Acht Wochen vor der Nationalratswahl ...  

erstellt am
04. 08. 08

... und Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer präsentierte „sein“ dreistufiges Entlastungsprogramm, das er angesichts der stetig steigenden Lebenshaltungskosten geschnürt hat. Wie die Statistik Austria meldete, betrug die Inflation im Juni 2008 3,9% (Mai 3,7%, April 3,3%, März 3,5%). So hoch war die Teuerung zuletzt im April 1993. Massive Preissteigerungen bei Energie (Treibstoffe und Heizöl) verursachten mehr als zwei Fünftel der Gesamtinflation. Etwa ein Fünftel der Teuerung ging auf die Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln zurück, die nach wie vor auf hohem Niveau verharrten. Nach einigen Wochen des Hin und Her zwischen den Parteien, wer wohl die besten - sprich in diesem Fall wohl wahlkampf-tauglichsten - Rezepte hätte, ist Molterers Plan interessanterweise von seinem SPÖ-Gegenüber, dem designierten Parteichef und Verkehrsminister Werner Faymann, sozusagen ohne „Gegenwehr“ kommentiert worden. Grüne, FPÖ und BZÖ sehen dies anders, doch dazu später.

Politik die Verantwortung übernimmt, müsse den Menschen in dieser schwierigen Situation der Teuerung konkrete Antworten geben, so Molterer. Zur ersten Etappe des Anti-Teuerungspaktes gehöre alles, was bisher bereits beschlossen und umgesetzt worden sei, betont Molterer: Ein Volumen von 770 Millionen Euro wurde seit Anfang des Jahres realisiert, damit sind die Menschen bereits entlastet worden. Dazu gehören zum Beispiel die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die Anhebung der Pendlerpauschale und des Kilometer-Geldes aber auch die Flexibilisierung des Kinderbetreuungsgeldes und der Wegfall der Erbschafts- und Schenkungsteuer.

Als zweite Etappe schlägt Molterer vor, für fast 1,4 Millionen Kinder ab dem sechsten und junge Menschen in Ausbildung (wenn sie studieren) bis zum 26. Lebensjahr. Weiters sollen bei der 24-Stunden- Betreuung/Pflege die Förderungen auf 500 bzw. 1.000 Euro angehoben werden, die Vermögensgrenze bei der 24-Stunden-Betreuung soll fallen und das Pflegegeld angehoben werden. Die Pensionserhöhung 2009 soll jedenfalls bereits mit 1. November 2008 vorgezogen werden. Dabei sei er dafür, dass der von der Pensionskommission vorgeschlagene Prozentsatz auch tatsächlich an alle Pensionisten - ohne Staffelung - weitergegeben werde. Eine weitere Entlastung - vor allem für Pendler - wäre die Einführung eines Österreich-Tickets für alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich. Für Erwachsene solle die Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel um einen jährlichen Betrag von 1.490 Euro ermöglicht werden, für Pensionisten um 1.190 Euro und für Jugendliche und Behinderte um 990 Euro.

Eine grundlegende Reform des Wettbewerbsrechts und eine Ausweitung der Befugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde hin bis zur Entscheidungsbefugnis soll möglichst rasch beschlossen werden. Molterer bezeichnet sich als einen glühenden Anhänger der sozialen Marktwirtschaft, aber auch der Markt brauche Regeln und Kontrolle.

Als dritte Etappe soll schließlich die Steuerreform 2010 mit einer Entlastung für die Menschen im Ausmaß von 2,7 Milliarden Euro folgen. Dieses Volumen teile sich in zwei Milliarden für die Tarifsenkung für den Mittelstand und 700 Millionen für die Entlastung von Familien mit mehr Kindern. Im Rahmen der Steuerreform solle auch die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten eingeführt werden.

