordneter Heribert Donnerbauer, der als Vorsitzender des Justizausschusses die Enquete eröffnete, "das Thema brennt unter den Nägeln".

Eingeleitet wurde die Enquete durch kurze Statements von Justizministerin Maria Berger, Innenministerin Maria Fekter und Medienministerin Heidrun Silhavy. Berger wies dabei darauf hin, dass eine Überarbeitung des Mediengesetzes bereits im Regierungsübereinkommen verankert sei. Anlass dafür sei aber nicht die aktuelle Problematik des Opferschutzes gewesen, sondern insgesamt das Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Österreich sei wiederholt vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt worden, weil dessen Ansicht nach der Meinungsfreiheit in der Rechtssprechung zu wenig Raum eingeräumt worden sei. Weitere Handlungsbedarf sei nun durch aktuelle Kriminalfälle entstanden.

Berger räumte ein, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen für Medien äußerst schwierig seien. Sie müssten verschiedenste gesetzliche Bestimmungen beachten, angefangen vom Mediengesetz über das Zivilrecht bis zum Urheberrecht und zum Strafrecht. Schöpfe jemand alle Möglichkeiten aus, könne das, so Berger, Medien in unangemessener und unkalkulierbarer Weise belasten. Sie strebt daher, wie sie sagte, übersichtlichere und klarere Regelungen an.

Berger erachtet es aber ebenso für erforderlich, die Entschädigungszahlungen für Opfer medialer Berichterstattung zu erhöhen. Zudem denkt sie daran, die geltende Sechs-Monats-Frist für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen zu verlängern. Gerade für Gewaltopfer sei es schwierig, die bestehende Frist einzuhalten, meinte sie, zudem wirkten die Entschädigungszahlungen auf Grund ihrer geringen Höhe zu wenig präventiv. Angedacht wird ihr zufolge außerdem eine Ausdehnung der Prozessbegleitung von Opfern auf Medienrechtsverfahren.

Um Verbrechensopfer besser vor Verfolgung durch Medien schützen zu können, wird laut Berger überlegt, die im Sicherheitspolizeigesetz verankerte Schutzzonenregelung auszuweiten. Damit wäre die Möglichkeit von Wegweisungen gegeben. Als wichtiges Element nannte Berger zudem die Selbstkontrolle der Medien, wobei sie die jüngsten Ankündigungen zur Einrichtung eines neuen Presserats begrüßte.

Innenministerin Maria Fekter bekräftigte, der Kriminalfall Amstetten habe gezeigt, wie wichtig Opferschutz sei. Opferschutz müsse Vorrang vor der Befriedigung von Informationsbedürfnissen haben, betonte sie.

Die Exekutive ist Fekter zufolge insbesondere in der Frage des Datenschutzes, des Amtsgeheimnisses und der Unschuldvermutung gefordert. Die Öffentlichkeit habe ein Bedürfnis und ein Recht auf Information, konstatierte sie, es müsse aber genau abgewogen werden, wie dieses Informationsbedürfnis befriedigt werden solle. Eine klare Rechtsgrundlage dafür, was Medien zugänglich gemacht werden dürfe und was nicht, gebe es nicht. So bestehe etwa die problematische Frage, ob die Polizei von sich aus falsche Medienberichte richtig stellen solle oder dadurch den Datenschutz verletze.

Ausdrücklich sprach sich Fekter dagegen aus, die geplante Sexualstraftäterdatei öffentlich zugänglich zu machen. Hier tauchten bereits neue Begehrlichkeiten der Medien auf, meinte sie, ein "moderner Pranger" würde aber mehr Probleme schaffen als lösen. Hetzkampagnen gegen Sexualstraftäter müssten hintangehalten werden. Zur Verbesserung des Opferschutzes stellte Fekter verlängerte Tilgungsfristen bei schweren Sexualdelikten in Aussicht. Gleichzeitig werde darüber nachgedacht, manche Verurteilungen überhaupt nicht mehr zu tilgen.

