Wien (wifo) - Die österreichische Wirtschaft wuchs laut WIFO-Schnellschätzung im II. Quartal 2008,
bereinigt um Saison- und Arbeitstagseffekte, gegenüber dem Vorquartal real um 0,4%. Gegenüber dem Vorjahr
bedeutet dies einen Anstieg des BIP um 2%. Die deutliche Wachstumsabschwächung gegenüber den Vorquartalen
spiegelt die Wirkungen des internationalen Konjunkturabschwungs auf Export und Industrieproduktion wider. Die Konsumnachfrage
kann sich vor dem Hintergrund hoher Inflation und rückläufiger Realeinkommen nicht erholen. Hingegen
stabilisieren Bauwirtschaft und Tourismus die Konjunktur. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist im Vergleich mit dem
Vorjahr noch sehr günstig, allerdings gibt es bereits klare Hinweise auf eine Trendwende.
Die internationale Konjunkturabschwächung ging von den USA aus und übertrug sich verstärkt durch
den hohen Euro-Kurs und den merklichen Anstieg der Verbraucherpreise im Frühsommer auch auf den Euro-Raum.
Nun macht sie sich auch in Österreich bemerkbar. Das BIP erhöhte sich im II. Quartal gegenüber dem
Vorquartal real um nur noch 0,4%. Damit ist der Konjunkturaufschwung, der im Jahr 2004 eingesetzt hat, zu Ende.
Die Trendwende zeigt sich zuerst in der exportorientierten Industrie. Der Export übertraf den Wert des Vorquartals
im II. Quartal saisonbereinigt real um 0,9%, gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 4,6% (Güterexport
+5,4%). Die Ausfuhr wuchs damit nur noch halb so rasch wie vor einem Jahr. Während laut Außenhandelsstatistik
die Nachfrage aus Ostmitteleuropa und den erdölproduzierenden Ländern kräftig blieb, war jene aus
dem Euro-Raum nur verhalten, und der Absatz in den USA war wegen der Schwäche der dortigen Binnennachfrage
sogar rückläufig. In der heimischen Sachgütererzeugung expandierte die reale Wertschöpfung
im II. Quartal saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal um nur noch 0,6%, deutlich schwächer als in den
zwei besonders starken Quartalen zuvor (jeweils +1,5%). Gegenüber dem Vorjahr ergab sich zuletzt noch eine
Steigerung um 4,9%.
Der Konjunkturabschwung in der Sachgütererzeugung wird auch von den Ergebnissen des WIFO-Konjunkturtests bestätigt.
Der Überhang der Unternehmen, die eine Ausweitung der Produktion erwarten, verringert sich rasch (von 16,5
Prozentpunkten im III. Quartal 2007 auf nur noch 7 Prozentpunkte im III. Quartal 2008). Die Unternehmen beurteilen
ihre Auftragslage nun deutlich ungünstiger, melden einen Rückgang der Kapazitätsauslastung und einen
Anstieg der Lagerbestände. War der Saldo der Industriebetriebe, die bezüglich der eigenen Geschäftslage
in sechs Monaten optimistisch waren, vor einem Jahr noch mit +8 Prozentpunkten positiv, so beurteilen die Unternehmen
die Aussichten nun überwiegend negativ (–9,5 Prozentpunkte). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Konjunkturumfrage
der Europäischen Kommission zur Industriekonjunktur in der EU. Besonders stark trübte sich die Unternehmensstimmung
seit Jahresbeginn in Frankreich, Spanien und Finnland, aber auch in den baltischen Ländern ein.
In Österreich erfasste der Konjunkturaufschwung der letzten Jahre die Ausrüstungsinvestitionen erst sehr
spät, die Investitionen wurden aber bis zuletzt ausgeweitet. Im II. Quartal 2008 erhöhten sich die Ausrüstungsinvestitionen
laut WIFO-Schnellschätzung saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal real um 0,6% (+5,4% gegenüber
dem Vorjahr). Auch die Investitionsabsichten der im WIFO-Investitionstest befragten Sachgütererzeuger waren
im Frühsommer noch eher optimistisch. Allerdings bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß diese Pläne
angesichts des Rückgangs von Auftragseingängen und Kapazitätsauslastung umgesetzt werden.
Die Konjunktur wird auch von der hohen Inflationsrate gebremst. Sie erreichte in Österreich gemessen am harmonisierten
Verbraucherpreisindex im Juni die 4%-Marke (VPI +3,9%), im Euro-Raum überschritt sie diese im Juli bereits
(Eurostat-Vorausschätzung: +4,1%). Drei Fünftel des heimischen Preisauftriebs gehen auf die Bereiche
Treibstoffe, Heizöl und Nahrungsmittel zurück. Jüngst zeichnet sich bei diesen Güterkategorien
eine leichte Entspannung ab. Die Weltmarkt-Rohölnotierungen verringerten sich von einem Höchststand von
über 140 $ je Barrel auf knapp 120 $. Die Nahrungsmittelpreise gaben auf Verbraucherebene im Juni gegenüber
dem Vormonat etwas nach. Dennoch bedeutet der starke Preisauftrieb, dass die realen Bruttoeinkommen je Beschäftigten
sinken, denn die nominellen Tariflöhne stiegen im Durchschnitt um nur 3,3%. Die schwache Entwicklung der verfügbaren
Einkommen schlägt auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte durch. Im II. Quartal 2008 lagen diese real
und saisonbereinigt um 0,3% über dem Niveau des Vorquartals. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen
Anstieg von nur noch 0,8%. Auch die realen Einzelhandelsumsätze erhöhten sich im 1. Halbjahr nur in diesem
Ausmaß.
Hingegen stabilisieren die Bauwirtschaft und der Tourismus die Konjunktur. Die Wertschöpfung der Bauwirtschaft
war im II. Quartal real um 0,5% höher als im Vorquartal und um 3% höher als im Vorjahr. Während
die Dynamik der Nachfrage im Wohnbau eher nachlässt, entwickelt sich der Industrie- und Geschäftsbau
sehr rege, und der Tiefbau expandiert von hohem Niveau ausgehend. Damit ist die Baukonjunktur in Österreich
deutlich stärker als im Durchschnitt der EU, der durch die Immobilien- und Baukrise in Irland, Spanien und
Großbritannien gedrückt wird. Der heimische Tourismus meldete einen guten Beginn der Sommersaison, obwohl
die Zahl der Nächtigungen im Juni während der Fußball-Europameisterschaft – zum Teil auch kalenderbedingt
– um 4% unter dem Wert des Vorjahres lag. Die Tourismuswirtschaft setzte im Mai und Juni insgesamt real um 4,3%
mehr um als im Vorjahr.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich im Vorjahresvergleich weiterhin deutlich. Die Zahl der unselbständig
aktiv Beschäftigten war im Juli um 79.000 höher, jene der registrierten Arbeitslosen um 7.000 niedriger
als ein Jahr zuvor. Die saisonbereinigten Zahlen zeigen aber eine konjunkturbedingte Trendwende auf dem Arbeitsmarkt:
Die Beschäftigung erhöht sich nur noch sehr verhalten (Juli +0,1% gegenüber dem Vormonat), die Zahl
der offenen Stellen sinkt (–2,6%), und jene der Arbeitslosen beginnt zu steigen (+0,6%).
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 8/2008!
Quelle: WIFO
Autor: Markus Marterbauer |