... und die Koalitionsregierung, die im Wahlkampf steht, sieht sich vor einer Sondersitzung des Nationalrats. Die
Grünen haben einen diesbezüglichen Antrag gestellt. Im Plenum soll über den Verbleib von Verteidigungsministers
Norbert Darabos in dieser Funktion entschieden werden. Vielfach haben wir an dieser Stelle schon über den
„Dauerbrenner Eurofighter“ berichet, den die SPÖ im Wahlkampf des Jahres 2006 durch Ausstieg aus den Verträgen
(die Schwarz-Blau abgeschlossen hatten) beenden wollten. Das konnte nicht umgesetzt werden, weshalb sich Darabos
mit dem Verkäufer, der Eurofighter GmbH, in Verbindung setzte mit dem Ziel, einen Vertragsausstieg oder zumindest
drastische Preisreduktionen zu erreichen. Monate vergingen, bis der Verteidigungsminister der Öffentlichkeit
mitteilte, es sei ihm gelungen, der Republik Österreich viel Geld zu ersparen. Was ihm im Grunde genommen
eigentlich nur die eigene Partei glaubte. Vor wenigen Tagen ist nun der Rechnungshofbericht erschienen, mit dem
Darabos kein gutes Zeugnis ausgestellt wird. Einiges der genannten Ersparnis sei nicht nachvollziehbar, der Ressortchef
hätte nicht nur Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) beiziehen sollen, sondern auch Fachleute aus dem
Bundesheer, die die veränderte technische Ausstattung der Eurofighter hätten auf ihre Sinnhaftigkeit
überprüfen sollen. Während nun die SPÖ die Leistungen Darabos´ als Verhandlungserfolg
sieht, sind die anderen vier Parlamentsparteien der Ansicht, Darabos hätte Österreich mit seinem „Alleingang“
massiv geschadet.
Grund genug für die Grünen, also den oben angesprochenen Mißtrauensantrag zu stellen - was ohne
Beteiligung der ÖVP aber keine Aussicht auf Erfolg hätte, selbst wenn FPÖ und dem BZÖ gemeinsam
mit den Grünen die Ministerlaufbahn von Darabos beenden wollen. Aus der ÖVP verlautete es, man würde
sich an die Koalitionsvereinbarung halten, die da vorsieht, den Regierungspartner im Parlament nicht zu überstimmen.
Die Frage ist, ob das auch noch gilt, wenn sich die SPÖ ihrerseits daran nicht mehr halten will. Und dafür
gibt es nicht nur Anzeichen, sondern einen konkreten Anlaß:
In der Radiosendung „Mittagsjournal“ in ORF präsentierte SPÖ- Vorsitzender Werner Faymann ein
Maßnahmenpaket im Kampf gegen die Teuerung, die die SPÖ bei einer Sondersitzung des Parlaments zur Abstimmung
stellen wird: die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel soll von 10 auf 5 Prozent reduziert, die Studiengebühren
abgeschafft, eine 13. Familienbeihilfe auch für Familien mit Kindern unter sechs Jahren soll eingeführt
werden. Weiters soll vom Nationalrat die Erhöhung des Pflegegelds (bereits mit der ÖVP abgestimmt) sowie
die Verlängerung der so genannten Hacklerregelung beschlossen werden. Die ÖVP habe der SPÖ den Sessel
vor die Tür gestellt und Neuwahlen ausgerufen. Und er wünscht sich, sich andere Parteien - inklusive
ÖVP - würden überlegen, ob sie in Verantwortung für die Menschen mitstimmen wollen. Das heißt,
Faymann will diese fünf Punkte jedenfalls durchbringen, auch wenn die ÖVP dagegen ist. Er kann sich aber
nicht vorstellen, daß die ÖVP, sozusagen als Revanche, mit den anderen Parteien gemeinsam dem Verteidigungsminister
das Vertrauen entzieht.
ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon erinnerte an die Aussagen Faymanns vom 7. Juli, wonach
der SPÖ-Chef durch das Stillhalteabkommen der politikverdrossenen Bevölkerung ein "Schauspiel"
ersparen wollte. Das Versprechen, nicht mit der FPÖ zu kooperieren, habe Faymann definitiv gebrochen und mit
seinem Wortbruch habe er erneut gezeigt, dass man ihm einfach nicht trauen könne. Der Wortbruch sei auch ein
Todesstoß für die Steuerentlastung. Mittelstand und Familien würde damit die Aussicht auf eine
Entlastung genommen. Stattdessen würden Trüffel und Kaviar um 50 Cent billiger. Den Universitäten
werde auf Jahre hinaus die finanzielle Absicherung genommen. Und nicht zuletzt werde Faymanns Wortbruch zu einem
weiteren Probe-Galopp für Rot-Blau.
