Wien (fwf) - Bei der Herstellung dünner, organischer Schichten aus elektrisch
leitendem Material können sich terrassenartige Erhebungen von wenigen Nanometern Höhe bilden. Dieses
Phänomen war bisher nur von anorganischen Materialien bekannt und ist für die zukünftige Herstellung
einer neuen Generation halbleitender Bauelemente auf Basis dünner organischer Schichten von entscheidender
Bedeutung. Die jetzt in der ersten Juli-Ausgabe von SCIENCE veröffentlichten Daten wurden im Rahmen eines
vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Nationalen Forschungsnetzwerks erhoben.
Anorganische Halbleiter sind einfach aufgebaut und ermöglichen leistungsstarke Computer. Organische Halbleiter
hingegen sind komplex, erlauben aber die Herstellung neuartiger Elektronikschaltkreise - wie die ersten Prototypen
aufrollbarer Bildschirme plastisch vor Augen führen. Doch diese Vorteile organischer Halbleiter können
nur dann voll genutzt werden, wenn das Verhalten ihrer funktionell entscheidenden dünnen, organischen Molekülschicht
besser verstanden wird. Genau zu diesem Verständnis trägt das Nationale Forschungsnetzwerk (NFN) "Interface
controlled and functionalised organic thin films" des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF bei.
Mikroskopische Höhenvermessung
Mit einer aktuellen Publikation in SCIENCE konnte nun ein Team des NFN zeigen, dass sich organische Moleküle
auf einem Trägermaterial in bisher unbekannter Form ausbreiten um dünne, elektrisch leitende Filme zu
bilden. Dazu Prof. Christian Teichert vom Institut für Physik der Montanuniversität Leoben: "An
den von Festkörperphysikern der TU Graz hergestellten Schichten der organischen Substanz Parahexaphenyl wurden
ein durchaus überraschendes Diffusionsverhalten an Stufenkanten, welche sich beim Schichtwachstum bilden,
beobachtet. Tatsächlich treffen die Moleküle hier auf eine Diffusionsbarriere, was zu einer Art Stapelung
der weiteren Moleküle führt. Eine solche Diffusionsbarriere ist zwar in anorganischen, atomar aufgebauten
Schichten bekannt - sie wird nach ihren Entdeckern Ehrlich-Schwoebel-Barriere genannt - für organisches Material
wurde sie aber noch nie beobachtet."
Zum besseren Verständnis dieses bisher unbekannten Verhaltens der organischen Moleküle nutzte das Team
in Leoben die Rasterkraftmikroskopie. Diese erlaubte die genaue Vermessung der Nano-Berge an den Stufenkanten.
Die Auswertung der so gewonnenen Daten führte zu einer weiteren Überraschung. Die Form der Nano-Erhebungen
erinnert stark an terrassierte Berge, wie sie aus dem Bergbau bekannt sind. Dabei fiel dem Team auf, dass die Terrassenhöhe
von 2,6 nm ziemlich genau der Länge eines Moleküls von Parahexaphenyl entspricht. Die Schlussfolgerung
daraus: Die Moleküle ordnen sich an der Diffusionsbarriere hochkant an.
Jedoch zeigte sich auch, dass die unteren Terrassen eine etwas geringere Höhe aufweisen als die jeweils darüber
liegenden. Eine Erklärung für dieses Phänomen liefert der Projektmitarbeiter Dr. Gregor Hlawacek:
"Die Daten aus der Vermessung erlaubten uns für diesen Fall die Ehrlich-Schwoebel-Barriere zu berechnen.
Weiter ergab sich, dass die Moleküle der unteren Terrassen geneigt abgelagert werden. Damit verringert sich
hier die Terrassenhöhe in Relation zum Neigungswinkel."
Energiesparmaßnahme auf Nanoebene
Mit den Messwerten wurden Computersimulationen am Lehrstuhl für Atomistic Modelling and Design of
Materials durchgeführt. Diese konnten nicht nur die experimentellen Werte für die Diffusionsbarrieren
bestätigen, sondern sie offenbarten, dass sich die Parahexaphenyl-Moleküle beim Diffundieren verbiegen.
Das war überraschend, da das Verbiegen ein Aufweiten der Bindungen innerhalb des Moleküls erfordert,
was auf Grund der dafür benötigten Energie eigentlich vermieden wird. Allerdings kann das diffundierende
Molekül so besser als ein starres Molekül Bindungen zu Nachbarmolekülen aufrechterhalten, so dass
das Verbiegen insgesamt der energiesparendere Mechanismus ist.
Für das Team aus Leoben und Graz sind diese Erkenntnisse äußerst spannend. Denn zur Herstellung
organischer Dünnschichttransistoren sind geschlossene Schichten solcher aufrecht stehender Moleküle notwendig.
Das bessere Verständnis über die grundlegenden Kräfte, die eben das bewirken, wird deren zukünftige
Manipulation und somit kontrollierte Nutzung erlauben. Damit leistet dieses NFN einen unmittelbaren Beitrag zur
zukünftigen Herstellung einer neuen Generation halbleitender Bauelemente. |