… und die beiden großen Parteien haben massive Verluste hinnehmen müssen - dabei sei angemerkt, daß
die Ergebnisse vom 28.09. alle ohne Wahlkarten gelten, die werden nämlich erst am 06.10. ausgezählt sein.
Da heuer 586.759 Wahlkarten ausgestellt wurden (28.162 davon an im Ausland lebende Wahlberechtigte) kann es durchaus
noch zu Änderungen im vorläufigen Endergebnis kommen, das Innenministerin Maria Fekter am Abend des 28.09.
bekanntgegeben hat. Demnach hält SPÖ nun mit 29,7 % zwar nach wie vor den ersten Platz, muß aber
auf 5,7 % der Wählerstimmen verzichten. Deutlicher fiel der Verlust bei der ÖVP aus, die mit 25,6 % um
immerhin 8,7 % weniger Stimmen erhielt als noch 2006. Besonders hart traf es die ÖVP in Tirol, wo sie 12,9
% verlor. Die FPÖ hat mit einem Zugewinn von 7 % auf 18 % zugelegt und hat damit die Grünen von Rang
3 verdrängt, die mit einem eher geringen Verlust von 1,2 % und 9,8 % der Stimmen auf Rang 5 abgerutscht sind.
Rang 4 hält das BZÖ mit einem überraschenden Zugewinn von 6,9 % auf 11,0 % der Stimmen. Für
die Mandatsverteilung im Parlament bedeutet das, daß die SPÖ künftig über 58 Mandate (-10)
verfügen wird, die ÖVP über 50 (-16), die FPÖ über 35 (+14), das BZÖ über 21
(+14) und die Grünen über 19 (-2). Die Wahlbeteiligung lag übrigens bei 71,5 % (2006: 78,5 %).
Das Institut SORA (war auch für die ORF-Hochrechnungen verantwortlich) hat in einer Wahltagsbefragung die
Wählermotive erhoben. Sie zeigen, daß die Regierung aus Enttäuschung und Protest verloren hat.
Das zeigt sich auch in den Wählerströmen: Von der SPÖ sind 191.000 und von der ÖVP sind 213.000
enttäuschte Wähler zu Hause geblieben und nicht zu den Urnen gegangen. Direkten Wechsel zwischen Rot
und Schwarz gab es wenig. Die Proteststimmen gegen die Regierung haben die Rechtsparteien für sich gewinnen
können. Hierbei hat die SPÖ vor allem an die FPÖ (171.000) verloren und deutlich weniger an das
BZÖ (75.000). Die ÖVP hat vor allem an das BZÖ (149.000) und in zweiter Linie an die FPÖ 86.000
verloren. Den Grünen hat die Konkurrenz durch das Liberale Forum geschadet, sie verloren an das LIF 40.000
Stimmen, etwa 20.000 an die sonstigen Kleinparteien.
SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann erklärte in einer ersten Reaktion, auf die Verläßlichkeit
und die Entschlossenheit, wie sie den Ideen und den Wurzeln der SPÖ entspreche, könne man bauen und das
werde er in den nächsten Wochen beweisen. Die SPÖ müsse nun zeigen, daß ihre Haltung, ihre
Werte etwas zählten, daß sie auf der Seite der Arbeitnehmer stehe und für ein soziales Österreich
eintrete - vor und nach der Wahl. Einer Koalition mit FPÖ oder BZÖ erteilte Faymann noch einmal eine
klare Absage, die hätten in einer Regierung nichts verloren. Würden sich zwei streiten, dann freue sich
der Dritte - und seien nun zwei Parteien, so Faymann. Die SPÖ wolle in Zukunft zeigen, daß das Land
im Vordergrund stehe - ohne Streitereien. Zu einer eventuellen Zusammenarbeit mit der ÖVP merkte Faymann an,
daß dies nicht generell abzulehnen sei, denn es komme auf die Einstellung der ÖVP an. Es gebe einige
Personen in der ÖVP, mit der er auch in der Vergangenheit gut zusammengearbeitet habe.
ÖVP-Bundesparteiobmann Wilhelm Molterer sieht eine ganz schmerzliche Niederlage für die
ÖVP. Es sei dieser Tag aber nicht nur eine Niederlage für die ÖVP, sondern es sei auch eine klare
Niederlage für die Art von Politik, wie sie von den zwei Regierungsparteien gemacht worden sei. Und es sei
auch eine klare Niederlage dafür, daß es in diesem Land sehr schwer sei, auch Wahrheiten anzusprechen.
Es sei nicht so, daß durch dieses Wahlergebnis von heute die Probleme von morgen weg wären, so Molterer
weiter. Er bleibe daher dabei: Es müsse in Österreich auch jemand geben, der in einer schwierigen Zeit
bereit sei, Verantwortung zu tragen auch für das, was die ÖVP in ihrer Wertehaltung als Christdemokratische
Partei auszeichnet. Diese Werte wären nun so wichtig wie noch nie. Eine Volkspartei werde auch in einer derartigen
Niederlage sicher nicht die Grundlagen der Politik ändern. Ab jetzt werde an der Zukunft gearbeitet, so Molterer
abschließend.
FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache sieht sich durch das Wahlergebnis in seiner Ansicht
bestätigt, daß die Bevölkerung die Große Koalition von Rot und Schwarz abgestraft hätten
und reklamierte vor allem Faymann gegenüber, die, wie er sagt, fortgesetzte Ausgrenzungspolitik endlich zu
beenden. Die Stimmenverteilung würde einfach fordern, daß die FPÖ auch gleichwertiger Verhandlungspartner
sein sollte. Die FPÖ sei bereit, sich an einer Regierung zu beteiligen, schließlich hätten die
vergangenen Tage gezeigt, daß man gemeinsame Ziele habe umsetzen können. Er verstehe nicht, warum es
nicht möglich sein sollte, dies auch in einer gemeinsamen Regierung zu tun. Zu einer "Wiedervereinigung"
mit dem BZÖ meinte Strache, daß dies für ihn nicht in Frage komme. Auch wenn dies reizvoll sein
könnte: Immerhin würden die beiden rechten Parteien gemeinsam 28 % erreichen und mit einem Vorsprung
von 2,2 % die ÖVP auf Platz drei verdrängen
BZÖ-Obmann Jörg Haider sieht das Wahlergebnis bzw. die Zugewinne für sein BZÖ
und die FPÖ im Verdruß der ÖsterreicherInnen mit der Konstellation Rot-Schwarz. Man sollte erkennen,
daß in Österreich diese Form des Regierens nicht mehr gewollt werde und daher von der Bevölkerung
eindeutige abgewählt worden sei. Es könne nicht sein, daß sich nun SPÖ und ÖVP "hersetzen"
und sagen würden, es sei ja nur der Streit abgewählt worden, alles andere sei ja ohnehin "super"
gewesen. In Richtung SPÖ meinte Haider, sie habe in der Frage der EU-Politik die FPÖ rechts überholen
wollen und sei damit aber gescheitert - und wolle nun mit der "bösen Rechten", also auch dem BZÖ,
nichts mehr zu tun haben. Die SPÖ müsse sich damit abfinden, daß es, wie etwa in Italien, eine
breite Mitte-Rechts-Mehrheit gebe, die man nicht werde ignorieren können. Er und das BZÖ stünden
für eine Regierungsmitarbeit zur Verfügung, auch wenn ihm klar sei, daß das die SPÖ ablehne.
Grünen-Bundessprecher Prof. Alexander Van der Bellen bezeichnet das Ergebnis als sehr enttäuschend,
bezeichnete die Grünen aber als letzte Bastion Österreichs gegen den Rechtsruck. Und er fände es
schade, daß es SPÖ und ÖVP nicht geschafft hätten, das Abtriften der Wähler zu FPÖ
und BZÖ zu verhindern. Die Führungsspitzen der beiden Großparteien hätten sich der FPÖ
sehr angepaßt - bei der SPÖ sei es die Europapolitik, bei der ÖVP seien es die Fragen der Immigration
gewesen - dann bekomme man die Rechnung in dieser Form von den WählerInnen präsentiert. Ob er damit rechne,
in Regierungsverhandlungen eingebunden zu werden, beantwortete Van der Bellen damit, daß dies für ihn
kein Thema sei, überhaupt jetzt, wo nicht einmal das Endergebnis feststehe. Wer das heutige Wahlergebnis als
ganz normal sehe, sollte erst abwarten, was die Welt dazu zu sagen habe - in Erinnerung an die internationale Entrüstung,
als im Frühjahr 2000 die ÖVP eine Koalition mit der FPÖ einging.
Apropos Koalition: Die Möglichkeiten zur Bildung einer Regierung haben sich vor allem durch die Festlegungen
Faymanns und Molterers und den Wahlausgang nicht vermehrt, ganz im Gegenteil: denn die einzige Zweierkoalition
ist mit SPÖ und ÖVP möglich, die gemeinsam mit 108 Mandaten über eine Mehrheit im Parlament
verfügen würden. In diesem Falle würde es wohl einige drastische Maßnahmen erforden, um den
WählerInnen zu zeigen, daß sie eine neue Koalition wesentlich von der abgewählten unterscheiden
würde. Vor allem Faymann erwartet sich personelle Änderungen an der ÖVP-Spitze, da er sich eine
weitere Zusammenarbeit mit Molterer und - er wird besonders oft genannt - VP-Klubobmann Schüssel nicht vorstellen
kann. Faymann spricht immer wieder von Kräften in der ÖVP, mit denen er sicher vernünftig und gut
zusammenarbeiten könne (hier fällt vor allem der Name von Landwirtschaftsminister Josef Pröll).
Am späten Nachmittag des 29.09. trifft jedenfalls der Bundesparteivorstand der ÖVP zusammen, um die Wahlniederlage
und deren Hintergründe zu erörtern. Im Vorfeld waren Stimmen aus der ÖVP zu hören, die eine
Ablöse Molterers "nicht ausschlossen" und damit eine Präferenz für eine Große Koalition
"neu" durchklingen ließen.
Wie geht es nun weiter? Am 30.09. wird die gesamte Regierung bei Bundespräsident Heinz Fischer antreten und
ihren geschlossenen Rücktritt anbieten. Fischer wird diesen wohl annehmen und unter einem die Regierungsmitglieder
bitten, bis zur Angelobung einer neuen Regierung die Geschäfte weiterzuführen. Daraufhin wird er Einzelgespräche
mit Werner Faymann und Wilhelm Molterer führen, Heinz-Christian Strache, Jörg Haider und Prof. Alexander
Van der Bellen werden diese Termine noch im Laufe der Woche wahrnehmen.
Mit einem Auftrag zur Regierungsbildung oder zu eventuellen Sondierungsgesprächen will das Staatsoberhaupt
jedenfalls zuwarten, bis das offizielle Endergebnis einschließlich der Wahlkarten veröffentlicht wurde.
Dann kann es - unter Umständen - sehr schnell eine neue Regierung geben. Sollte eine Große Koalition
"neu" aber nicht möglich sein, kann man sich auf langwierige Verhandlungen einstellen. (mm) |