Wiener "Seelsorgeamt" war weltweit eines der ersten seiner Art - Gründung erfolgte
1938 durch Kardinal Innitzer, nachdem die Nationalsozialisten die katholischen Strukturen zerschlagen hatten
Wien (pew) - Das Pastoralamt der Erzdiözese Wien besteht am 23. August seit 70 Jahren. Es ist
eines der weltweit ältesten seiner Art und wurde 1938 gegründet, nachdem das NS-Regime die katholischen
Vereine und alle Einrichtungen der Katholischen Aktion verboten hatte. Zur Neuorganisation der Seelsorge errichtete
Kardinal Theodor Innitzer am 23. August 1938 im Erzbischöflichen Ordinariat drei neue Abteilungen, darunter
die Abteilung für Seelsorge. Das "Seelsorgeamt", wie die neue Stelle bald genannt wurde, hatte "alle
Aufgaben der priesterlichen Weiterbildung, der Standes- und Familienseelsorge, sowie der kirchlich-religiösen
Kultur" wahrzunehmen.
Untrennbar ist die Geschichte des Wiener Seelsorgeamts mit dem Namen von Prälat Karl Rudolf (1886-1964) verbunden,
den Kardinal Innitzer 1938 zum ersten Leiter der Einrichtung ernannte. Rudolf war in der für die Kirche schwierigen
Zwischenkriegszeit einer der führenden Köpfe im notwendig gewordenen Neuaufbau der Seelsorgestrukturen.
Ab 1931 leitete er das "Wiener Seelsorgeinstitut" (heute: Österreichisches Pastoralinstitut), das
mit seinen wegweisenden Aktivitäten in der pastoralen Ausbildung von Priestern und der Förderung des
Laienapostolats bald über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt war.
"So wie Prälat Rudolf beschrieben wird, muss er ein sehr charismatischer, visionärer und weit blickender
Mensch gewesen sein", meint der heutige Wiener Pastoralamtsleiter Michael Scharf im Gespräch mit "Kathpress".
Vieles von dem, was Rudolf damals gesagt oder niedergeschrieben hat, könne man auch heute noch verwenden,
so Scharf: "Wenn man die Sprache ein bisschen modernisieren würde, könnte man das durchaus als moderne
Pastoraltheologie sehen". Bis heute gehe es nämlich in der Tätigkeit des Pastoralamts um jene Frage,
die auch für Prälat Rudolf der Gründungsimpuls gewesen ist: "Was müssen wir heute tun,
dass es uns als Kirche auch morgen noch gibt?"
Während des Zweiten Weltkriegs leistete das Wiener Seelsorgeamt unter Prälat Rudolf wertvolle Aufbauarbeit;
sensationell wirkte damals die von Rudolf konsequent verwirklichte Einbeziehung von Frauen in die Tätigkeit
des Amtes. Nach dem Ende des NS-Regimes war die Arbeit dieser Jahre - Rudolf selbst hat diese Zeit in seinem Buch
"Aufbau im Widerstand" festgehalten - Grundlage für den Neuaufbau der Seelsorge. Viele Arbeitsbereiche,
die das Amt während der Kriegsjahre notgedrungen übernommen hatte, wurden wieder an neu errichtete kirchliche
Stellen abgegeben. U.a. trennte die Erzdiözese das Seelsorgeamt organisatorisch wieder vom Ordinariat und
verschiedene Agenden gingen an die von Kardinal Innitzer im Jänner 1946 wiedererrichtete Katholische Aktion
(KA) über.
Nach dem Tod Prälat Rudolfs im August 1964 übernahm P. Josef Zeininger OSFS die Leitung des Seelsorgeamts.
In Zeiningers Amtszeit fiel die Wiener Diözesansynode 1969/71, bei der das Seelsorgeamt in "Pastoralamt"
umbenannt wurde. Besonders kennzeichnend für diese Jahre war die Umsetzung der Beschlüsse des Konzils,
etwa im Bereich der Sakramentenpastoral. Es wurden Taufgespräche begonnen, Ehevorbereitungsgespräche
eingerichtet und die Firmvorbereitung neu gestaltet.
