Salzburger Universitätsprofessor gründet Start-up Unternehmen
zur Entwicklung und Bewertung neuer Konzepte und Verfahren in der Luftfahrt auf Basis idealer Flugwege und neuer
Kommunikationssysteme
Salzburg (universität) - Der weltweite Flugverkehr stößt schon jetzt an seine Kapazitätsgrenzen.
Doch Experten prognostizieren dessen Verdreifachung bis 2025. Europäische Kommission, Eurocontrol (Dachorganisation
aller Flugsicherungen in Europa) und die internationale Luftfahrtindustrie finanzieren gemeinsam ein Forschungsprogramm
mit einem Finanzvolumen von rund zwei Milliarden Euro (SESAR: Single European Sky Air Traffic Management (ATM)
Research). Die Wissenschaft soll die notwendigen Grundlagen für einen Paradigmenwechsel in der Luftfahrt liefern.
Als entscheidende Neuerung sollen die Flüge nicht mehr entlang von Luftstraßen durchgeführt werden,
sondern entlang von Großkreisen (kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche)
unter Berücksichtigung exakter Zeitvorgaben (4D Trajectories). Dadurch würden sich die Flugzeiten verkürzen,
Lärm und Schadstoffausstoß reduzieren sowie die Landeanflüge optimieren.
Neues Produkt: Simulator (NAVSIM)
Professor Carl-Herbert Rokitansky von der Universität Salzburg entwickelt einen Simulator (NAVSIM), der in
der Lage ist, den gesamten europaweiten/weltweiten Flugverkehr im Detail darzustellen. Das neue System soll die
Datenkommunikation zwischen Piloten, Fluglotsen, Fluggesellschaften und Flughäfen optimieren. „In Zukunft
wird die Bedeutung direkter Gespräche (Sprachkommunikation) im Flugverkehr abnehmen und die digitale Übermittlung
von Informationen (Datenkommunikation) immer wichtiger werden“, ist Rokitansky überzeugt. „Wir können
sowohl den gesamten Flugverkehr als auch die Kommunikation zwischen allen Beteiligten simulieren und dadurch eine
Reihe von Optimierungsvorschlägen präsentieren.“ So sollen beispielsweise Anweisungen die Höhe des
Flugzeugs zu ändern, nicht sprachlich zum Piloten gelangen, sondern digital. „Hörfehler, die Auslöser
für Flugkatastrophen sein können, werden damit ausgeschlossen“, erklärt Rokitansky. Das Flugzeug
folgt dann über Autopilot der vorgegebenen Route.
Bereits ab 2013 sollen die entwickelten Konzepte schrittweise eingeführt und bis 2020 komplett umgesetzt werden.
Mit dem weltweit einzigartigen Simulator kann Rokitansky und die ADC-Forschergruppe am Fachbereich Computerwissenschaften
der Universität Salzburg einen wichtigen Beitrag zum Paradigmenwechsel im Flugverkehr leisten. Die Forschergruppe
hat bereits in enger Zusammenarbeit mit Frequentis AG und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
ein digitales Kommunikationssystem (B-AMC) für die Luftfahrt entwickelt, das gute Chancen hat - in Kooperation
mit USA zum globalen Standard zu werden. „Ich freue mich, dass dieses bahnbrechende Projekt an der Universität
Salzburg entwickelt wurde“, betont der Salzburger Vizerektor für Forschung Albert Duschl.
Start-up Unternehmen
Mit Hilfe des BCCS (Business Creation Center Salzburg) gründete Rokitansky mit seinem Partner Josef
Mörtl jetzt das Start-up Unternehmen „4D Aerospace Research and Simulation GmbH“. „Spin-off Firmengründungen
wie diese sind ein sichtbares Zeichen, für die Bedeutung und Verwertbarkeit universitärer Grundlagenforschung“
ist Forschungsrektor Albert Duschl überzeugt. Das Unternehmen wird u.a. anbieten: Detailierte Simulation des
heutigen und zukünftigen Flugverkehrs (auf Basis von Prognosen bis 2025) zur Feststellung
von Kapazitätsgrenzen, sowie zur Bewertung neuer Verfahren und digitaler Kommunikationstechnologien in der
Luftfahrt, Erstellung von "Lärmkarten" und Entwurf von Verfahren zur Minimierung von Fluglärm,
Implementierung von Modellen zur Reduktion von CO²-Ausstoß, optimierte Flugwege unter Bezugnahme der
Windverhältnisse, sowie Verfahrenstrainer mit Spracherkennung für Fluglotsenausbildung. In diesem Unternehmen
werden vor allem Diplomanden und Doktoranden von Professor Rokitansky tätig sein. Rokitansky erwartet sich
Kooperationen mit internationalen Organisationen und Unternehmen der Luftfahrt. Derzeit arbeitet er im Rahmen
von Forschungsprojekten der Universität Salzburg - u.a. bereits mit EuroControl, European Space Agency (ESA),
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Frequentis AG, ThalesAlenia, Deutsche Flugsicherung (DFS),
und AustroControl zusammen. Firmenpartner Josef Mörtl übernimmt die kaufmännischen Belange sowie
Geschäftsaufbau und Kundenkontakte.
Zur Person
Hon.Prof. Dr. Carl-Herbert Rokitansky ist der wissenschaftliche Leiter und verantwortlich für die Entwicklung
bzw. auch Weiterentwicklung des Simulators. Seit 2002 ist er an der Universität Salzburg als Honorarprofessor
tätig mit der Venia für Technische Informatik.
Rokitansky ist Experte auf den Gebieten Internet/Mobilkommunikation, Digitale Kommunikationssysteme für die
Luftfahrt sowie Stochastische Simulationstechnik. Rokitansky's Karriere nahm an der Deutschen Forschungsanstalt
für Luft- und Raumfahrt (DFVLR, heute DLR) in Oberpfaffenhofen bei München seinen Anfang (1983 - 1988).
Er arbeitete dort an der Entwicklung des Internet. Darüber hinaus wirkte er an der Entwicklung der Mobiltelefonnetze
mit. An der Technischen Hochschule in Aachen (seit 1990) entwickelte er federführend gemeinsam mit der Industrie
einen europäischen Standard für die Funknahbereichskommunikation (DSRC), auf dem auch die österreichische
LKW-Maut beruht und beschäftigte sich mit Satellitenkommunikation. Rokitansky hat an etwa 25 EU-Projekten
bislang mitgearbeitet bzw. einige auch geleitet. |