Innsbrucker Neurologen erforschen Zusammenhang
Innsbruck (universität) - In Österreich leiden 8.500 Menschen an Multipler Sklerose (MS).
Der Großteil der Patienten ist zwischen 20 und 40 Jahre alt. Verlauf, Ursachen sowie Risikofaktoren dieser
häufigsten neurologischen Erkrankung junger Erwachsener mit dem potenziellen Risiko einer permanenten Behinderung
sind nicht vollständig geklärt. Innsbrucker Neurologen erforschen nun erstmals in Österreich im
Zuge einer bundesweiten Studie Rauchen als Risikofaktor für den Krankheitsverlauf bei MS.
"Die gesundheitsschädlichen Wirkungen des Rauchens sind allgemein bekannt und unumstritten. Nun mehren
sich die Hinweise, dass Rauchen auch in der Krankheitsentwicklung von Multipler Sklerose eine Rolle spielt",
erklärt Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Leiter der Arbeitsgruppe für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose
an der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie. Zusammen mit US-Kollegen der Harvard Universität
hat das Team rund um Berger vor Kurzem bei einer Studie erste Anhaltspunkte dafür entdeckt, dass Raucher gegenüber
Nichtrauchern ein fast doppelt so hohes Risiko haben, nach der Erstmanifestation der MS einen zweiten Krankheitsschub
zu erleiden und damit eine "klinisch definitive MS" zu entwickeln.
Untersucht wurden 129 Patienten, die einen "Erstschub" der Erkrankung erlitten hatten. In einem Beobachtungszeitraum
von drei Jahren erlitten drei Viertel der Raucher, jedoch nur die Hälfte der Nichtraucher einen zweiten Krankheitsschub.
Bei den Rauchern trat der zweite Krankheitsschub außerdem früher auf und mehr Raucher entwickelten eine
chronisch fortschreitende Verlaufsform von MS. "Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Rauchen bei Multipler
Sklerose ein Risikofaktor ist und zwar ein so genannter Lifestyle-Risikofaktor, den betroffene Patientinnen und
Patienten die rauchen, in der Tat selbst in der Hand haben und ändern können", betont der Neurologe.
Bis Ende 2009 führt das Team rund um Berger in Zusammenarbeit mit fünf weiteren Kliniken und Medizin-Universitäten
nun in Österreich eine erste Studie mit rund 500 MS-Patienten zum Thema durch. Diese Untersuchung soll auch
Grundlagenerkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Rauchen und Multipler Sklerose liefern und wird von der Österreichischen
Multiple Sklerose Gesellschaft gefördert. Die Innsbrucker Universitätsklinik für Neurologie unter
Leitung von Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe hat in der Erforschung und Therapie neurologischer Erkrankungen international
bereits mehrfach für Aufsehen gesorgt. Unter anderem wurden bei Multipler Sklerose wichtige Forschungsbeiträge
zu den Ursachen und zur Früherkennung geleistet.
Mit Multipler Sklerose (MS) wird ein ganzer Formenkreis entzündlich-neurologischer Erkrankungen des zentralen
Nervensystems bezeichnet. Als Ursache der Erkrankungen dieses Formenkreises gelten bisher unter anderem Immunreaktionen
gegen bestimmte Bestandteile des Nervensystems. Ähnlich einem "Kabelbrand" werden dabei bestimmte
Nervenleitungen im Gehirn und im Rückenmark zerstört. Symptome des erstmaligen Auftretens von MS sind
plötzliche Seh- oder Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen, Gang- und Gleichgewichtsstörungen.
90 Prozent der MS-Betroffenen erleiden einen solchen "Erstschub", der als "CIS" ("clinically
isolated syndrome") bezeichnet wird. Mehr als drei Viertel dieser Patienten (80 Prozent) haben auch einen
zweiten Krankheitsschub und leiden damit an einer "klinisch definitiven MS".
Publikation:
Di Pauli F, Reindl M, Ehling R, Schautzer F, Gneiss C, Lutterotti A, O'Reilly EJ, Munger KL, Deisenhammer F, Ascherio
A, Berger T. Smoking is a risk factor for early conversion to clinically definite multiple sclerosis. Mult Scler.
2008 Jul 16. |