Wien (verbund) - "Österreichs Energie-, Verkehrs-, Kommunikations-
und Versorgungsnetze brauchen künftig besseren Schutz vor Naturkatastrophen", so Dr. Heinz Kaupa, technischer
Vorstandsdirektor der VERBUND-Austrian Power Grid AG (APG). "Deshalb starten wir eine neue Plattform zum Schutz
der heimischen Infrastruktur vor Naturkatastrophen."
Die Schadensstatistiken sprechen eine deutliche Sprache: Allein in den vergangenen vier Jahren haben sich die versicherten
Schadensfälle nach Naturkatastrophen in Österreich von 123.000 auf 319.000 fast verdreifacht, ebenso
wie die Schadenssumme von 150 auf 393 Mio. Euro. "Volkswirtschaftlich ist der Schaden jedenfalls um ein Mehrfaches
größer", sagte Kaupa. Wie teuer Österreich eine Unterbrechung von Versorgungsnetzen kommen
kann, zeigt das überregionale Hochspannungsnetz. Kaupa: "Ein nur einstündiges großflächiges
Blackout verursacht einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 40 Mio. Euro."
"Es geht uns nicht darum, Österreichs Infrastruktur zu verteuern", so Kaupa, "es geht darum,
sie sicherer zu machen. Mit unserer Initiative, zu der wir alle anderen Infrastrukturbetreiber Österreichs
einladen, wollen wir drei Ziele erreichen: die Vorbeugung koordinieren; die Versorgungssicherheit erhöhen
und Folgeschäden vermeiden."
ÖBB erstellen Naturgefahren-Karte
"Die Österreichischen Bundesbahnen, die mit ihrem 5.700 Kilometer langen Streckennetz verschiedenen
Naturgefahren besonders ausgesetzt sind, bauen massiv gegen negative Auswirkungen des Klimawandels vor", erklärte
Dipl.-Ing. Herwig Wiltberger, Vorstandsmitglied der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG. So werden derzeit im Rahmen
des neuen Projekts "Naturgefahren-Karte" sämtliche Bahnstrecken in Österreich auf ihr Gefahrenpotenzial
hin kartiert, priorisiert und einer langfristigen Planung zugeführt.
In den vergangenen Jahren nahmen die ÖBB-Investitionen für Katastrophenfälle deutlich zu: Mussten
2005 insgesamt 51 Mio. Euro aufgewendet werden, so waren es 2006 bereits 77 Mio. Und nach 60 Mio. im Jahr 2007
wird für heuer erneut mit 77 Mio. Euro gerechnet.
"Wir von den ÖBB nehmen die Herausforderungen, die aus dem Klimawandel entstehen, im Sinne eines umfassenden
Risiko-Managements aktiv und progressiv an", so Wiltberger. So gibt es einen eigenen Naturgefahren-Trupp,
bestehend aus neun Technikern und 110 weiteren spezialisierten Mitarbeitern. Diese betreuen unter anderem 165 Kilometer
Steinschlag- und Lawinenverbauung, 2.700 Hektar Fels- und Steinflächen sowie 2.800 Hektar Schutzwald.
Bereits im Einsatz ist das interne Frühwarnsystem INFRA.wetter, das auch mit ÖBB-eigenen Wetterstationen
arbeitet und vor Unwettern warnt. An einem eigenen, verbesserten Modul für Hochwasser und Waldbrände
wird gearbeitet. Bestehende Alarmpläne, z. B. für die March, sollen dynamisiert werden.
Ein Strommast der APG vor der Kulisse eines drohenden Unwetters
Verbund-Netzgesellschaft startete umfassendes Programm
"Auch Stromnetze können durch Naturkatastrophen beeinträchtigt werden. Daher intensiviert
die Verbund-Netzgesellschaft APG, Österreichs größter Stromtransporteur, die Weiterentwicklung
im Bereich Risikoanalyse, Frühwarnung und Vorbeugung", so Dipl.-Ing. Klaus Kaschnitz, Forschungs-Koordinator
der VERBUND-Austrian Power Grid AG (APG). Die 53 Umspannwerke und die entlang der 3.400 km langen Trassen geführten
Leitungen der APG bilden das Rückgrat der heimischen Stromversorgung. Eine Gefährdung dieser Infrastruktur
geht vor allem von Lawinen, Muren, Steinschlag, Hangrutschungen, Hochwasser, Blitzschlag, Stürme oder Schnee-
und Eislast aus.
Die APG hat daher ein umfassendes Programm zur Vorbeugung gegen extreme Naturgefahren gestartet. In dessen Rahmen
werden die Anlagen der APG, die besonderen äußeren Verhältnissen ausgesetzt sind, auf ihre Gefährdungen
hin überprüft und klassifiziert.
"Noch im Herbst 2008 wird unser Frühwarnsystem in Österreichs Stromleitzentrale entscheidend verbessert",
so Kaschnitz. Neben den bestehenden Modulen wie Wetterradar, Satellitenbilder, Wetterstationswerte oder Blitzortung
werden künftig auch hochauflösende Prognosedaten der Zentralanstalt für Meteorologie & Geodynamik
(ZAMG) eingebunden. So werden künftig in der APG-Stromleitzentrale auch die für die jeweils nächsten
72 Stunden erwarteten Werte für Windgeschwindigkeit und -richtung, Niederschlag, Temperatur, Globalstrahlung
oder Schneefallgrenze mit einer Gitterpunktauflösung von 2x2 km zur Verfügung stehen. In Verbindung mit
automatisierten Alarmierungsfunktionen können so kritische Situationen bereits frühzeitig erkannt werden.
Versicherung: Zusammenarbeit mit anderen Branchen und Wissenschaft erwünscht
"Seit Mitte der 1990er-Jahre nehmen Zahl und Folgen von Naturkatastrophen auch in Österreich markant
zu", erklärte Mag. Rupert Pichler, Meteorologe der Allianz Elementar Versicherung, Wien. "Allein
in den vergangenen vier Jahren haben sich die Schäden vervierfacht. Und wie kaum ein anderes europäisches
Land ist Österreich einem Mix verschiedenster Bedrohungen durch Naturkatastrophen ausgesetzt." Die Versicherungen
sind, so Pichler, hochgradig an Prävention interessiert, aber auch an verbesserten Modellen zur Risikoabschätzung.
Diese Modelle dienen dem Erstversicherer zur genaueren Bestimmung des Kapitalbedarfs und der optimalen Rückversicherung.
Pichler: "Wir brauchen die Zusammenarbeit mit anderen Branchen und der Wissenschaft. Das Naturgefahren-Risiko
ist dadurch für Versicherer besser beherrschbar."
Klimatologe: Verletzlichkeit gegenüber Wetterextremen verringern
"Die Klimaforschung geht davon aus, dass die globale mittlere Temperaturzunahme im 20. Jahrhundert
von etwa 0,7 Grad zu zwei Drittel auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist", sagte Dr.
Christoph Matulla, Klimatologe an der Zentralanstalt für Meteorologie & Geodynamik (ZAMG), Wien. "Und
der Klimawandel beschleunigt sich. Daher ist es volkswirtschaftlich und auch sonst vernünftig, bereits jetzt
die Verletzlichkeit gegenüber Wetterextremen durch innovative Anpassungsmaßnahmen zu verringern." |