Wissenschaftler des Astrophysikalischen Instituts Potsdam entdecken den massereichsten
Galaxienhaufen im frühen Universum
Potsdam (idw) - Mit Hilfe des Röntgensatelliten XMM-Newton und des Large Binocular Telescope
(LBT) in Arizona hat eine Potsdamer Forschergruppe ein echtes Schwergewicht unter den Galaxienhaufen aufgespürt.
Der Haufen mit dem Namen 2XMM J083026+524133 wurde in 7,7 Milliarden Jahren Entfernung beobachtet. Dies erlaubt
den Forschern einen Blick in die Vergangenheit des Universums vor 7,7 Milliarden Jahren. Ihr Fund bestätigt
kosmologische Modelle, bei denen eine so genannte "Dunkle Energie" die Entwicklung des Universums dominiert.
Seit dem Jahr 1999 umkreist der ESA-Satellit XMM-Newton, so genannt in Würdigung des englischen Physikers
Isaac Newton, die Erde und hat seitdem mehr als 5000 einzelne Beobachtungen von speziell ausgewählten Himmelsregionen
durchgeführt. Alle in den ersten sieben Jahren der Mission gefundenen Röntgenquellen sind heute im "2XMM
Katalog" erfasst. Das sind mehr als 190.000 Objekte unterschiedlichster Natur. Der Galaxienhaufen 2XMM J083026+524133
wurde durch eine systematische Auswertung des gesamten Katalogs entdeckt.
Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum, die durch ihre eigene Schwerkraft zusammengehalten
werden. Sie bestehen aus einer Vielzahl einzelner Galaxien, wobei ihre Gesamtmasse 1015 Sonnenmassen erreichen
kann. Man nimmt an, dass sich diese Strukturen aus kleinsten Materiedichteschwankungen im Laufe langer Zeiträume
entwickelt haben. Eines der wichtigen Forschungsthemen der modernen Astrophysik geht der Frage nach, wann und wie
sich derlei große und massereiche Strukturen gebildet haben.
Georg Lamer und seine Potsdamer Kollegen durchforschten den 2XMM Katalog gezielt nach diffus leuchtenden Röntgenquellen.
Denn anders als für Beobachter die mit einem optischen Teleskop arbeiten verrät sich die massive Ansammlung
von Galaxien im Röntgenlicht durch fast 100 Millionen Grad heißes Gas, das zwischen den einzelnen Mitgliedsgalaxien
des Haufens verteilt ist.
Lamer verglich die Positionen am Himmel der so ausgewählten Kandidaten anschließend mit den besten zur
Verfügung stehenden Himmelsdurchmusterungen im sichtbaren Licht. Überall dort, wo kein optisches Gegenstück
zur Röntgenquelle vorhanden war, beantragte das Forscherteam neue Beobachtungen. Mit dem LBT, dem gerade erst
in Betrieb gegangenen, größten optischen Teleskop der Welt, wurden schließlich auch die extrem
schwachen Galaxien von 2XMM J083026+524133 sichtbar.
Wieviel mehr solcher riesiger und weit entfernter Galaxienhaufen verbergen sich im Katalog der XMM-Beobachtungen?
"Wir haben tatsächlich die Stecknadel im Heuhaufen gefunden." erklärt Lamer. "Da Galaxienhaufen
kontinuierlich wachsen, waren Objekte dieser Leuchtkraft und Masse im frühen Universum wesentlich seltener
als heute. Kosmologische Berechnungen machen es unwahrscheinlich, in den vorhandenen Röntgenbeobachtungen
weitere solcher Haufen zu finden." Die Entdeckung zahlreicher massereicher Haufen im frühen Universum
erwarte man mit dem Start der "eROSITA" Mission, einem deutsch-russischen Gemeinschaftsprojekt unter
Beteiligung des AIP, das von 2012 an in mehrjähriger Arbeit eine vollständige Karte des Röntgenhimmels
erstellen soll. |