Bozen (lpa) - „Was wir uns vorgenommen haben, haben wir auch erreicht.“ Das Fazit von Landeshauptmann Luis
Durnwalder zur auslaufenden Amtszeit der Landesregierung ist heute (13. August) kurz und knapp ausgefallen. Anlass
für das Fazit war die Mittsommer-Pressekonferenz, die der Landeshauptmann traditionell in seinem Ferienhaus
in Pfalzen abgehalten hat. Dabei bot er einen Überblick über die vergangenen Monate und einen Ausblick
auf die bevorstehenden Fragen.
Vorausgeschickt hat der Landeshauptmann heute sein Fazit zur im Oktober zu Ende gehenden Amtszeit seiner Landesregierung.
Das vor fünf Jahren definierte Regierungsprogramm sei abgearbeitet worden, eine Ausnahme bilde lediglich die
Toponomastik, wobei dafür bereits ein Gesetzentwurf im Landtag liege. „Ich bin der Meinung, dass wir dieses
Problem in der neuen Legislaturperiode angehen müssen, weil man es nicht dadurch löst, dass man es auf
die lange Bank schiebt“, so der Landeshauptmann.
Wie es bereits Tradition ist, hat Durnwalder seinen Überblick danach in Brüssel begonnen. Die
EU spiele eine überragende Rolle in der täglichen Politik, entsprechend wichtig sei eine starke Vertretung
in den Brüsseler Gremien, etwa im Ausschuss der Regionen, wo für den Alpenraum und für Minderheiten
wichtige Fragen geklärt würden. Besonderen Wert legte der Landeshauptmann darauf, die italienische Regierung
an die Bedeutung der Ratifizierung des Madrider Abkommens zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der
Alpenkonventions-Protokolle zu erinnern. „Diese Punkte sind für uns als Grenz- und Transitland überaus
wichtig, weshalb ich sie auch in den Mittelpunkt eines für September geplanten Gesprächs mit Ministerpräsident
Berlusconi stellen werde“, so Durnwalder.
Stellung bezog der Landeshauptmann auch zur Kritik an den Förderungen in Südtirol, die – nach
Meinung der Kritiker – üppiger ausfielen als in anderen Regionen. „Dazu muss man betonen, dass alle unsere
Förderungsrichtlinien in Rom und Brüssel genehmigt werden müssen“, so Durnwalder. Entsprechend stehe
es allen Regionen offen, den Südtiroler Weg zu beschreiten, wenn sie es denn wollten. „Die Kritik, dass es
eine Ungleichbehandlung gebe, trifft demnach die Falschen: Nicht wir sind dafür verantwortlich, sondern die
Regierungen der einzelnen Regionen.“
In Sachen Agrarpolitik konzentrierte sich Durnwalder heute auf die Reform der Weinmarktordnung, die nach
langen Verhandlungen so ausgefallen sei, dass sie akzeptiert werden könne. „Wir werden ihr allerdings nicht
in allen Bereichen folgen, etwa wenn es um Rodungsprämien oder die Zwangsdestillation geht“, so der Landeshauptmann.
Auf die bevorstehende Abschaffung der Milchquoten werde man sich einstellen. „Wir fordern entsprechende Ausgleichsmaßnahmen
für die Berglandwirtschaft“, erklärte Durnwalder, der im Juni in Brüssel seinen Bericht über
die Berggebiete vorgestellt hatte. Gute Nachrichten hatte der Landeshauptmann für alle Waldbesitzer zu verkünden,
noch allerdings inoffiziell: „Wir werden voraussichtlich in den kommenden zwei Wochen die offizielle Nachricht
aus Brüssel bekommen, dass wir die Holznutzungsprämien wieder auszahlen können, und zwar auch rückwirkend
für die Jahre 2006 und 2007“, so Durnwalder heute.
Was die Beziehung zur römischen Regierung betrifft, so betonte der Landeshauptmann, dass sich jede
Regierung an die Spielregeln des Minderheitenschutzes halten müsse. „Sollte unsere Autonomie ausgehöhlt
oder uns streitig gemacht werden, dann werden wir unsere Politik ändern“, so der Landeshauptmann. Dann müsse
man sich nicht mehr an den zu Kriegsende akzeptierten Kompromiss einer Autonomieregelung gebunden fühlen und
auf die ursprüngliche Forderung der Südtiroler zurückkommen. „Wir würden dann die Selbstbestimmung
fordern“, so Durnwalder. Er sei allerdings überzeugt, dass auch die amtierende Regierung ihren Verpflichtungen
nachkomme, doch werde man nicht zulassen, dass an der Autonomie gerüttelt werde. „Wenn man die Regionen mit
Normalstatut auf unser Niveau anheben möchte, haben wir nichts einzuwenden, wenn man aber unsere Autonomie
schmälern will, dann ist mit uns nicht zu spaßen“, so der Landeshauptmann.