Der designierte SPÖ-Vorsitzende Werner Faymann erklärte dazu, nachdem die SPÖ schon seit Monaten auf eine Entlastung der Menschen dränge und er bereits vor rund einer Woche sein Fünf-Punkte-Programm gegen die Teuerung vorgelegt habe, habe nun auch die ÖVP den Handlungsbedarf erkannt. Es sei daher zu begrüßen, dass jetzt auch Finanzminister Wilhelm Molterer in Sachen Teuerungsbekämpfung aktiv werde. Und es sei sehr erfreulich, dass einige der ÖVP-Vorschläge den Forderungen der SPÖ näherkommen, so Faymann. Darüber hinaus sei es aber auch unbedingt notwendig, die Steuerreform auf 2009 vorzuziehen, denn auch jene, die von diesen Vorschlägen noch nicht profitierten, sollten gestärkt werden.

Faymann appellierte an Molterer, die Stimmen aus den eigenen Reihen ernstzunehmen. So hätten sich beispielsweise schon der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter und auch Sozialsprecher Werner Amon für ein Vorziehen von zumindest Teilen der Steuerreform stark gemacht. Faymann bezeichnet dies als ein gutes Zeichen, weil er davon ausgehe, dass es jetzt Bewegung in der ÖVP in Sachen Vorziehen der Steuerreform gebe. Wenn Molterer wolle, könnte hier noch bis zur Wahl ein gemeinsamer Beschluss gefasst werden."

Die SPÖ möchte aber auch mehr für Kinder tun. So stelle sich beispielsweise die Frage, warum die ÖVP die unter Sechsjährigen von einer erhöhten Familienbeihilfe ausschließen wolle, so Faymann, der klar festhielt, dass eine Erhöhung jedenfalls auch für Kinder unter sechs Jahren gelten müsse. Ausdrücklich begrüßt der SPÖ-Vorsitzende den Umstand, dass sich Finanzminister Molterer nicht länger gegen eine Erhöhung des Pflegegelds im Jahr 2009 stelle. Die SPÖ dränge seit langem darauf. Bei gutem Willen von beiden Seiten könne man auch hier in den kommenden Wochen zu einer gemeinsamen Lösung kommen.

Auch den Vorschlag eines "Österreich-Tickets" begrüßt Faymann: Der Auftrag, daran intensiv zu arbeiten, sei bereits vor einigen Monaten an die ÖBB und das Verkehrsministerium ergangen. Nur die Zusage der finanziellen Unterstützung Molterers habe noch für die Realisierung des Projekts gefehlt. Mit 100 Millionen Euro jährlich stehe dem Österreich-Ticket nun nichts mehr im Weg, schloss Faymann.

Werner Kogler, Wirtschaftssprecher der Grünen, kritisiert Molterer. Die von diesem vorgeschlagenen 550 Millionen Euro Entlastung nähmen sich, gemessen an der Belastung der Bevölkerung durch die Teuerung, mickrig aus. Dies offensichtlich deshalb, weil Molterer darauf beharre, im Jahr 2010 Steuerentlastungen in alter ÖVP-Manier nur der eigenen Klientel zukommen zu lassen. In den letzten acht Jahren hätten von den ÖVP-Entlastungen vor allem die Superverdiener, die Vermögenden und die Großkonzerne verdient, kritisiert Kogler.
Stattdessen müsse eine Steuerreform, die den von der Inflation besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen wirklich helfe, sofort die unteren und mittleren Einkommen entlasten. Im grünen Paket für mehr Steuergerechtigkeit seien deshalb 3,5 Milliarden Euro an Steuersenkung für diese Einkommensgruppen vorgesehen. Dies sei deshalb finanzierbar, weil die Grünen als einzige Partei den Mut haben im Gegenzug eine höhere Besteuerung von Vermögen bzw. Vermögenszuwächsen vorgeschlagen hätten.