Im November 1966 wurde unmittelbar neben dem Wiener Erzbischöflichen Palais am Stephansplatz 6 das bis heute
bestehende (und derzeit im Umbau befindliche) "Zentrum des Apostolats" eröffnet, in dem Pastoralamt
und Katholische Aktion unter einem Dach untergebracht waren. Das "Zentrum" nahm in den folgenden Jahren
eine wichtige Rolle sowohl in der innerkirchlichen Umsetzung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils
als auch im gesellschaftspolitischen Engagement der Kirche ein. Beispielsweise wurde hier wichtige organisatorische
Vorarbeit für das "Volksbegehren zum Schutz des Lebens" 1975 geleistet, auch die Vorbereitungen
zum Katholikentag und Papstbesuch 1983 hatten am Stephansplatz 6 einen Brennpunkt.
1975 wurde der Liturgie-Experte Prälat Rudolf Schwarzenberger der dritte Leiter des Wiener Pastoralamts. Unter
seiner Ägide erfolgte die Umsetzung der Liturgiereform in der Erzdiözese Wien. Vermehrt widmete sich
das Pastoralamt auch seelsorglichen Aufgaben, für die den einzelnen Pfarren die personellen und materiellen
Voraussetzungen fehlten und die deshalb im Großen angegangen werden mussten. So entstanden im Pastoralamt
unter anderen eigene Referate für Altenpastoral, Weltanschauungsfragen oder die Krankenpastoral.
1987 übernahm der spätere Weihbischof Alois Schwarz - er ist heute Diözesanbischof von Gurk - die
Leitung des Pastoralamts. Schwarz setzte in seiner Amtszeit einen starken Akzent auf Verkündigung und Gemeindepastoral.
Ein halbes Jahr nach seiner Weihe zum Weihbischof für Wien übergab Schwarz das Pastoralamt 1997 an Franz
Merschl. Merschl setzte in den folgenden Jahren die ersten Schritte, um die "missionarische Gemeinde",
die wieder mehr auf die Menschen zugeht, in der Pastoral zu verankern. U.a. wurden "Grüß Gott"-Besuchsaktionen
in den Pfarren unterstützt, ebenso Initiativen im Zeichen des 250-Jahr-Gedenkens der Geburt des Wiener Stadtpatrons,
des Heiligen Klemens Maria Hofbauer (wie das Symposium Großstadt-Seelsorge).
Menschen wieder ansprechbar für das Evangelium
Der Amtsantritt von Michael Scharf als neuem Wiener Pastoralamtsleiter zum Jahreswechsel 2002/2003 ging mit dem
Beginn einer umfassende Neuordnung der Aufgaben des Pastoralamts in der Erzdiözese Wien einher. Die Erzdiözese
Wien gründete einen neuen Bereich für die "Kategoriale Seelsorge", in dem zahlreiche Seelsorgebereiche,
wie die Kinder- und Jugendpastoral, die Ehe- und Familienpastoral, die Universitätsseelsorge oder die Krankenseelsorge
zusammengeführt wurden. Das Pastoralamt soll sich seither vor allem um die pastoralen Entwicklungen, die Personalentwicklung
für die Seelsorge und die Förderung der Spiritualität in der Diözese annehmen.
"Für das Pastoralamt hat das bedeutet, dass wir schlanker geworden sind. Dass wir von mancher Alltagsverwaltung
wieder frei geworden sind, hat uns die Möglichkeit geboten, neue Projekte zu beginnen", erklärt
Michael Scharf. Er glaubt, dass die großen missionarischen Initiativen der Erzdiözese Wien wie die Stadtmission,
die Valentinsaktion oder die bevorstehende "Apostelgeschichte 2010" mit der alten Struktur des Pastoralamts
nicht möglich gewesen wären.
Der Wiener Pastoralamtsleiter beobachtet auch, dass sich besonders in der Stadt Wien der Zugang vieler Menschen
zur Religion verändert hat. Die sogenannten "Fernstehenden" seien wieder offener und ansprechbar
für das Evangelium. "Mittlerweile leben in Wien viele Menschen, für die es buchstäblich darum
geht, dass ihnen erstmals das Evangelium verkündet wird. Sie sind vom Religionsunterricht nicht erfasst worden,
weil sie nicht getauft worden sind oder die Eltern ausgetreten sind und die nie etwas von Religion oder Kirche
gehört haben. Da nehmen wir wahr, dass es eine größere Offenheit gibt als noch in den siebziger
oder achtziger Jahren". |