Brüssel (europa.eu) - Die Europäische Kommission hat mit einer Kartellentscheidung Praktiken
verboten, die die Verwertungsgesellschaften bisher daran gehindert haben, Urhebern und Nutzern von Musikrechten
ein breiteres Angebot zu bieten: 24 europäischen Verwertungsgesellschaften wurde untersagt, ihr Angebot an
Dienstleistungen außerhalb ihres Inlandsgebiets einzuschränken und auf diese Weise den Wettbewerb zu
verzerren. Die Kartellentscheidung erlaubt den Verwertungsgesellschaften jedoch, ihr bestehendes System der bilateralen
Vereinbarungen beizubehalten; auch dürfen sie weiterhin in ihrem jeweiligen Inlandsgebiet die Höhe der
Tantiemen festlegen. Die mit der Entscheidung untersagten Praktiken basieren auf Klauseln in den Gegenseitigkeitsvereinbarungen,
die die Mitgliedsgesellschaften der CISAC (internationaler Dachverband der Verwertungsgesellschaften) untereinander
getroffen haben, sowie auf weiteren aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen der Verwertungsgesellschaften. Diese
Praktiken verstoßen gegen die Vorschriften über wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen (Artikel
81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen). Die Kommission verlangt mit ihrer Entscheidung von den Verwertungsgesellschaften,
diese Zuwiderhandlungen abzustellen und ihre Vereinbarungen und Praktiken entsprechend zu ändern. Sie hat
jedoch keine Geldbußen verhängt. Dank der Aufhebung der Wettbewerbsbeschränkungen werden Urheber
nun auswählen können (z.B. nach Kriterien wie Qualität der angebotenen Dienste, Effizienz bei der
Erhebung von Lizenzgebühren oder Höhe der anfallenden Verwaltungsgebühren), welche Verwertungsgesellschaft
ihre Urheberrechte verwalten soll. Auch für Nutzer wird es nun einfacher, für die Übertragung von
Musiksendungen per Internet, Kabel oder Satellit in verschiedene Länder Mehrgebietslizenzen von einer Verwertungsgesellschaft
ihrer Wahl zu erwerben.
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte dazu: „Diese Entscheidung wird sich positiv auf die kulturelle
Vielfalt auswirken und Anreize für die Verwertungsgesellschaften schaffen, Komponisten und Textern bessere
Konditionen im Hinblick auf die ihnen zustehenden Tantiemen zu bieten. Mit der Entscheidung wird außerdem
ein Beitrag zur Weiterentwicklung der Übertragung per Satellit, Kabel und Internet geleistet, die Endnutzern
ein größeres Angebot und Urhebern potenzielle Zusatzeinnahmen bietet. Die Kommission hat jedoch dafür
gesorgt, dass die Vorteile der kollektiven Verwaltung von Rechten nicht in Frage gestellt und dadurch etwa die
Höhe der Tantiemen oder der Umfang des verfügbaren Musikrepertoires gefährdet werden.“
Musikurheber (Texter und Komponisten) übertragen Verwertungsgesellschaften die Befugnis, in ihrem Namen weltweit
die Urheberrechte für ihre Musikwerke wahrzunehmen. Die Verwertungsgesellschaften haben auf Grundlage des
CISAC-Mustervertrags Gegenseitigkeitsvereinbarungen für die kollektive Verwaltung der Aufführungsrechte
der von ihnen verwalteten Musikwerke geschlossen – sie können daher die Repertoires all jener Künstler
anbieten, deren Rechte von Verwertungsgesellschaften verwaltet werden, mit denen sie Gegenseitigkeitsvereinbarungen
getroffen haben. Durch die Aufführungsrechte sind Musikurheber berechtigt, die Verwertung ihrer Werke durch
gewerbliche Nutzer, z.B. Hörfunk- und Fernsehkanäle, zu genehmigen oder zu untersagen und Tantiemen für
jede Übertragung ihrer Werke zu fordern.
Nachdem Beschwerden der Sendeanstalt RTL und von Music Choice, einem britischen Online-Musikanbieter, eingegangen
waren, hatte die Kommission eine Untersuchung eingeleitet.
Die Entscheidung der Kommission erkennt die wichtige Rolle der Verwertungsgesellschaften an und stellt die Existenz
von Gegenseitigkeitsvereinbarungen nicht in Frage. Bestimmte Klauseln der Gegenseitigkeitsvereinbarungen und die
aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen der Verwertungsgesellschaften werden mit der Entscheidung jedoch verboten.
Insbesondere wird mit der Entscheidung 24 Verwertungsgesellschaften im EWR (CISAC-Mitglieder) untersagt, folgende
Beschränkungen weiter anzuwenden:
- die Mitgliedschaftsklausel, die derzeit von 23 Verwertungsgesellschaften angewendet wird und Urheber daran
hindert, selbst eine Verwertungsgesellschaft auszuwählen oder ihre Verwertungsgesellschaft zu wechseln.
- die Gebietsbeschränkungen, die eine Verwertungsgesellschaft daran hindern, gewerblichen Nutzern außerhalb
ihres Inlandsgebiets Lizenzen für die Verwertung von Rechten zu erteilen. Bestandteil der Gebietsbeschränkungen
ist auch eine Ausschließlichkeitsklausel, die derzeit in den Vereinbarungen von 17 Verwertungsgesellschaften
im EWR enthalten ist, und durch die eine Verwertungsgesellschaft eine andere Verwertungsgesellschaft dazu ermächtigen
kann, ihr Repertoire in einem bestimmten Gebiet auf ausschließlicher Basis zu verwalten. Darüber hinaus
stellen die Gebietsbeschränkungen die Grundlage für eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise aller
Verwertungsgesellschaften dar, die eine strikte Aufteilung des Marktes nach einzelnen Staaten zufolge hat. Für
gewerbliche Nutzer wie RTL oder Music Choice, die europaweite Mediendienste anbieten wollen, bedeutet dies, dass
sie keine Mehrgebietslizenzen für verschiedene Mitgliedstaaten zusammen erwerben können, sondern mit
jeder nationalen Verwertungsgesellschaft einzeln verhandeln müssen.
Durch die Entscheidung können Verwertungsgesellschaften nun über die Dienstleistungsqualität und
die Verwaltungskosten (die von den Lizenzgebühren abgezogen werden, bevor Tantiemen an die Urheber weitergegeben
werden) miteinander um Kunden konkurrieren. Hierdurch entstehen Anreize für die Verwertungsgesellschaften,
effizienter zu arbeiten.
Im Jahr 2007 hatte die Kommission versucht, die Rechtssache gütlich beizulegen. Damals hatten die CISAC und
18 Verwertungsgesellschaften Verpflichtungszusagen angeboten. Die Stellungnahmen der beteiligten Dritten zu den
Verpflichtungszusagen waren jedoch negativ ausgefallen.
Insbesondere Sendeanstalten, Inhalteanbieter und bestimmte Verwertungsgesellschaften waren allgemein der Auffassung,
dass der Erwerb von europaweiten Lizenzen für gewerbliche Nutzer auch im Rahmen der vorgeschlagenen Verpflichtungszusagen
weiterhin schwierig wäre.
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