Volksabstimmung über EU-Austritt?  

erstellt am
16. 07. 08

 Plassnik: "Vertrauen bildet man nicht mit der Brechstange"
Wien (bmeia) - "Manchen Leuten reißt die Geduld mit der mühseligen Arbeit, Europa zu erklären. Ich habe dafür zwar ein gewisses Verständnis, aber realistischerweise führt kein Weg vorbei an der hartnäckigen, unermüdlichen und nüchternen Erklärungs- und Informationsarbeit für Europa. Hier gibt es keine Abkürzungen. Wir müssen gemeinsam klar machen, worin die Vorteile dieses neuen Europa bestehen - dieses unmittelbaren, handfesten und konkreten Europa", so Außenministerin Ursula Plassnik bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Innenministerin Maria Fekter.

Klare Worte fand Plassnik zu der mancherorts erhobenen Forderung, eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft Österreichs durchzuführen. "In Österreich gibt es wie in jedem Land eine ganz kleine Minderheit, die mit einem EU-Austritt liebäugelt oder damit offen spekuliert. Ich habe kein Interesse daran, diese extreme Minderheit zu fördern oder zu unterstützen, indem ich auf ihren Ruf nach einer Volksabstimmung eingehe. Ich halte es für grundlegend falsch, auf Ängste, Zweifel und Sorgen zu reagieren, indem man noch mehr und größere Ängste und Verunsicherung schafft. Das ist ein untaugliches Instrument um Vertrauen zu bilden. Vertrauen ist ein hochsensibles Gut, Vertrauensbildung verlangt Glaubwürdigkeit und nicht taktische Spielchen. Vertrauen schafft man auch nicht mit der Brechstange. Ich halte auch nichts von der zynischen Spekulation via „Drohung“ mit einer Volksabstimmung eine Art "Heilschock" zu erzwingen. Das ist nicht verantwortungsvolle Politik", so Plassnik.

Es wäre geradezu grotesk - so Plassnik weiter - Österreich zum Gegenstand eines Gedankenspiels über einen EU-Austritt zu machen: "Es gibt keinen Grund für österreichische Ohnmachtsgefühle. Österreich ist ein anerkanntes und respektiertes Mitglied der EU. Wir kämpfen für ein starkes Österreich in einem geeinten Europa."

Die Außenministerin: "Jede Österreicherin, jeder Österreicher ist eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen über die Vorteile der österreichischen EU-Mitgliedschaft. Es ist klar, dass wir die Herausforderungen, die vor uns liegen, etwa im Bereich Migration, Sicherheit oder Umwelt, in Europa nur gemeinsam bewältigen können. Es wäre daher absurd diese Mitgliedschaft in Frage zu stellen oder auf sie - wenn auch nur spielerisch - verzichten zu wollen. Jeder, der die Dinge nüchtern betrachtet, sagt klar "Nein!". Es mag gelegentlich verlockend sein, die Dramatisierungskeule in die Hand zu nehmen. Das bringt uns aber in der Sache nicht weiter. Die Proponenten dieses Gedankenguts haben massiven Nachdenkbedarf und dabei bin ich ihnen gerne behilflich".

Auf die Frage, welche Koalitionspräferenzen sie habe und ob eine Zusammenarbeit mit Werner Faymann für sie noch denkbar sei, ging Plassnik nicht ein: "Die Öffentlichkeit lernt Werner Faymann jetzt kennen. Er macht offenbar gerade eine Liste derjenigen Politiker, mit denen er eine Zusammenarbeit ausschließt. Diese Liste wird täglich länger, gestern hat er Wilhelm Molterer und Wolfgang Schüssel draufgesetzt. Das ist sein Stil. Es ist nicht mein Stil."

 

Niederwieser: Sonntagspredigten beseitigen nicht die EU-Skepsis der Bevölkerung!
Wien (sk) - "Die heutigen Aussagen von Ministerin Plassnik zur EU-Skepsis in Österreich zeigen, wie abgehoben die ÖVP in dieser sensiblen Situation auf die Sorgen der Bevölkerung reagiert", erklärte der langjährige Tiroler SPÖ-Abgeordnete und potenzielle Widerpart einer Bundesliste Fritz (in seinem Wahlkreis will auch das ÖVP-Mitglied Dinkhauser sein Grundmandat holen), Erwin Niederwieser, gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Niederwieser verwies auf das heutige Interview von Ministerin Plassnik im Kurier, welches außer Überheblichkeit und Fehleinschätzungen keinerlei Ansätze liefere, um Bürger und EU wieder näher zusammenzubringen.

"Nach diesen Aussagen von Ministerin Plassnik ist es nicht verwunderlich, dass in der Bevölkerung eine viel zu große Verdrossenheit gegenüber der EU-Politik herrscht. Mit überheblichen Sprüchen kann Europa nicht funktionieren und man hat den Eindruck, als ob die ÖVP der Bevölkerung kontinuierlich suggeriert, sie sei selber Schuld an der Misere, zu dumm, um Europa zu verstehen und dürfe daher auch niemals über die Entwicklung Europas abstimmen", so Niederwieser.

Besonders fragwürdig erscheint dem SPÖ-Politiker die politische Rolle Plassniks bei der Umsetzung wichtiger österreichischer Interessen. Als Beispiel nennt Niederwieser den Entwurf der EU-Kommission für eine neue Wegekostenrichtlinie. "Warum versucht Plassnik, der transitgeprüften und verdrossenen Bevölkerung in Tirol einzureden, eine neue Wegekostenrichtlinie sei die Lösung für die Zukunft. Diese vergammelte Karotte stinkt ja schon von weitem! Und was war der konkrete Beitrag von Ursula Plassnik, Benita Ferrero-Waldner oder Wolfgang Schüssel in all den Jahren, dass da wirklich Lösungen statt Vertröstungen auf den Tisch kommen?", fragt Niederwieser.

Als blanken Zynismus bewertet der SPÖ-Parlamentarier (er wird morgen am Rat für Integrationsfragen teilnehmen) Plassniks Aussage, dass manche, die eine Volksabstimmung fordern, sich nicht selber ernst nehmen würden. "Das richtet sie unmittelbar an Erhard Busek. Aber da muss sie noch einiges lernen, um diesem Lebenseuropäer das Wasser reichen zu können. Wenn es nach Plassnik und der ÖVP geht, dann wird das Volk überhaupt nie mehr gefragt werden, eine Haltung die man als Demokrat nur kategorisch ablehnen kann", betonte Niederwieser abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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