Forscher decken die Rolle mitochondrialer Sirtuin-Proteine auf Veröffentlichung im Journal
of Molecular Biology
Bochum (rub) - Daß die stressbedingte Schädigung von Zellen eine wichtige Rolle bei Alterungsprozessen
spielt, leuchtet ein. Erstaunlich ist aber, daß Nahrungsmangel, der selbst eine Form von Stress darstellt,
Alterungsprozesse verlangsamt und die Lebensspanne von Organismen verlängert. Als mitverantwortlich für
diese Mechanismen werden schon lange Proteine der Sirtuin-Familie angesehen. Die genauen Aufgaben ihrer sieben
Mitglieder bei Säugetieren waren bislang allerdings ungeklärt. Erstes Licht bringen jetzt Studienergebnisse
von Bochumer und Dortmunder Proteinforschern um Juniorprofessor Dr. Clemens Steegborn (Institut für Physiologische
Chemie der RUB) in die Angelegenheit. Sie ermittelten erste Funktionen der beiden menschlichen Sirtuine Sirt3 und
Sirt5, die sich in den Mitochondrien, den Energie liefernden "Zellkraftwerken", aufhalten. Ihre Ergebnisse
sind die aktuellen Ausgabe des Journal of Molecular Biology veröffentlicht.
Einfluss auf das zelluläre Selbstmordprogramm
Mitochondrien sind in der Zelle für die Bereitstellung von Energie durch Verwertung von Nahrungsmolekülen
verantwortlich. Daher liegt es nahe, daß dort lokalisierte Sirtuine am lebensverlängerten Effekt von
Nahrungsmangel mitwirken. Die Forscher fanden allerdings heraus, daß Sirt5 sich nicht nur im Innern der Mitochondrien
befindet, sondern auch im so genannten Intermembranraum zwischen äußerer und innerer Membran der Mitochondrien.
Dort kann es das Protein Cytochrom c modifizieren, das sowohl bei der Energiegewinnung als auch beim zellulären
Selbstmordprogramm (Apoptose), der Reaktion auf extremen zellulären Stress, eine zentrale Rolle spielt. "Eine
Störung der Apoptose könnte die vermutete Rolle von Sirt5 bei bestimmten Krebserkrankungen erklären",
so Dr. Steegborn, "aber die genaue Funktion von Sirt5 und der Modifikation von Cytochrom c konnten noch nicht
endgültig geklärt werden."
Alternative Energiequellen nutzen
Für Sirt3 fanden die Wissenschaftler dagegen eine klar definierte Funktion. Sie konnten zeigen, daß
Sirt3 zwei zentrale Stoffwechselenzyme verändert und sie dadurch aktiviert. Diese Aktivierung ermöglicht
es der Zelle, bei Mangel an herkömmlichen Nährstoffen andere Energiequellen zu verwenden und diese effizient
zu nutzen. Sirt3 aktiviert dabei spezielle Formen dieser Enzyme, die gleichzeitig NADPH bilden, welches für
die Regeneration zellulärer Anti-Stress-Systeme benötigt wird. Das erklärt, wie die bei Nahrungsmangel
erhöhte Sirt3-Aktivität zu einer verlängerten Lebensspanne beitragen kann.
Fernziel: Gesundes Altern
Verschiedene Forschergruppen konnten in Modellorganismen zeigen, daß eine Erhöhung von Sirtuinaktivität
deren Lebensspanne verlängern kann. Die Situation im Menschen ist allerdings komplexer, da hier sieben verschiedene
Sirtuine an verschiedenen Orten in der Zelle und jeweils mit spezifischen Funktionen zu finden sind. Die aktuellen
Arbeiten der Bochumer und Dortmunder Forscher sind ein erster Schritt zum Verständnis dieser Prozesse. Ein
genaues Verständnis der spezifischen Funktionen ist Voraussetzung, um für eine gewünschte therapeutische
Wirkung das richtige Sirtuin als Zielmoleküle zu verwenden. "Dadurch wird sich vermutlich kein lebensverlängerndes
Elixir finden", schätzt Dr. Steegborn, "aber wir hoffen, durch diese Arbeiten Wirkstoffe zu erhalten,
mit denen altersbedingte Erkrankungen behandelt werden können und die somit ein 'gesundes Altern' ermöglichen."
Titelaufnahme
Christine Schlicker, Melanie Gertz, Panagiotis Papatheodorou, Barbara Kachholz, Christian F.W. Becker, Clemens
Steegborn: Substrates and regulation mechanisms for the human mitochondrial sirtuins Sirt3 and Sirt5. In: J Mol
Biol., Oct 10, 2008 vol. 382, no. 3, 790-801. |