Bundesrat repariert Nationalratsbeschlüsse
Wien (pk) - Die Beschlüsse, die der Nationalrat in seiner letzten Sitzung vor der Wahl gefasst
hatte, standen am 08.10. auf der Tagesordnung der 760. Sitzung des Bundesrats.
Als erster Redner begrüßte Bundesrat SODL (S/Burgenland)) die Novelle zum Bundespflegegeldgesetz als
wichtige sozialpolitische Maßnahme. Es handle sich um die größte Erhöhung des Pflegegeldes
seit dessen Einführung vor 15 Jahren, betonte der Mandatar und lobte insbesondere die Verbesserungen für
Kinder und Jugendliche sowie für demenzkranke Menschen. Es sei die Verantwortung der Länder, Pflege in
höchster Qualität anzubieten, sagte Sodl weiter und verwies auf die Vorreiterrolle des Burgenlands bei
der Senioren-Tagesbetreuung: "Kein pflegebedürftiger Mensch muss im Burgenland auf einen freien Platz
warten."
Bundesrat SALLER (V/Salzburg) betonte zunächst, die Novelle sei "auf demokratisch korrektem Weg",
nämlich im Wege eines Begutachtungsverfahrens, zu Stande gekommen. Auch nach seiner Auffassung ist ein Ausbau
der Dienste in den Ländern unverzichtbar; dabei sei auf den Standard bei den Betreuungsberufen zu achten.
Gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung sei darauf zu sehen, dass das hohe Niveau gehalten werde,
betonte der Redner.
Bundesrat SCHENNACH (G/Wien) ortete zwiespältige Gefühle im Zusammenhang mit den Vorgängen bei der
letzten Sitzung des Nationalrats: "Am Abend" seien Dinge möglich geworden, für die zuvor nicht
so große Regsamkeit feststellbar gewesen sei. Inhaltlich kritisierte Schennach die seiner Ansicht geringere
Erhöhung bei den Stufen 1 und 2 und insgesamt einen "zehnjährigen Valorisierungsstopp" beim
Pflegegeld. Diese Kritik untermauerte der Bundesrat mit Äußerungen der Volksanwaltschaft. Im gesamten
Pflegebereich gebe es ein "Flickwerk", es fehlten eine entsprechende politische Debatte und ein Gesamtpaket.
Schennach plädierte dafür, das "Recht auf Pflege" in der Verfassung zu verankern.
Bundesminister Dr. BUCHINGER erinnerte daran, dass sein Gesetzesvorschlag nach langer Diskussion in einer umfassenden
Arbeitsgruppe vor Ostern in die Begutachtung gegangen sei; es sei daher unzutreffend, dass hier "am Abend
der Faule fleißig" geworden sei. Auch habe es im Zusammenhang mit der 24-Stunden-Betreuung in anderen
Gesetzen Verbesserungen gegeben, 13.000 Betreuungsverhältnisse seien legalisiert worden. Der Minister erinnerte
aber auch daran, dass für die Pflege und Betreuung von Kindern und Jugendlichen zu 90 % die Bundesländer
zuständig seien.
Bundesrätin MÜHLWERTH (F/Wien) beklagte, dass die Vorschläge der Opposition von den Regierungsfraktionen
immer nur zurückgewiesen worden seien. Die nun erfolgende Erhöhung sei zwar "besser als nichts",
gleiche aber den Wertverlust nicht aus. Auch sei nicht einzusehen, weshalb abgestuft erhöht werde, sei doch
"die Teuerung für alle gleich". Auch Mühlwerth sprach sich für ein umfassendes Paket anstelle
eines "Fleckerlteppichs" aus und wies auf das Beispiel Dänemark hin, das 2 % des BIP für Pflege
ausgebe, Österreich hingegen nur 1,2 %. Sie kritisierte, dass pflegende Angehörige im Pensionsrecht nicht
berücksichtigt seien, und trat für eine Schulungsoffensive für Pflegekräfte ein.
Bundesrat MITTERER (B/Kärnten) bekannte, ursprünglich über die Nationalratssitzung vom 24. September
keine Freude gehabt zu haben; im Hinblick auf deren Ergebnisse sei sie aber doch richtig gewesen. Man gehe mit
dem Gesetz in die richtige Richtung.
Der Bundesrat erhob einstimmig keinen Einspruch.