Medienministerin Heidrun Silhavy hob insbesondere die Notwendigkeit einer Selbstkontrollinstanz im Medienbereich hervor. Es stehe einer entwickelten Demokratie nicht an, über kein solches Instrument zu verfügen, unterstrich sie und appellierte an die Eigenverantwortung der Medien.

Unter diesem Aspekt zeigte sich Silhavy besonders über die jüngsten Pläne zur Einrichtung eines Presserates erfreut. Sie sprach von einem "erfolgversprechenden Versuch" und äußerte sich zuversichtlich, dass bis zum Herbst tatsächlich ein entsprechendes Gremium eingerichtet sein wird. Von ihrer Seite werde sie das Vorhaben so gut es geht unterstützen, versicherte Silhavy.

Auf den geplanten "Presserat Neu" kam auch der Medienrechtsexperte Walter Berka zu sprechen, der den ersten Themenblock der Enquete "Medienrecht – Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz" mit einem Impulsreferat einleitete. Österreich brauche eine Diskussion über eine funktionierende Medienselbstregulierung, erklärte er. Beim geplanten Presserat müssten allerdings die "Geburtsfehler" des alten Presserats vermieden werden. Berka sieht in diesem Zusammenhang auch die Medienpolitik gefordert, die die Qualitätskontrolle von Medien etwa durch gezielte Presseförderung forcieren könnte.

Auch insgesamt hat der Staat Berka zufolge die Verpflichtung, auf die geänderten Realitäten in der Medienwelt zu reagieren. Die Gefahr, dass Medien bei ihrer Berichterstattung Grenzen überschreiten, sei noch nie so groß gewesen wie heute, skizzierte er. Grund sei die Kommerzialisierung der Massenmedien, die einen ungeheuren Konkurrenzdruck erzeuge. Die Strategie der Medien zu personalisieren und zu emotionalisieren, erweise sich vor allem für Gewaltopfer tragisch. Diese liefen Gefahr, durch mediale Berichterstattung und Bloßstellung zum zweiten Mal Opfer zu werden. Man müsse aber ebenso sehen, so Berka, dass es auch "selbsternannte Medienopfer" gebe.

Die Bestimmungen des Mediengesetzes erachtet Berka grundsätzlich als ausreichend. Eventuell könne man sich geänderte Verfahrensbestimmungen und eine Ausweitung des für Opfer und Täter geltenden Anonymitätsschutzes auf Familienangehörige bzw. Zeugen überlegen, meinte er. Auch eine Erhöhung der Entschädigungsbeiträge ist seiner Auffassung nach diskussionswürdig, zuvor sollten jedoch die vorhandenen Strafen ausgeschöpft werden.

Ein schärferes Vorgehen kann sich Berka in Bezug auf die Informationsbeschaffung vorstellen, um das "Paparazzi-Problem" in den Griff zu bekommen. Dabei sieht er vor allem die Sicherheitsbehörden gefordert. So könnte seiner Meinung nach bei besonders krassen Fällen der Stalking-Tatbestand Anwendung finden.

Weitere zum Themenblock I geladene ExpertInnen waren u.a. OGH-Präsidentin Irmgard Griss, Ex-VfGH-Präsident Karl Korinek, Medienrechtsexperte Gottfried Korn, Kampusch-Anwalt Gerald Ganzger und Rechtsanwältin Maria Windhager.

Am Nachmittag befasst sich die Enquete mit dem Themenblock "Viktimisierung und Opferschutz". Dabei geht es etwa um die psychologische Wirkung von Veröffentlichungen, die psychologische Betreuung der Opfer, die Zuerkennung einer neuen Identität, materielle Hilfe, die Frage der Prävention und die Selbstkontrolle der Medien. Neben einem Einleitungsstatement von Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky und einem Impulsreferat von Holger Eich vom Kinderschutzzentrum Wien werden unter anderem Diskussionsbeiträge von Psychotherapeutin Rotraud Perner, dem früheren Jugendgerichtshofpräsidenten Udo Jesionek, Hedwig Wölfl vom Verein "die möwe", und zahlreichen MedienvertreterInnen wie "Falter"-Chefredakteur Armin Turnher erwartet.
 
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