Sozialausschuss: Gesundheitsreform gescheitert   

erstellt am
08. 07. 08

Buchinger fordert Absicherung der finanziellen Situation der Kassen
Wien (pk) - Im Sozialausschuss verkündete Obfrau Renate Csörgits heute das Scheitern der Verhandlungen mit dem Koalitionspartner ÖVP über das Struktur-Änderungsgesetz für die Krankenversicherung und die Organisation der Sozialversicherung. Trotz wochenlanger Beratungen in einem konstruktiven Klima sei keine Einigung erzielt worden. Im Kapitel Struktur wurde trotz einer verfassungskonformen Variante keine Kompromissvorschlag gefunden. Auch das fast fertige Ärztepaket sei von der ÖVP abgelehnt worden. Alle Bemühungen, die ausverhandelten Teile der Regierungsvorlage zu beschließen, scheiterten, teilte sie mit.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) wies darauf hin, dass die finanzielle Situation der Kassen besorgniserregend sei, und hielt es für unverantwortlich, dass die beiden Regierungsparteien keine Lösung gefunden haben. Nachdem Vizekanzler Molterer die Neuwahlen ausgerufen habe, wisse man nicht, wann darüber verhandelt werde.

Abgeordneter Werner Amon (V) gab bekannt, man habe über mehrere Wochen hinweg in konstruktivem Klima intensiv beraten. Man habe am Beginn der Verhandlungen vereinbart, keine Punkte aus der Gesamtpaket herauszubrechen und einzeln zu verhandeln. Die Darstellung der Vorsitzenden über den Verhandlungsverlauf stimme nicht, da z.B. die Teilvertragskündigung bei den Ärzten und das Pharmapaket nicht einmal besprochen wurden; auch der Punkt Struktur sei offen geblieben. Amon skizzierte, dass der Ausgangspunkt die "desaströse" finanzielle Situation der Gebietskrankenkassen gewesen sei, man habe aber dann die bundesweiten Träger mit in die Verhandlung genommen. Der Bundeskanzler habe zugesagt, dass diese wieder herausgenommen werden, weil bundesweite Träger einer Kontrolle unterliegen, die bei den Gebietskassen nicht gegeben ist. Es sei Wunsch der SPÖ gewesen, die bundesweiten Träger noch einer zusätzlichen Kontrolle zu unterziehen. Nach Ansicht von Amon habe der ÖGB-Vorstand am Freitag das Scheitern der Verhandlungen ausgelöst.

Abgeordneter Herbert Kickl (F) meinte, das Ganze habe "beschämend" begonnen, weil man mit einem Teilproblem ein Gesamtproblem lösen wollte. Die Weichenstellung sei in eine falsche Richtung gelaufen, nämlich in Richtung Privatisierung des Gesundheitssystems. Das habe die ÖVP wissentlich gemacht, die SPÖ sei "hineingetappt" und habe erst später erkannt, wohin "die Reise gehen" soll, mutmaßte Kickl. Geblieben sei die Verunsicherung der Bevölkerung. Daher verlangte er für die Kassen eine Zwischenfinanzierung.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) betonte, man habe sich in den letzten Wochen auf ein "Kassennotprogramm" geeinigt, das nun kläglich gescheitert sei. "Endlich hat die Pflanzerei und die Verunsicherung der Patienten ein Ende", so Haubner. Neuwahlen bieten die Chance für einen Neubeginn bei der Gesundheitsreform. All jene, die etwas davon verstehen, sollten eingebunden werden und "Machtgelüste", an denen die jetzigen Verhandlungen gescheitert sind, sollten hintangestellt werden.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) gab zu, dass die Verhandlungen konstruktiv waren – bis zu dem Zeitpunkt, zu dem es um die Frage ging, wer kontrolliert wen. Wenn die SPÖ dem zugestimmt hätte, was die ÖVP gewollt hätte, wäre es zu einer Differenzierung zwischen den bundesweiten und den regionalen Trägern gekommen. Die SPÖ habe der ÖVP angeboten, die defizitären Träger verstärkt und die nicht defizitären Träger abgeschwächt zu kontrollieren; dieser Vorschlag wurde aber abgelehnt. Die Ärztekammer habe noch gestern versichert, das Ärztepaket finalisieren zu wollen; auch die Ärzte wüssten nicht, "wo es lang geht".

Abgeordneter Werner Amon (V) warf ein, die offizielle Stellungnahme der Ärztekammer stamme vom Samstag und darin habe sie für eine Vertagung auf den Herbst plädiert.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) erklärte, es gehe nicht um eine Kassensanierung, sondern es handle sich um den "Versuch einer politischen Machtverschiebung". Für ihn stellte sich die Frage, wie in den verbleibenden Wochen die Liquidität der Kassen sichergestellt werden kann.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) verwies auf das Expertenhearing und auf die Aussage von Leitl, mit dem Paket könne nur eine tendenzielle Stabilisierung der Defizite erreicht werden. Das bedeutet für Grünewald, dass man von "Zwei-Klassen-Kassen" sprechen kann und die Gebietskrankenkasse die "Plebs unter den Kassen" darstellt.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) machte darauf aufmerksam, dass der Ausgabenrahmen bei den Kassen stärker steigt als die Einnahmen. Deshalb müsse man nach Lösungen suchen. Er hätte sich eine Zielbestimmung in Richtung bundeseinheitlichen Tarif- und Leistungsbereich im ASVG erwartet und hofft, dass man sich in nächster Zeit darauf werde einigen können.

Eine solche Zielbestimmung hielt F-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein für sinnvoll; es gebe Gebietskrankenkassen, die finanzielle Probleme haben, die Wiener, die Niederösterreichische und die Steiermärkische Gebietskrankenkasse; dass man diesen mit Geld hilft, sei man den Versicherten schuldig. Einen Vergleich zwischen den bundesweiten Kassen und den Gebietskrankenkassen hielt die Rednerin für unzulässig, weil die BVA keine Arbeitslosen und einen hohen Akademikeranteil hat. Eine Kassenzusammenlegung würde gleiche Beiträge und gleiche Leistungen für alle bringen, strich sie heraus.

Abgeordneter Werner AMON (V) stellte den Antrag auf Vertagung.

Abgeordneter Fritz Neugebauer (V) meinte, es gebe keine "regierungslose" Zeit, das Scheitern der Verhandlungen dürfe nicht zu Lasten der Patienten gehen.

Bundesminister Erwin Buchinger erinnerte daran, dass man nach Ostern die Vereinbarung getroffen habe, eine Sanierung der sozialen Krankenversicherungen vorzunehmen. Die Bundesregierung habe eine Vorlage vorgelegt, die den Vorstellungen der Sozialpartner gefolgt sei, letztlich haben die Verhandlungen zu keinem Ergebnis geführt. Es sei aber dringend notwendig, die finanzielle Situation der sozialen Krankenversicherung in den nächsten Monaten sicherzustellen, anderenfalls könnten Selbstbehalte eingeführt werden oder Insolvenzfälle entstehen. Das wäre weder aus Sicht der Patienten noch aus Sicht der Vertragspartner wünschenswert, so der Sozialminister. Es gelte, in den nächsten Wochen und Monaten alle negativen Auswirkungen von den Patienten fernzuhalten und die Strukturreform weiter zu diskutieren.

Hierauf unterbrach Obfrau Renate Csörgits die Ausschussberatungen.
 
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