Unter einem verhandelt wurden: Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 (889/A), ASVG-Novelle samt Nebengesetzen
(901/A), Änderung des Kriegsopferversorgungsgesetzes (905/A) und Änderung des ASVG, des B-SVG und des
Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (906/A).
Die Beschlüsse des Nationalrats vom 24. September seien "auf ungewöhnliche Art und Weise" zu
Stande gekommen, räumte auch Bundesrat KONECNY (S/Wien) ein. Abstimmungen mit wechselnden, nicht an der Trennlinie
zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen orientierten Mehrheiten seien in anderen europäischen Parlamenten
nicht so selten, in Österreich aber die Ausnahme. Die Beschlüsse hätten Themen betroffen, die zum
Teil schon monate-, ja jahrelang auf Erledigung gewartet hätten. Es seien notwendige und positive Veränderungen
im Sozialsystem erreicht worden, sagte Konecny und bezog sich u.a. auf die so genannte Hacklerregelung: Die Politik
solle nicht negativ in die Lebensplanung von Menschen eingreifen – es gebe einen legitimen Anspruch von Menschen,
die 45 Jahre lang gearbeitet und ihre Beiträge geleistet haben, betonte Konecny.
Bundesrat MAYER (V/Vorarlberg) bekannte sich als Arbeitnehmervertreter zur Verlängerung der Langzeitversichertenregelung,
wobei er die Bezeichnung "Hacklerregelung" bevorzugte, weil sie einen komplexen sozialpolitischen Sachverhalt
einfach erkläre. Im Unterschied zum Antrag von SPÖ und FPÖ, von dem seine Fraktion nicht weit entfernt
sei, hätte er sich eine "Ausschleifregelung" gewünscht, weil er angesichts der demographischen
Entwicklung Sorgen um die langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems habe. Aus diesem Grund trat Mayer auch
dafür ein, die "zweite und dritte Säule" zu forcieren. Mayer warnte vor deutschen Verhältnissen,
wo SPD und Grüne sieben Jahre lang die Pensionen nicht erhöht und das Pensionsalter hinaufgesetzt haben.
Die letzte Sitzung des Nationalrates mit ihren "Husch-Pfusch-Beschlüssen", die der Bundesrat nun
sanieren müsse, bezeichnete Mayer als "parlamentarische Schande" und "einen der schwärzesten
Tage des Parlamentarismus".
Bundesrat DÖNMEZ (G/Oberösterreich) meinte hingegen, der 24. September werde als der Tag in die Geschichte
des Parlaments eingehen, an dem in 19 Stunden beschlossen wurde, was in zweijähriger Arbeit nicht möglich
gewesen sei. "Irren ist menschlich", sagte der Bundesrat angesichts von Fehlern, die unter dem Zeitdruck
passiert seien und die nun vom Bundesrat korrigiert werden müssen. Mit der Pensionserhöhung und der Einmalzahlung
sei seine Fraktion wohl einverstanden, aber nicht restlos zufrieden, weil kleine Pensionen von prozentuellen Erhöhungen
zu wenig profitierten. Kritik übte der Bundesrat daran, dass Homosexuelle und BibelforscherInnen, die NS-Konzentrationslager
überlebt haben, diese Zeit nicht für ihre Pension angerechnet bekommen, wohl aber jene, von denen sie
dort beaufsichtigt wurden.
Angesichts der weltweiten Finanzkrise, die nun auch Europa und Österreich erreiche, aktualisierte Bundesrat
Dönmez die Steuerreformvorschläge der Grünen zu Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, zur
Belebung der Nachfrage, zum Ausbau der Öffis und für den Ausstieg aus Öl und Gas. Freiheitlichen
Vorschlägen für ein Sozialsystem, das zwischen Österreichern und Zuwanderern unterscheide, erteilte
der Redner eine klare Absage: "Das ist ein rassistisches Konzept".
Bundesrat KAMPL (A/Kärnten) meinte, die lange Nacht im Nationalrat habe sich gelohnt. Nachdem die Regierung
18 Monate lang soziale Probleme vor sich hergeschoben und dadurch die Politikverdrossenheit bei den BürgerInnen
verstärkt habe, wurden soziale Maßnahmen im Umfang von insgesamt 2,8 Mrd. € beschlossen, auf die die
ÖsterreicherInnen schon lange gewartet haben. Inhaltlich begrüßte er die Pensionserhöhung
und weitere Maßnahmen zugunsten der Pensionisten, die Verlängerung der Hacklerregelung, den Heizkostenzuschuss,
die zusätzliche Familienbeihilfe, die Verbesserungen beim Pflegegeld, die Senkung der Medikamentenkosten und
den Beschluss zur Vignette. Kritisch merkte der Bundesrat aber an, man hätte die Beschlüsse in Ausschüssen
vorberaten sollen.
