Gusenbauer:
Neue Regierung braucht Willen zur Zusammenarbeit statt "Machtspielchen"
Zu EU: Permanentes Diskreditieren von Volksabstimmungen ist falsch
Wien (sk) - Für eine "Koalition der Vernunft und Erneuerung" mit der ÖVP sprach
sich Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am 05.10. in der ORF-"Pressestunde" aus. Wünschenswert wäre
eine "Regierung, die durch den Willen zur Zusammenarbeit geprägt ist" und nicht von "Konflikt
und machtpolitischen Spielchen", für die die Bevölkerung angesichts der anstehenden Herausforderungen
kein Verständnis hätte. Zum Thema Europäische Union betonte Gusenbauer, daß er voll zum Lissabon-Vertrag,
den er verhandelt hat, stehe; "sollte es aber zukünftig zu Verträgen von ähnlicher Qualität
kommen, sollen Parlament und Österreichs Bevölkerung gemeinsam entscheiden", so Gusenbauers Plädoyer
dafür, mit den Menschen in Dialog zu treten. Das "permanente Diskreditieren von Volksabstimmungen"
hält der Bundeskanzler dabei für "falsch".
In einer neuen Koalition der Vernunft solle es auch möglich sein, daß sich beide Parteien "in den
Ergebnissen wiederfinden" und beide Parteien ihre jeweiligen Stärken und Profile gegenüber der Wählerschaft
stärken können, so Gusenbauer. Weiters habe er "den Eindruck, daß mit der Wahl von Josef Pröll
der Versuch unternommen wird, daß es eine Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP in einer neuen Form
geben könnte", unterstrich Gusenbauer, der daran erinnerte, daß das "schwarz-bunte Abenteuer
schon einmal kläglich gescheitert ist".
Die letzten 18 Monate seien gekennzeichnet gewesen von einer Strategie der ÖVP, die darin bestand, jeden Erfolg
dieser Bundesregierung zu verhindern. "Die ÖVP war Hauptbetreiber dieser Blockadepolitik", durch
die viel Zeit verloren ging, die für die Menschen und ihre Anliegen genutzt werden hätte können,
so Gusenbauer, der weiters festhielt, daß die Abneigung der Bevölkerung gegenüber der Politik auch
deshalb entstand, weil "es bei der Teuerung zu keiner Einigung kam". "Wäre die ÖVP so
zur Zusammenarbeit bereit gewesen wie ich, wäre den Menschen Vieles erspart geblieben", zeigte sich der
Bundeskanzler überzeugt.
Wahlergebnis als Ausdruck des Protests
Das Wahlergebnis, das für den Bundeskanzler weder "glorreich", noch eine "besondere
Katastrophe" ist, bedeutet für Gusenbauer weniger einen "massiven Rechtruck" als einen Protest
gegen die letzten 18 Monate. Die hohe Attraktivität der FPÖ bei Jugendlichen sei ein "alarmierendes
Zeichen", betonte Gusenbauer, der die Motive im Protest, der Diskussion in der Ausländerpolitik sowie
in der Inszenierung des FPÖ-Wahlkampfes sieht.
Wenn Volksabstimmung über Türkei, dann auch Volksabstimmung über neue EU-Verträge berechtigt
Einmal mehr plädierte Gusenbauer dafür, das Thema Europa den Menschen näherzubringen, hier sei das
Instrument von Volksabstimmungen geeignet, um einen "gewissen Druck auf die Politik auszuüben, mit den
Menschen zu kommunizieren". Auch seien Volksabstimmungen vom österreichischen Verfassungsgesetzgeber
vorgesehen, so Gusenbauer, der weiters festhielt, daß man in Österreich mit Volksabstimmungen auch nicht
so zurückhaltend sein müsse wie bisher. "Wenn es eine Volksabstimmung über den Türkei-Beitritt
geben soll, dann ist es zumindest ebenso berechtigt, eine Volksabstimmung über einen Vertrag von ähnlicher
Qualität wie Lissabon durchzuführen", so Gusenbauer, der bekräftigte, daß es gerade angesichts
der Finanzmarktkrise klar sei, daß "wir ein anderes, ein sozialeres Europa brauchen".