FPÖ-Familiensprecher Norbert Hofer stellte fest, seine Aussage, dass es im April, bei der Forderung nach Erhöhung der Familienbeihilfe, noch um ein entweder oder zwischen Inflationsabgeltung und Steuerreform gegangen sei, habe „Pater Willi“ Molterer als Pharisäer entlarvt: Die Steuerreform sei nie gefährdet gewesen, da auch im April die unerwarteten Steuermehreinnahmen von 1500 Millionen Euro eine kalkulierbare Größe gewesen seien.
Die FPÖ habe ihre diesbezüglichen Anträge bereits zum damaligen Zeitpunkt gestellt, weil es dem Budget zumutbar sei und die Freiheitlichen als Anwalt der Österreicher, stets das Notwendige, aber nichts Unmögliches einforderten. Bei „Pater Willi“ jedoch liege der Verdacht nahe, dass seine plötzliche Großmütigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Umfrage-Tief seiner Partei stehe, bemerkte Hofer.

BZÖ-Chef Klubobmann Peter Westenthaler meinte, die Ankündigungen von ÖVP-Molterer seien nichts weiter als ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein Molterer speise einige wenige Bevölkerungsgruppen mit Brosamen ab und die Mehrzahl der Österreicher schauten durch die Finger. Unverständlich ist für Westenthaler, dass der Finanzminister in den letzten beiden Jahren 5 Milliarden Euro an Mehreinnahmen verbucht habe, jetzt aber den Österreicher maximal ein Zehntel dessen zurückgeben wolle, was er jedem zuvor aus der Tasche gezogen habe.
Westenthaler forderte Molterer und die gesamte Bundesregierung eindringlich auf, endlich die 10 Punkte des BZÖ-“Preisstopp Jetzt“-Volksbegehrens umzusetzen und den Menschen einen echten Teuerungsausgleich zu geben.

Kurzes round-up
Nach einer bedingten - nicht rechtskräftigen - Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage wird Peter Westenthaler in seiner Eigenschaft als BZÖ-Chef voraussichtlich von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider abgelöst werden. Ob dieser sich auch als Spitzenkandidat in den Wahlkampf einbringen wird, ist noch nicht entschieden - vor allem auch deshalb, weil ja 2009 die tournusmäßige Landtagswahl in Kärnten auf dem Terminkalender steht. Das BZÖ hat für die kommenden Wochen eine personelle Überraschung angekündigt.

Vergangene Woche hat sich der sogenannte „Rebell von Tirol“, Fritz Dinkhauser, nach einem Beschluß seiner „Bürgerliste“, entschlossen, nun doch bundesweit zur Nationalratswahl anzutreten. Er hatte ja im Juni dieses Jahres überraschende Gewinne eingefahren und sowohl seiner ehemaligen „politischen Heimat“ ÖVP, als auch der SPÖ und den Grünen einiges an Stimmen gekostet. Nun sind er und sein Team dabei, in den anderen Bundesländern Verbündete zu finden, die die noch nicht näher definierten Wahlziele der Bürgerliste an den Wähler bringen sollen.

Ebenfalls vergangene Woche haben LIF-Bundessprecher Alexander Zach und Heide Schmidt, Gründerin und Spitzenkandidatin des Liberalen Forums, ihren Spitzenkandidaten für Kärnten präsentiert: Der bekannte Kärntner Anwalt und Slowene Rudolf Vouk erlangte durch seinen Einsatz für die Rechte der slowenischen Minderheit in Kärnten („Ortstafelfrage“). Im Zuge der Kandidatur wird es auch, wie bereits in den 90er Jahren, ein Bündnis mit der Partei der Kärntner Slowenen "Enotna lista/Einheitsliste" geben, die aktiv den Wahlkampf des LIF unterstützt.

Am Sammeln von Unterstützungserklärungen sind auch die KPÖ, die „Soziale Kultur Österreich“, "Rettet Österreich", „Die Linken“, „Die Christen“ und eine „Autofahrerpartei“. Schließlich gibt es noch "Die Weißen", das sind Ärzte, die noch darüber nachdenken, zu kandidieren. Jedenfalls müssen die wahlwerbenden Parteien bis zum 37. Tag vor dem Wahltag, also diesmal dem 22. August, 17.00 Uhr, bei der jeweiligen Landeswahlbehörde Unterstützungserklärungen und Wahlvorschläge eingebracht haben. In drei Wochen wissen wir dann also, wieviele Parteien sich dann bis zum 28. September um unsere Stimmen bemühen werden. (mm)
 
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