Wiederholt hat Durnwalder die Position der Landesregierung in Sachen Steuerföderalismus. Man sei bereit,
sich durch die Übernahme neuer Kompetenzen an den Einsparungen zu beteiligen, so der Landeshauptmann. Und
in Sachen Stabilitätspakt solle es der Landesregierung zustehen zu definieren, in welchen Bereichen man spare,
solange man die ausgehandelten Sparziele erreiche.
Auf regionaler Ebene hob Durnwalder die gute Zusammenarbeit mit seinem Trentiner Amtskollegen Dellai hervor. Die
Übernahme der Präsidentschaft in der Region durch die beiden Landeshauptleute habe sich bewährt,
man habe Kosten sparen und die Sitzungen auch für eine Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
nutzen können. Zudem habe man über die Region wichtige Schritte, etwa in der Familienpolitik, gesetzt.
Zurückkommend auf die Bilanz der Landesregierung betonte Durnwalder, dass die letzten fünf Jahre zweifelsohne
zu den „fetten“ Jahren in der Geschichte unseres Landes zu zählen seien. „Wir konnten die Infrastruktur
verbessern, Bauprogramme zum Teil um Jahre vorziehen und so auch für die wahrscheinlich bevorstehenden magereren
Jahre vorarbeiten“, so der Landeshauptmann, der als Beweis dafür auch die Statistiken heranzog: so sei Südtirol
im Bereich der Beschäftigung unter den Top-Drei der rund 300 europäischen Regionen zu finden, das Bruttoinlandsprodukt
pro Einwohner liege an der Spitze im Staat und im Vergleich zum EU-Schnitt (100) bei 136,7. „Auch daran ersieht
man, dass die Ressourcen, die uns zur Verfügung standen, gut eingesetzt worden sind“, so der Landeshauptmann.
Für die kommenden Jahre müsse man den Export stärken, die Mittel für Forschung und Entwicklung
von derzeit 70 auf 150 Millionen Euro heben und Arbeitsplätze für Hochqualifizierte schaffen. „Derzeit
wandern rund 20 Prozent unserer Akademiker ab, wir können uns aber nicht leisten, auf diese hellen Köpfe
zu verzichten“, so Durnwalder. Zudem habe man daran gearbeitet, die Bürokratie – etwa in der Unternehmensansiedlung
– abzubauen und die Steuern, wo immer möglich, zu senken.
Wiederholt hat der Landeshauptmann heute auch die Strategie der Landesregierung in Sachen Handel. „Wir haben
mit besonderen Förderungsmaßnahmen dafür gesorgt, dass höhere Beiträge an die Geschäfte
gezahlt werden können, wenn diese die letzten in ihrem Ort sind“, so Durnwalder. Denn: „Die Geschäfte
gehören zum dörflichen Leben und sind auch soziale Mittelpunkte“, so der Landeshauptmann. Daneben müsse
man aber auch die Versorgung über größere Geschäfte in Ballungszentren ausbauen. Dafür
würden neue Flächen bereitgestellt und auch das Einkaufszentrum in Bozen werde man auf den Weg bringen.
Vorgesehen seien dafür 20.000 Quadratmeter an Verkaufs- und weitere 20.000 als Zubehörsflächen.
Von den rund 6000 Arbeitslosen wolle man in den nächsten Jahren rund 2000 wieder in den Arbeitsmarkt
eingliedern, kündigte der Landeshauptmann heute an. Dies wolle man durch gezielte Programme für Ältere,
Menschen mit Behinderung und Mütter erreichen, die nach der Babypause wieder in das Berufsleben einsteigen
wollen.
Lobende Worte fand der Landeshauptmann heute für das Südtiroler Bildungssystem, allen voran für
die Lehrer. „Wenn unsere Schüler bei internationalen Vergleichen immer sehr gut abschneiden, dann liegt dies
nicht nur an guten Programmen und Strukturen, sondern in erster Linie an den Lehrern, die ihre Arbeit motiviert,
engagiert und gut vorbereitet machen. Besonders hervorgehoben hat der Landeshauptmann zudem die Bedeutung des Sprachenlernens,
weshalb man etwa den Italienisch- oder Englischunterricht vorgezogen habe. Insgesamt könne man in Südtirol
auf eine moderne Schule zurückgreifen, die auf Einzelne eingehe und Talente fördere, so Durnwalder. Die
Schulreform werde dies noch verstärken. „Wir werden bei der Umsetzung die Lehrer einbeziehen und die Reform
möglichst sanft umsetzen“, so der Landeshauptmann.