Zur Frage des EU-Beitritts von Kroatien erklärte Bundeskanzler Gusenbauer, daß SPÖ-Vorsitzender
Werner Faymann klar gesagt habe, "der Beitritt Kroatiens ist im Parlament zu ratifizieren und nicht mit einer
Volksabstimmung".
Befragt zu seiner persönlichen Zukunft hielt Gusenbauer fest, daß er "sein Amt als Bundeskanzler
zu 100 Prozent wahrnehmen wird, bis eine neue Regierung im Amt ist". Der nächsten Bundesregierung werde
er nicht angehören, so Gusenbauer, der seine nächste Beschäftigung entweder in der "internationalen
Wirtschaft bzw. in der internationalen oder europäischen Politik oder Wissenschaft" sieht. |
Walter: Abrechnung eines an seiner eigenen Partei gescheiterten Bundeskanzlers
Skeptisch, ob neue SPÖ-Führung mutiges Zukunftsprogramm durchtragen kann
Wien (övp-pd) - "Das Scheitern der alten großen Koalition einseitig der ÖVP
in die Schuhe schieben zu wollen, erscheint als der durchsichtige Versuch, einer trotzigen Abrechnung und Legendenbildung",
so der ÖVP-Wien Landesgeschäftsführer Norbert Walter zur Pressestunde mit Bundeskanzler Gusenbauer.
"Gusenbauer ist an seiner eigenen Partei gescheitert und wurde schließlich auch von ihr demontiert.
Es wird nun darauf ankommen, ob die neue SPÖ-Führung, besser als Gusenbauer, in der Lage sein wird,
mutig ein modernes Zukunftsprogramm für Österreich nicht nur anzukündigen, sondern auch in der
eigenen Partei - inklusive neu erstarktem Gewerkschaftsflügel - verlässlich durchzutragen", betont
Walter.
"Ob sechs Wochen, wie von SPÖ-Chef Werner Faymann heute in der Zeitung Österreich angekündigt,
für so ein Vorhaben reichen, darf bezweifelt werden", so Walter und abschließend: "Die Volkspartei
unter gf. Parteiobmann Pröll werde jedenfalls Verantwortung für das Land übernehmen - ob in einer
allfälligen Regierung oder in der Opposition." |
Strutz: Einlagensicherung muss auf 50.000 Euro erhöht werden!
Monatelanges rot-schwarzes Feilschen um Posten und Ämter steht bevor
Wien (bzö) - "Anlässlich der immer schlimmer werdenden Bankenkrise ist es ein Gebot
der Stunde, in Österreich die Einlagensicherung für Sparguthaben von derzeit nur 20.000 Euro auf 50.000
Euro zu erhöhen. Gusenbauer fährt mit einer unglaublichen Arroganz über die hunderttausenden Sparer
in Österreich drüber, die aufgrund der täglichen neuen Horrormeldungen über Bankencrashs um
ihr hart erspartes Geld fürchten. Jetzt ist es dringend notwendig, den Menschen wieder Sicherheit zu geben",
kritisiert BZÖ-Generalsekretär Dr. Martin Strutz die Aussagen Gusenbauers in der ORF-Pressestunde. Strutz
erinnert, dass Österreich mit 20.000 Euro Einlagensicherung gerade einmal die EU-Mindeststandards erfülle,
während es in Irland eine befristete Totalgarantie oder in Frankreich eine Einlagensicherung in der Höhe
von 70.000 Euro gebe.
Strutz warnt nach den Äußerungen Gusenbauers zu Koalitionsbildungen vor einem monatelangen Feilschen
um Posten und Ämter zwischen Rot und Schwarz. Wenn man den Worten Gusenbauers folge, habe Österreich
noch lange keine handlungsfähige Regierung. "Wir fordern in diesen schwierigen und instabilen wirtschaftlichen
Zeiten Klarheit und eine rasche Regierungsbildung. Die ÖVP soll jetzt nicht monatelang Wunden lecken sondern
soll klar sagen, ob sie Rot-Schwarz will oder nicht, ansonsten muss man sich um Alternativen umsehen. Die Österreicherinnen
und Österreicher haben es sich nach zwei Jahren dieser rot-schwarzen Katastrophenregierung und dem Wahlkampf
nicht verdient noch weiter dieses unwürdige Schauspiel ertragen zu müssen", so der BZÖ-Generalsekretär
abschließend. |