Was kommt nach der Quantentheorie?   

erstellt am
13. 08. 08

Caslav Brukner erhält Grant für zukunftsorientierte theoretische Forschung
Wien (idw) - Das 2005 gegründete Foundational Questions Institute (FQXi) fördert weltweit Forschungsprojekte zu fundamentalen Fragen der Physik und Kosmologie. Caslav Brukner wurde nun als einzigem Forscher einer österreichischen Universität mit 29 anderen internationalen Wissenschaftern der Large Grant 2008 verliehen. Brukner erhielt fast 70.000 US-Dollar für seine Arbeiten im Bereich der Quantenmechanik. Das FQXi unterstützt Projekte, die die Basis der gängigen Forschung verlassen und neue Theorien entwickeln.


Fundamentaler Forschungsfortschritt bedeutet Paradigmenwechsel
"Von allen bisher bekannten physikalischen Theorien ist die Quantenmechanik jene, die die genaueste Beschreibung der Phänomene in der Natur liefert. Sie ermöglichte erstmals ein exaktes Verständnis chemischer Vorgänge und führte zu Erfindungen wie Transistor oder Laser. Die Quantenphysik griff zudem unser intuitives klassisches Weltbild an, indem sie althergebrachte Konzepte wie Lokalität und Kausalität in Frage gestellt hat", führt Caslav Brukner von der Gruppe Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Fakultät für Physik der Universität Wien zum Thema aus.

Vor dem Hintergrund dieser unglaublichen Erfolgsgeschichte stellt sich der Grant-Gewinner die Frage, ob man Quantenmechanik als eine letzte und endgültige Theorie auffassen kann. Denn er ist überzeugt, dass eine wissenschaftliche Theorie, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt als gültig anerkannt ist, letztlich von einer anderen Theorie erweitert wird, in welcher die alte Theorie lediglich ein Spezialfall ist. Beispielhaft erklärt dies Brukner mit der Vorstellung der Erde als Scheibe, die auf kleinen geographischen Gebieten durchaus relativ genau und zulässig war. Die zunehmende Erforschung unseres Planeten erzwang jedoch, die Vorstellung der Erde als Kugel einzuführen.

"Die Geschichte lehrt uns weiters, dass Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Weltbild notwendigerweise stets von der Aufgabe alter Begriffe und der Einführung neuer Konzepte begleitet werden. Auf den alten Konzepten zu insistieren, bedingt gewöhnlich immer komplexere Modelle, um den neuen und genaueren experimentellen Tatsachen noch gerecht werden zu können", meint Brukner und nennt als Beispiel die Epizyklentheorie im Ptolemäischen Weltbild.

Verallgemeinerung der Quantentheorie?
Die zurzeit existierenden Alternativen zur Quantentheorie versuchen ausnahmslos, das eine oder andere alte "klassische" Konzept zu retten. Caslav Brukner versucht hingegen, neue Theorien zu entwickeln, die die gleichen fundamentalen - nicht-klassischen - Prinzipien haben wie die Quantenmechanik und die die Quantenmechanik als Spezialfall enthalten. Brukner versucht auch, Möglichkeiten zu finden, diese neuen Alternativtheorien im Labor zu testen.

All diese Alternativen - so wie die Quantenphysik selbst - basieren auf dem Prinzip, dass elementare physikalische Systeme beschränkten Informationsinhalt haben. Sie erlauben beispielsweise weiterhin, dass ein Objekt gleichzeitig in einer Überlagerung (Superposition) verschiedener Zustände sein kann, oder die Tatsache, dass zwei Objekte auf eine Art miteinander verschränkt sein können, wie es klassisch nicht erklärbar ist. Der entscheidende Unterschied zur Quantenmechanik ist aber, dass sich die Alternativtheorien in der Dimensionalität jenes abstrakten Raumes unterscheiden können, der zu ihrer mathematischen Beschreibung notwendig ist.

Caslav Brukner meint, dass diese alternativen Theorien entweder in Bereichen der Natur realisiert sein könnten, die bisher experimentell noch nicht erschlossen worden sind, oder andernfalls jenes zusätzliche Prinzip herausgefunden werden kann, das aus all den Alternativen die gewöhnliche Quantenmechanik als einzige Möglichkeit auszeichnet. Der Quantenphysiker wird mit fast 70.000 US-Dollar vom FQXi gemeinsam mit Tomasz Paterek von der ÖAW versuchen, Antworten auf diese Fragen zu finden.


Foundational Questions Institute (FQXi)
Das FQXi, basierend auf der John Templeton Foundation, ist in Cambridge, USA, angesiedelt und wird von Max Tegmark, Professor für Physik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), geleitet. Ziel des FQXi ist es, ein weltweites Netzwerk zur Erforschung von Ursprung und Entwicklung des Universums aufzubauen. Gefördert werden Projekte aus dem Bereich der Physik und Kosmologie, bei denen versucht wird, mit innovativen Theorien wissenschaftliches Neuland auszuloten. Heuer wurden für die Large Grant-Gewinner insgesamt über 2,5 Millionen US- Dollar ausgeschüttet. Markus Aspelmeyer, der heute an der ÖAW forscht, erhielt bereits 2006 und auch heuer wieder einen Large Grant.
 
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