Ein besonderes Augenmerk richtete Durnwalder auf die Einwanderer. „Wir müssen ganz klar und deutlich
sagen, dass wir sie brauchen, um Stellen zu besetzen, für die sich keine Einheimischen finden“, so der Landeshauptmann.
Entsprechend müsse man denen, die arbeiteten, Steuern zahlten und sich an die Gesetz hielten, mit Respekt
begegnen. „Es ist schäbig, alle Einwanderer in einen Topf zu werfen und auf ihrem Rücken Politik zu machen“,
so Durnwalder. Der Landeshauptmann forderte allerdings auch eine bessere Kontrolle darüber, wer ins Land komme.
Familienzusammenführungen sollten etwa nur dann möglich sein, wenn in Südtirol ein Job, ein Verdienst
in Höhe des Lebensminimums und eine Wohnung nachgewiesen werden könnten. Auch solle man bei der Anwerbung
von Arbeitskräften jene bevorzugen, mit denen es weder sprachlich noch religiös zu Schwierigkeiten komme.
Illegale Einwanderer und diejenigen, die straffällig würden, solle in jedem Fall die volle Härte
des Gesetzes treffen.
In Sachen Familien unterstrich der Landeshauptmann, dass diejenigen, die sich für eine traditionelle
Familie entschieden, nicht benachteiligt werden dürften. „Dies auch, wenn wir die neuen Familienformen respektieren“,
so Durnwalder. Die Landesregierung habe in den letzten Jahren eine ganze Reihe an Unterstützungsmaßnahmen
für Familien aus der Taufe gehoben, habe die finanzielle Unterstützung gesteigert, Strukturen zur Kinderbetreuung
geschaffen, die Öffnungszeiten der Kindergärten und Schulen verlängert und auf dem Wohnungsmarkt
interveniert, um die Preise durch eine Steigerung des Angebots zu drücken.
In Sachen Gesundheit hob der Landeshauptmann hervor, dass der erste Schritt der Reform – jener, der die
Verwaltung betreffe – gesetzt worden sei. Der zweite, schwierigere stehe bevor, die Richtlinien für die klinische
Reform stünden aber bereits: „Wir können garantieren, dass wir in allen Krankenhäusern die Grundversorgung
auch weiterhin bieten werden, in Referenzzentren in einzelnen Krankenhäusern werden darüber hinaus besondere
Behandlungsformen geboten“, so Durnwalder.
Hervorgehoben hat der Landeshauptmann, dass von 4900 geplanten Pflegebetten bereits 3600 zur Verfügung stünden.
Allerdings sei er der Meinung, dass nicht mehr die volle Anzahl an Betten gebraucht werde. „Durch die Pflegesicherung
entlasten wir die Familien bei der Hauspflege, sodass viele sich dafür entscheiden werden“, so Durnwalder.
Zudem investiere man in die Schaffung von Pflege-Tagesstätten und in die offene Altenbetreuung.
Kurz angeschnitten hat der Landeshauptmann das Paket der Landesregierung mit rund 50 Maßnahmen zur Stärkung
der Kaufkraft, etwas ausführlicher hat sich Durnwalder dem Thema Energie gewidmet. Man habe das Ziel, das
man sich vor Jahren gesetzt habe, bis Ende der Amtszeit 50 Prozent des Energiebedarfs (ohne Verkehr) aus alternativen
Quellen zu decken, bereits übererfüllt. „Derzeit halten wir bei einem Anteil von 58 Prozent“, so der
Landeshauptmann. Zudem habe man den SEL-Edison-Deal unter Dach und Fach gebracht und auch bei der Übernahme
der Enel-Kraftwerke sei man auf der Zielgeraden.
In Sachen Verkehr habe man in den Ausbau des Straßennetzes ebenso investiert, wie in den öffentlichen
Nahverkehr. „Jährlich haben wir rund 40 Millionen Euro allein für den Ausbau des Zug-Angebots investiert“,
so Durnwalder, der als Ziel die Einführung des Halbstundentakts auf allen Hauptstrecken nennt. Auch der Brennerbasistunnel
(BBT) sei nach wie vor ein Ziel, das man verfolge. „Wir sind überzeugt, dass wir das Transitproblem im Eisacktal
und im Unterland nur lösen können, wenn wir für eine Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene
sorgen und diese unterirdisch verläuft“, so Durnwalder. Vom Flughafen Bozen aus sollten künftig vier
Flüge nach Rom und je einer nach Frankfurt und Wien starten. „Wir werden diesen Dienst ausschreiben und so
für maximale Transparenz sorgen“, so der Landeshauptmann. |