Die richtige Menge Eph-Rezeptoren an der Oberfläche von Nervenzellen ermöglicht eine
sinnvolle Verknüpfung von Erlebnissen mit Emotionen
Großhadern (idw) - Die Verknüpfung zwischen Emotionen und Erlebnissen bestimmt viele Aspekte
unseres täglichen Lebens. Nur so können wir schöne Dinge wiedererkennen oder schädliche Situationen
vermeiden. Diese Verknüpfungen entstehen, wenn Nervenzellen neue Verbindungen zueinander aufbauen oder bestehende
Verbindungen verstärken. Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Neurobiologie und Psychiatrie und
des Klinikums Großhaderns (LMU) haben jetzt ein Molekül erforscht, das entscheidend die Stärke
dieser Verbindungen beeinflusst. PNAS, 4. August 2008
Fasst ein Kind auf eine heiße Herdplatte, wird es sehr wahrscheinlich das erste und letzte Mal gewesen sein.
Der Grund für dieses schnelle Lernen liegt im Mandelkern. Dies ist ein kleiner Bereich im Gehirn, der Erlebnisse
mit Emotionen verknüpft. Im Mandelkern werden die Herdplatte, der erlebte Schmerz und eine leichte Furcht
miteinander verbunden - ein erneutes Anfassen wird in Zukunft vermieden. Während diese Verknüpfung von
Furcht und Erlebnissen den Körper häufig vor Schaden schützt, kann eine falsche oder unverhältnismäßige
Verknüpfung zu großen Problemen führen. Ein Beispiel sind Phobien, bei denen relativ harmlose Gegenstände
oder Situationen mit Angst verbunden werden. Doch wie bilden die Nervenzellen solche Verknüpfungen? Und wie
werden sie reguliert?
Erinnerungen und auch Angst-Erlebnis-Verknüpfungen entstehen, wenn Nervenzellen neue Kontakte zu ihren Nachbarzellen
aufbauen oder bestehende Kontakte verstärken. Für die Signalübertragung an solchen Kontaktstellen
sind sogenannte Eph-Rezeptoren wichtig, die auf der Oberfläche der Nervenzellen sitzen und eine Art Antennenfunktion
ausüben. Bindet eine Nachbarzelle mit den entsprechenden Bindungspartnern an diese Rezeptoren, wird die Signalübertragung
verstärkt. Je weniger Eph-Rezeptoren eine Zelle auf ihrer Oberfläche hat, desto schwächer wird die
Kommunikation mit anderen Nervenzellen - die Verknüpfung von Emotionen und Erlebnissen im Mandelkern wird
zunehmend schwerer.
Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Neurobiologie und Psychiatrie und des Klinikums Großhadern
(LMU) haben nun ein Molekül erforscht, das die Menge der Eph-Rezeptoren auf der Oberfläche von Nervenzellen
kontrolliert. Rin1, so der Name des Moleküls, sorgt dafür, dass Eph-Rezeptoren vermehrt von der Zelloberfläche
in die Zelle hinein transportiert werden. Fehlt Rin1 in den Nervenzellen des Mandelkerns einer Maus, bleibt die
Menge an Eph-Rezeptoren hoch. Das Resultat ist eine verstärkte Signalübertragung zwischen den Nervenzellen
- die molekulare Grundlage für eine erhöhte Angstreaktion. Fehlt hingegen der Eph-Rezeptor, wird die
Kommunikation zwischen den Nervenzellen nicht verstärkt und eine Verknüpfung von Emotion und Erlebtem
wird vermutlich schwer.
Rin1 ist das erste bekannte Molekül, das die Verfügbarkeit von Eph- Rezeptoren im erwachsenen Gehirn
begrenzt. "Wir beginnen allmählich zu verstehen, wie Emotionen mit Erlebnissen auf molekularer Ebene
verbunden werden", sagt Rüdiger Klein, der Leiter der Studie. Solch ein Verständnis ist Voraussetzung
auch für mögliche Entwicklungen von Medikamenten. "Grundlagenwissen wie die nun gezeigte Regulierung
der Eph-Rezeptoren durch Rin1 könnte es in Zukunft erlauben, mangelnde Signalübertragung zwischen Nervenzellen
zu verbessern oder schädliche Verbindungen zu eliminieren", hofft Katrin Deininger als Langzeit-Ziel
für ihre Studie. Das wären gute Aussichten, denn Eph-Rezeptoren spielen auch bei anderen Prozessen eine
wichtige Rolle, zum Beispiel bei der Entwicklung oder Regeneration des Nervensystems.
Originalveröffentlichung: Katrin Deininger, Matthias Eder, Edgar R. Kramer, Walter Zieglgänsberger,
Hans-Ulrich Dodt, Klaus Dornmair, John Colicelli, Rüdiger Klein The Rab5 guanylate exchange factor Rin1 regulates
endocytosis of the EphA4 receptor in mature excitatory neurons PNAS, 4. August 2008 |