Alexander Van der Bellen, Bundessprecher der Grünen, begrüßt „die späte Einsicht
von Faymann“, nun nach mehrmaliger Ablehnung seitens der SPÖ die Studiengebühren doch noch vor der Wahl
abzuschaffen. Die SPÖ schwenke damit endlich auf eine zentrale Forderung der Grünen ein. Das sei ein
schöner Erfolg. Und die Grünen erwarteten, dass die SPÖ nun umgehend eine Sondersitzung des Nationalrates
beantrage, damit die Studierenden so rasch als möglich von den Studiengebühren befreit werden. Den Universitäten
müsse der Einnahmenausfall selbstverständlich gleichzeitig aus dem Budget ersetzt werden. Er sei schon
sehr gespannt, ob die SPÖ nach Aufkündigung des Stillhalteabkommens bereit sein werde, noch vor der Wahl
auch bei anderen wichtigen Fragen dem Parlament endlich den nötigen Freiraum einzuräumen.
FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache erklärte, die FPÖ sei die allererste
Partei gewesen, die beispielsweise die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gefordert habe. Diese Forderung
sei von der SPÖ und den anderen Parteien seinerzeit abgeschmettert worden. Die FPÖ glaube nicht daran,
daß der Nicht-Angriffspakt zwischen SPÖ und ÖVP - den die SPÖ nur geschlossen habe, um nach
der Wahl bei der ÖVP wieder als 1. Adresse für eine Koalition anklopfen zu können - von der SPÖ
aufgeweicht werde. Die FPÖ werde bei einer Sondersitzung jedenfalls ein umfassendes Paket einbringen - das
werde dann die endgültige Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der SPÖ sein. Die FPÖ sei
allerdings nicht dazu bereit, einer dahinsiechenden SPÖ über die Ziellinie zu helfen, so Strache.
BZÖ-Generalsekretär Martin Strutz begrüßte ausdrücklich, daß das
unselige Stillhalteabkommen der Großen Koalition aufgekündigt worden sei. Spät aber doch, könne
jetzt endlich für die Menschen etwas erreicht werden und langjährige BZÖ-Forderungen hätten
eine echte Chance auf Umsetzung. Das BZÖ stehe für das freie Spiel der Kräfte, neben der SPÖ
sei auch die ÖVP herzlich eingeladen, vernünftige Forderungen gemeinsam mit dem BZÖ umzusetzen.
Das BZÖ zeige in Kärnten, wie erfolgreich ein freies Spiel der Kräfte sein kann. Das Ziel des BZÖ
sei es, seine langjährigen Forderungen zu realisieren, mit wem, sei egal, denn dem BZÖ mit Jörg
Haider gehe es um die Probleme der Menschen und nicht um die Parteien. Strutz stellt auch fest, daß das BZÖ
etwaige Misstrauensanträge gegen Verteidigungsminister Darabos unterstützen werde.
Nun wird also der bisher eher laue Wahlkampf mit Ansprachen und Plakaten ins Hohe Haus verlagert - am 18. September
soll die erste Sondersitzung stattfinden. Wir werden sehen, ob sich aus dem Stimmverhalten der Parteien 10 Tage
vor der Wahl mögliche Koalitionen werden ableiten lassen. (mm)
Schließlich sei noch angemerkt, daß diesmal bundesweit zehn Parteien kandidieren werden:
Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)
Österreichische Volkspartei (ÖVP)
Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
BZÖ – Liste Jörg Haider (BZÖ)
Bürgerforum Österreich Liste Fritz Dinkhauser (FRITZ)
Die Christen (DC)
Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)
Liberales Forum (LIF) und
Unabhängige Bürgerinitiative Rettet Österreich (RETTÖ)
Weiter kandidieren
im Burgenland sowie in Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Wien:
Linke (LINKE)
In Kärnten:
Liste Stark (STARK)
und In Wien:
Tierrechtspartei earth-human-animals-nature (TRP) |