Wien (rk) - Das große Fußball-Fest der Europameisterschaft in der Schweiz und in Österreich
wirkt weiter. Das Wiener Stadt- und Landesarchiv bringt eine Serie von - alphabetisch gereihten - elf Biographien
zu berühmten Persönlichkeiten des Wiener Fußballs zwischen 1920 und 1965.
Es ist wohl nicht übertrieben, wenn behauptet wird, dass Béla Guttmann in seiner Person die Weltgeschichte
des Fußballs im 20. Jahrhundert verkörpere. 1899 in Budapest geboren, wächst Béla Guttmann
in der liberalen und freizügigen Atmosphäre der Bohème der boomenden ungarischen Hauptstadt auf.
Er beginnt dort seine Fußballkarriere, wird 1920 und 1921 mit der MTK Budapest ungarischer Meister, wechselt
aber wegen eines Schwarzgeldskandals in der ungarischen Liga 1922 zur zionistischen Wiener Hakoah, dem damals wohl
weltweit prominentesten jüdischen Sportverein. Der begnadete Techniker und Organisator führt die Fußballsektion
der Hakoah, in deren Kader nicht weniger als sieben ungarische Internationale stehen, zum Gewinn der ersten österreichischen
Profimeisterschaft. Zur Finanzierung ihres Profibetriebs ebenso wie zur Propagierung der sie leitenden Idee unternimmt
die Hakoah ausgedehnte Tourneen nach England, Osteuropa, Ägypten, Palästina. 1926 wird die USA besucht,
Guttmann ist begeistert und springt mit einem Großteil der Mannschaft ab, um in New York zu bleiben. Er heuert
bei den New York Giants an. Als unter dem Druck der Wirtschaftskrise der Versuch, den europäischen Fußball
in den USA heimisch zu machen, scheitert, geht Guttmann zurück nach Europa. Es ist unbekannt, wo und wie Béla
Guttmann den Holocaust überlebt hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg startet er eine Weltkarriere: Er geht nach
Italien zum AC Mailand, mit der Exilmannschaft von Honvéd Budapest 1956 nach Brasilien, wo er den FC Sao
Paulo übernimmt, und schließlich nach Portugal, wo er mit Benfica Lissabon 1961 und 1962 den Europapokal
der Landesmeister gewinnt und die über ein halbes Jahrzehnt währende Hegemonie Real Madrids durchbricht.
Guttmann ist der weltweit innovativste und erfolgreichste, wohl auch psychologisch versierteste und sicherlich
bestverdienende Fußballtrainer seiner Zeit.
Der Vereinsakt der Hakoah Wien ist derzeit im Wiener Stadt- und Landesarchiv ausgestellt. Die dortige Spezialausstellung
"11 Biographien" ist Teil der gemeinsam mit der Wienbibliothek im Rathaus konzipierten Ausstellung "Die
Eleganz des runden Leders - Wiener Fußball 1920- 1965". Sie ist im Foyer des Wiener Stadt- und Landesarchivs
im Gasometer D in Simmering (Zugang über Gasometer A) Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr zu besichtigen,
der Eintritt ist frei.
"11 Biographien" Die Eleganz des runden Leders - Wiener Fußball 1920-1965 Ausstellung im Foyer
des Wiener Stadt- und Landesarchivs Simmering, Gasometer D (Zugang über Gasometer A) Kurator: Wolfgang Maderthaner
Ausstellungsdauer: bis 26. September 2008 |