Wien (öaw) - Mit einer am CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW entwickelten
Methode konnten Forscher beim Menschen einen bisher unbekannten Player im Kampf gegen Infektionen mit Viren identifizieren.
Er heißt DDX3X und wird für die Interferon-Produktion benötigt. Die Forscher berichten über
ihre Ergebnisse im Fachjournal "The EMBO Journal".
Infektionen mit Viren oder Bakterien lösen beim Menschen eine Immunantwort aus, die darauf abzielt, den eindringenden
Schädling zu eliminieren. Im Rahmen dieser Immunantwort unterscheidet man die angeborene und die adaptive
Immunantwort. Letztere stützt sich auf B- und T-Zellen und ist sehr spezifisch für das eindringende Pathogen,
hat aber den Nachteil, dass der menschliche Körper Tage oder Wochen braucht, bis diese Zellen zur Verfügung
stehen. Die angeborene Immunantwort setzt dagegen schon wenige Stunden nach der Infektion ein. Sie erkennt Komponenten,
die viele Viren und Bakterien gemeinsam haben, und eliminiert das eindringende Pathogen in einem frühen Stadium.
Wie geht diese Elimierung vonstatten? Bestimmte Zellen des Immunsystems (Makrophagen und dendritsche Zellen) sind
darauf spezialisiert, die Eindringlinge anhand von konservierten Merkmalen zu erkennen. Diese Merkmale binden an
Rezeptoren auf der Oberfläche der Makrophage und aktivieren diese. In der Folge werden in der Zelle Signalwege
angeschaltet, die dazu führen, dass die Makrophagen Botenstoffe produzieren, die die umliegenden Zellen vor
den Eindringlingen warnen.
Interferon - wichtiger Botenstoff im Kampf gegen Viren
Unter diesen Botenstoffen ist das Interferon (IFN-beta), das zu den wichtigsten antiviralen Botenstoffen
gehört. Mäuse, denen durch genetische Manipulation Interferon fehlt, können viele Viren nicht mehr
wirksam bekämpfen. Beim Menschen wird Interferon bereits als antivirales Medikament eingesetzt, zum Beispiel
gegen Hepatitis-C-Infektionen.
Die Arbeitsgruppe von Giulio Superti-Furga am CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften (ÖAW) untersucht, welche Komponenten in der Zelle die Produktion von Interferon
regulieren. Ziel ist, durch ein detailliertes Verständnis des Prozesses neue Ansätze für die Entwicklung
besserer antiviraler Medikamente zu finden.
Die Gruppe von Giulio Superti-Furga hat in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Thomas Decker (Universität Wien)
ein Protein namens "TANK-binding kinase 1" (TBK1) analysiert, von dem man bereits wusste, dass es die
Produktion von Interferon im Körper nach Infektion mit Viren oder Bakterien reguliert. Die Forscher berichten
über ihre Ergebnisse im Fachjournal "The EMBO Journal".
Ohne DDX3X kein Interferon
TBK1 ist eine Kinase, die zwei Transkriptionsfaktoren (IRF3 und IRF7) phosphoryliert und dadurch aktiviert.
Diese beiden Faktoren können dann direkt an die Region im Genom binden, die die Produktion von Interferon
reguliert. Durch eine von Tilmann Bürckstümmer am CeMM entwickelte Methoden gelang es, die Bindungspartner
von TBK1 in der Zelle zu charakterisieren.
Dabei wurde ein neuer Bindungspartner gefunden, eine Helikase der DEAD-Box Familie namens DDX3X. Funktionelle Studien
von Didier Soulat, verantwortlicher Wissenschaftler im Labor von Thomas Decker, zeigten, dass DDX3X tatsächlich
für die Interferon-Produktion benötigt wird. Da es mehrere zelluläre Rezeptoren gibt, die die Interferon-Produktion
anschalten, wurde in der Folge untersucht, ob DDX3X für alle oder nur für einige dieser Signalwege von
Bedeutung ist. Die erhobenen Daten belegen, dass DDX3X für alle diese Signalwege essentiell ist. Oder wie
Tilmann Bürckstümmer zusammenfasst: "Ohne DDX3X kein Interferon."
Wie funktioniert DDX3X im Intef eron-Signalweg?
Es konnte gezeigt werden, dass die Kinase TBK1 die Helikase DDX3X durch Phosphorylierung verändert
und dass DDX3X dann an dieselbe Region im Genom bindet, an der auch IRF3 und IRF7 binden. Varianten von DDX3X,
die nicht mehr von TBK1 phosphoryliert werden, sind im Hinblick auf Interferon inaktiv. Das legt den Schluss nahe,
dass die Phosphorylierung von DDX3X durch TBK1 die Bindung und Aktivierung des Interferon-Promoters bedingt.
Möglicher Ansatz für neue antivirale Medikamente
Für die Forscher ist DDX3X ein möglicher Ansatz für die Entwicklung wirksamerer antiviraler
Medikamente. "Es freut mich, dass die enge und gute Zusammenarbeit mit Prof. Thomas Decker und seiner Gruppe
an der Universität Wien gelungen ist. Es wäre durchaus denkbar, Substanzen zu entwickeln, die DDX3X stimulieren
und damit die Interferon-Produktion ankurbeln", erklärt Giulio Superti-Furga. "Gesetzt den Fall,
diese Substanzen wären spezifisch genug, wäre es denkbar, sie als antivirale Medikamente einzusetzen."
CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW
CeMM, das Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW, ist eine internationale, unabhängige
und interdisziplinäre Forschungseinrichtung. CeMM verfolgt eine anwendungsorientierte Forschung auf dem Gebiet
der Molekularmedizin durch die Zusammenführung und gegenseitige Beeinflussung von Grundlagen- und klinischer
Forschung, wobei Krebs, Entzündungsprozesse und immunologische Krankheiten zu den wichtigsten Forschungsgebieten
zählen. |