Bessere Vereinbarkeit von Kind und Karriere   

erstellt am
22. 07. 08

Österreichs Ausgaben für die Familienförderung gehören im Vergleich zu anderen OECD-Ländern zu den höchsten
Wien (öaw) - Trotzdem hat es eine der niedrigsten Geburtenraten. Wesentliches Handikap ist nach wie vor die erschwerte Vereinbarkeit von Kind und Karriere, diagnostizieren Forscher(innen) des Instituts für Demographie der ÖAW im Rahmen einer internationalen, vergleichenden Studie zur Geburtenentwicklung sowie Familienpolitik in Europa. Sie orten Handlungsbedarf.

Wie in anderen europäischen Ländern, haben sich in Österreich seit den frühen 1970er Jahren Normen, Werte und die Einstellung zu Familie und Kinderkriegen gewandelt. Diese Entwicklung wird als "Second Demographic Transition" bezeichnet. Alternative Lebensentwürfe zu Heim, Herd und Familie werden akzeptiert, Kinderlosigkeit ist weniger negativ besetzt. Das höhere Ausbildungsniveau und die steigende Erwerbsquote von Frauen lässt den Kinderwunsch nach hinten verschieben. Die Gründung einer Familie wird nicht mehr als Pflichterfüllung gegenüber der Gesellschaft gesehen, sondern als Entscheidung, die geplant wird und für die es für und wider abzuwägen gilt.

Geburtenrate stabilisiert sich
Auch wenn die österreichischen Frauen ihr erstes Kind immer später bekommen, sind sie bei ihrer ersten Geburt jünger als die Frauen in den meisten westeuropäischen Ländern. Daher prognostizieren die Forscher(innen) für die nächsten zwei Jahrzehnte eine weitere Verschiebung des Alters für das erste Kind nach hinten.

Mit einer weiteren Abnahme der Geburtenrate (derzeit liegt sie in Österreich bei Frauen, die Mitte der 1970er Jahre geboren sind, bei rund 1,6) rechnen die Forscher(innen) jedoch nicht. Verschiedene Faktoren, die die künftige Geburtenentwicklung beeinflussen, werden sich ihrer Prognose zufolge gegenseitig ausbalancieren: "Abnehmende Geburtenraten als Folge der 'Second Demographic Transition' werden teilweise durch Immigration ausgeglichen", sagt Tomáš Sobotka vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Auch ein besserer Zugang zu Reproduktionstechnologien für kinderlose Paare, sowie eine Politik, die die Vereinbarkeit von Kind und Berufstätigkeit fördert, könnten einen positiven Effekt auf die Geburtenentwicklung in Österreich haben.

Kinder als Karriere-Handikap
"Die bisherige Familienpolitik in Österreich hat hauptsächlich den Rückzug junger Mütter vom Arbeitsmarkt unterstützt, jedoch nicht eine bessere Vereinbarkeit von Kind und Karriere", so Tomáš Sobotka. "Die mit Jänner 2008 in Kraft getretene Flexibilisierung des Kindergeldes ist ein Schritt in die richtige Richtung."

Entsprechende Maßnahmen hätten Sobotka zufolge nicht nur eine positive Wirkung auf die Geburtenrate: "Eine Steigerung der Erwerbsquote von Frauen ist - neben einem späteren Pensionseintrittsalter und einer Stärkung älterer Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt - auch Teil der Lösung zur Sicherung des Sozialsystems in der rapide alternden Gesellschaft."

Zur Studie "Childbearing trends and policies in Europe"
Im Rahmen der internationalen, vergleichenden Studie "Childbearing trends and policies in Europe" erstellten Demographen unter Beteiligung des Instituts für Demographie der ÖAW Detailanalysen der Geburtenentwicklung sowie der Familienpolitik der letzten Jahrzehnte in Europa. Koordiniert wurde die Studie vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock. Die Rolle und die wechselseitigen Verflechtungen sozialer, ökonomischer und politischer Einflüsse wurden untersucht sowie aktuelle Trends und Entwicklungslinien für die Zukunft identifiziert. Erstmals wurden auch die ehemals sozialistischen Länder Europas im Detail analysiert.

Ziel der Großprojekts "Childbearing trends and policies in Europe" war, Daten koordiniert zusammenzuführen und damit erstmals einen internationalen Vergleich auf einer wissenschaftlich fundierten Basis zu ermöglichen. Im Mittelpunkt der Analysen standen der aktuelle Trend zu immer späteren Geburten und seine Folgen, die beginnenden Veränderungen der Familiengröße weg von der Zwei-Kind-Familie, die Rolle moderner Verhütungsmittel und der Veränderungen in den Familien- und Partnerschaftsstrukturen. Ebenfalls im Blickpunkt der Forscher und Forscherinnen waren der Einfluss der Migration sowie politischer Maßnahmen auf die Geburtenentwicklung.

Die Studie deckt 86 Prozent der europäischen Bevölkerung ab. Jedes europäische Land mit mehr als 15 Millionen Einwohnern sowie eine Reihe kleinerer Länder - darunter Österreich - wurden untersucht. Die Ergebnisse wurden gesammelt im Online-Journal "Demographic Research" veröffentlicht. Die Publikation enthält auf rund 1200 Seiten acht Übersichtartikel und 19 Länderanalysen. Die Analyse für Österreich wurde vom Institut für Demographie der ÖAW durchgeführt.
 
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