Caslav Brukner erhält Grant für zukunftsorientierte theoretische Forschung
Wien (idw) - Das 2005 gegründete Foundational Questions Institute (FQXi) fördert weltweit
Forschungsprojekte zu fundamentalen Fragen der Physik und Kosmologie. Caslav Brukner wurde nun als einzigem Forscher
einer österreichischen Universität mit 29 anderen internationalen Wissenschaftern der Large Grant 2008
verliehen. Brukner erhielt fast 70.000 US-Dollar für seine Arbeiten im Bereich der Quantenmechanik. Das FQXi
unterstützt Projekte, die die Basis der gängigen Forschung verlassen und neue Theorien entwickeln.
Fundamentaler Forschungsfortschritt bedeutet Paradigmenwechsel
"Von allen bisher bekannten physikalischen Theorien ist die Quantenmechanik jene, die die genaueste
Beschreibung der Phänomene in der Natur liefert. Sie ermöglichte erstmals ein exaktes Verständnis
chemischer Vorgänge und führte zu Erfindungen wie Transistor oder Laser. Die Quantenphysik griff zudem
unser intuitives klassisches Weltbild an, indem sie althergebrachte Konzepte wie Lokalität und Kausalität
in Frage gestellt hat", führt Caslav Brukner von der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation
der Fakultät für Physik der Universität Wien zum Thema aus.
Vor dem Hintergrund dieser unglaublichen Erfolgsgeschichte stellt sich der Grant-Gewinner die Frage, ob man Quantenmechanik
als eine letzte und endgültige Theorie auffassen kann. Denn er ist überzeugt, dass eine wissenschaftliche
Theorie, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt als gültig anerkannt ist, letztlich von einer anderen Theorie
erweitert wird, in welcher die alte Theorie lediglich ein Spezialfall ist. Beispielhaft erklärt dies Brukner
mit der Vorstellung der Erde als Scheibe, die auf kleinen geographischen Gebieten durchaus relativ genau und zulässig
war. Die zunehmende Erforschung unseres Planeten erzwang jedoch, die Vorstellung der Erde als Kugel einzuführen.
"Die Geschichte lehrt uns weiters, dass Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Weltbild notwendigerweise
stets von der Aufgabe alter Begriffe und der Einführung neuer Konzepte begleitet werden. Auf den alten Konzepten
zu insistieren, bedingt gewöhnlich immer komplexere Modelle, um den neuen und genaueren experimentellen Tatsachen
noch gerecht werden zu können", meint Brukner und nennt als Beispiel die Epizyklentheorie im Ptolemäischen
Weltbild.
Verallgemeinerung der Quantentheorie?
Die zurzeit existierenden Alternativen zur Quantentheorie versuchen ausnahmslos, das eine oder andere alte
"klassische" Konzept zu retten. Caslav Brukner versucht hingegen, neue Theorien zu entwickeln, die die
gleichen fundamentalen - nicht-klassischen - Prinzipien haben wie die Quantenmechanik und die die Quantenmechanik
als Spezialfall enthalten. Brukner versucht auch, Möglichkeiten zu finden, diese neuen Alternativtheorien
im Labor zu testen.
All diese Alternativen - so wie die Quantenphysik selbst - basieren auf dem Prinzip, dass elementare physikalische
Systeme beschränkten Informationsinhalt haben. Sie erlauben beispielsweise weiterhin, dass ein Objekt gleichzeitig
in einer Überlagerung (Superposition) verschiedener Zustände sein kann, oder die Tatsache, dass zwei
Objekte auf eine Art miteinander verschränkt sein können, wie es klassisch nicht erklärbar ist.
Der entscheidende Unterschied zur Quantenmechanik ist aber, dass sich die Alternativtheorien in der Dimensionalität
jenes abstrakten Raumes unterscheiden können, der zu ihrer mathematischen Beschreibung notwendig ist.
Caslav Brukner meint, dass diese alternativen Theorien entweder in Bereichen der Natur realisiert sein könnten,
die bisher experimentell noch nicht erschlossen worden sind, oder andernfalls jenes zusätzliche Prinzip herausgefunden
werden kann, das aus all den Alternativen die gewöhnliche Quantenmechanik als einzige Möglichkeit auszeichnet.
Der Quantenphysiker wird mit fast 70.000 US-Dollar vom FQXi gemeinsam mit Tomasz Paterek von der ÖAW versuchen,
Antworten auf diese Fragen zu finden.
Foundational Questions Institute (FQXi)
Das FQXi, basierend auf der John Templeton Foundation, ist in Cambridge, USA, angesiedelt und wird von
Max Tegmark, Professor für Physik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), geleitet. Ziel des FQXi
ist es, ein weltweites Netzwerk zur Erforschung von Ursprung und Entwicklung des Universums aufzubauen. Gefördert
werden Projekte aus dem Bereich der Physik und Kosmologie, bei denen versucht wird, mit innovativen Theorien wissenschaftliches
Neuland auszuloten. Heuer wurden für die Large Grant-Gewinner insgesamt über 2,5 Millionen US- Dollar
ausgeschüttet. Markus Aspelmeyer, der heute an der ÖAW forscht, erhielt bereits 2006 und auch heuer wieder
einen Large Grant. |