MolekularbiologInnen der Uni Graz untersuchen die Oberflächenstrukturen der winzigen Organismen
Graz (universität) - In der gegenwärtigen Wellness-Welt haben Bakterien keinen guten Ruf.
Dabei könnten Menschen ohne diese mikroskopisch kleinen, einzelligen Organismen gar nicht überleben.
Spezielle Arten bilden zum Beispiel einen Schutzmantel auf der menschlichen Haut. Gleichzeitig müssen sich
Bakterien auch selbst gegen Angriffe von außen verteidigen. Ein ForscherInnenteam vom Institut für Molekulare
Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz untersucht die schützende Oberflächenstruktur
dieser Organismen – erste Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des international renommierten Magazins
für Strukturbiologie „Structure“ veröffentlicht.
Projektleiter Ao.Univ.-Prof. Dr. Walter Keller, Co-Autor des soeben erschienenen Artikels, erklärt: „Bakterien
bilden auf ihrer äußersten Zellwand so genannte ‚Surface-layers’, kurz S-layers. Das sind Oberflächenstrukturen
aus Proteinen, die für die Bakterien sehr wichtig sein müssen, da sie bis zu zehn Prozent des Gesamtproteins
ausmachen und mit einem enormen Aufwand produziert werden.“ Das Team um Walter Keller, das aus Grazer, Wiener und
Hamburger Struktur- und MolekularbiologInnen besteht, beschäftigt sich mit der Frage, welche Aufgaben S-layers
erfüllen und erforschen weitgehend deren Struktur und Bindungsverhalten.
Der wissenschaftliche Artikel in „Structure“ beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie die Zusammensetzung
(Assemblierung) der S-Layer-Proteine funktioniert und wie sie sich gezielt beeinflussen lässt. Erstmals gelang
es Dr. Tea Pavkov mit Hilfe der Kristallographie eine Teilstruktur des S-Layer-Proteins mit höchster Auflösung
darzustellen. „Man kann sich das Verhältnis von Bakterium und S-layer vorstellen wie das eines Ritters zu
seinem Kettenhemd“, so die Wissenschafterin. „S-layers funktionieren wie Siebe, die das notwendige Material, wie
zum Beispiel Nahrungsmittelmoleküle, in das Innere des Organismus vordringen lassen. Schadstoffe werden hingegen
abgewehrt. S-layers interagieren aber auch mit anderen Zellen des Wirtes, zum Beispiel des Menschen und stimulieren
etwa die körpereigenen Abwehrkräfte. Ein berühmtes Beispiel hierfür sind die vielgepriesenen
Milchsäurebakterien.“
Im nächsten Schritt wollen die ForscherInnen nun mit Hilfe der cryo-Elektronen-Mikroskopie die Struktur des
gesamten S-layer in einem bestimmten Bodenbakterium nachweisen. „Der Großteil der gesamten Biomasse auf der
Welt besteht aus Bakterien“, sagt Keller, „und doch geben uns diese Organismen nach wie vor Rätsel auf.“ |