Frankfurter Forscher entschlüsseln biochemischen Mechanismus, der Metastasierung begünstigt
Frankfurt (idw) - Die Zellen von Säugetieren können sich mithilfe zellulärer Ausstülpungen,
den Lamellipodien und Filopodien, verformen und amöbengleich fortbewegen. Diese Fähigkeit spielt eine
zentrale Rolle bei der Wundheilung und dem Eindringen in andere Gewebe, spricht Metastasierung. Gerät die
Bildung von Lamellipodien oder Filopodien außer Kontrolle, können Krebszellen entstehen, die als Metastasen
durch den Körper wandern. Biochemiker der Goethe-Universität konnten nun den Regulationsmechanismus aufklären,
der zur Bildung der beiden Arten von Ausstülpungen führt. Damit wird auch verständlich, wie es Krebszellen
gelingt, durch Gewebe zu wandern und sich dadurch im Körper zu verbreiten. Die Forscher hoffen, daraus spezifische
Therapien abzuleiten, die Krebszellen daran hindern, ihren Ursprungsort zu verlassen und sich überall zu verbreiten.
Lamellipodia sind schleierartige Fortsätze der Plasmamembran. Wenn es ihnen nicht gelingt, an der Unterlage
zu haften, kräuseln sie sich rückwärts und werden dann Membran-Ruffles genannt. Sie bestehen vermutlich
aus einem Netzwerk kurzer, stark verzweigter Aktin-Fasern. Filopodien sind dagegen spitz zulaufende, fingerartige
Fortsätze aus langen, parallelen und unverzweigten Aktin-Fasern. Interessanterweise bilden schnell kriechende
Zellen hauptsächlich Lamellipodien aus, während die weniger beweglichen oder ortsfesten Zellen beide
Arten von Ausstülpungen aufweisen. Die Forschergruppe um Dr. Metello Innocenti am Institut für Biochemie
II schloss aus dieser Beobachtung, dass der Regulationsmechanismus, der über das Verhältnis von Lamellipodien-
zu Filopodien-Bildung entscheidet, auch für die Wanderung der Zellen verantwortlich ist. Darüber hinaus
leisten Lamellipodien und Filopodien einen wichtigen Beitrag zur Embryonalentwicklung und der selbstregulierten
Gewebebildung. Es war daher zu erwarten, dass ihre Entstehung auf einem festgelegten Regulationsmechanismus beruht.
Gut erforscht waren bisher die mikroskopische Struktur, die dynamische Entwicklung und die charakteristischen Proteine
für die Bildung von Lamellipodien und Filopodien. Wenig bekannt war hingegen, wie die Zellen das Wachstum
der Aktin-Fasern in den verschiedenen Arten von Ausstülpungen steuern. Gelingt es, diesen grundlegenden Prozess
zu verstehen, lassen sich neue Angriffspunkte für Medikamente finden, die eine Metastasen-Bildung verhindern.
Proteine, die das Wachstum des Zytoskeletts auf Aktin-Basis fördern, sind bekanntermaßen auch an der
Ausbildung von Lamellipodien und Filopodien beteiligt: Der Arp2/3-Komplex bewirkt zusammen mit den Proteinen WAVE
und mDia2, dass die Polymerisation der Aktin-Fasern sprunghaft zunimmt. In der Fachzeitschrift "Nature Cell
Biology" berichtet nun die Frankfurter Gruppe um Metello Innocenti, dass die drei Regulatorproteine völlig
unerwartet einen Komplex bilden. Ausgehend von dieser Beobachtung entdeckten sie, wie die fingerartigen Filopodien
entstehen und zusammen mit Lamellipodien in menschliche Krebszellen eingebaut werden.
Auf der molekularen Ebene fördern WAVE und Arp2/3 gemeinsam das Wachstum von Lamellipodien und die Zellwanderung,
wobei sie gleichzeitig die von mDia2-abhängige Bildung der Filopodien hemmen. Darüber hinaus können
die Filopodien nur entstehen, nachdem der mDia2 -WAVE-Arp2/3-Komplex wieder zerfallen ist. Daher ist es wahrscheinlich,
dass die Unterdrückung des Filopodien-Wachstums durch die biochemische Maschinerie, die zur Ausbildung von
Ruffles führt, auch den Krebszellen hilft, sich effizient fortzubewegen.
Diese Ergebnisse ebnen den Weg zu einer stichhaltigen molekularen Analyse des Einflusses von Lamellipodien und
Filopodien auf die Wanderung und die invasiven Eigenschaften von Krebszellen. Damit ergeben sich neue Angriffspunkte
für spezifische Krebstherapien. |