Bundesrat HERBERT (F/Niederösterreich) bewertete den 24. September als einen wenig ruhmreichen Tag des Parlaments,
zumal die SPÖ irrtümlich nicht nur ihrem eigenen Antrag zur Verlängerung der Hacklerregelung zugestimmt
habe, sondern auch einem davon abweichenden ÖVP-Antrag. Ausdrücklich bekannte sich der Bundesrat zur
Verbesserung bei der Anerkennung von Krankenstandstagen in die Pensionsbemessung, zu Maßnahmen für kleine
Pensionen, zum Teuerungsausgleich, zur Einmalzahlung und zum Heizkostenzuschuss für Ausgleichszulagenbezieher.
Zustimmung signalisierte Bundesrat Herbert er auch zur Erhöhung der Unfallrenten.
Sozialminister Dr. BUCHINGER gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass die Hacklerregelung in diesem Jahr bereits
zum zweiten Mal, nunmehr bis Ende 2013, verlängert wird. Dies sei notwendig, um zu verhindern, dass Menschen,
die über 60 Jahre alt sind und 45 Jahre gearbeitet haben, auf Arbeitslosenunterstützung oder Notstandshilfe
angewiesen sind, weil sie aus Altersgründen praktisch keine Chance mehr auf eine neue Beschäftigung haben.
Auch die bessere Einbeziehung von Krankenstandszeiten in die Pensionsbemessung beseitigt laut Buchinger eine bisherige
Ungerechtigkeit zulasten von Arbeitern. Sein Eintreten gegen den Nachkauf solcher Zeiten erklärte der Minister
mit dem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand einer solchen Maßnahme. Gegen eine "Ausschleifregelung"
ab 2014 spreche aus seiner Sicht, dass man die Hacklerregelung über das Jahr 2014 hinaus verlängern werde
müssen.
Die Pensionserhöhung bezeichnete Buchinger als europaweit vorbildlich und schloss mit den Worten: "Während
in den USA 700 Mrd. US-Dollar und in Deutschland 50 Mrd. Euro für die Rettung von Banken ausgegeben werden,
werden in Österreich 2 Mrd. Euro für die Menschen bereitgestellt."
Bundesrat KEUSCHNIGG (V/Tirol) warnte angesichts der dramatischen Entwicklungen auf den Weltfinanzmärkten
davor, Maßnahmen zu setzen, die die Leistungskraft der Wirtschaft und die Reaktionsfähigkeit des Bundeshaushalts
beeinträchtigen könnten. Darüber hinaus machte der Redner auf den Finanzbedarf der Universitäten
aufmerksam und plädierte bei der vom Nationalrat beschlossenen Aufhebung der Studiengebühren nachdrücklich
dafür, zur Vernunft zurückzukehren.
Weitgehender Konsens herrsche bei der Verlängerung der Hacklerregelung, obwohl die Volkspartei bei der Anerkennung
von Krankenstandstagen im Pensionsrecht für eine begünstigte Nachkaufregelung eintritt sowie für
eine "Ausschleifregelung" bis 2024. Zur engagierten Sozialpolitik der ÖVP zähle auch die Erhöhung
der Unfallrenten und die Erhöhung der Pensionen, die ÖVP trete aber generell für eine flexiblere
Vorgangsweise ein, um diese Maßnahmen besser in das geänderte Umfeld einzupassen.
Bundesrat Mag. KLUG (S/Steiermark) zeigte sich überrascht über Bundesrat Mayer, der angesichts der gegenwärtigen
Finanzkrise unbeirrbar an der Stärkung der zweiten und dritten Pensionssäule festhalten wolle. Für
ihn, Klug, sei das inakzeptabel. Einmal mehr bekannte sich Klug zum Grundsatz "45 Jahre sind genug" und
begrüßte daher die Verlängerung der Hacklerregelung. Der Redner merkte aber an, dass im Sozialrecht
noch viele Ungerechtigkeiten zu beseitigen seien, um "ungustiöse Einzelbeispiele" zu vermeiden wie
dass bei zwei gleichaltrigen Arbeitskollegen mit demselben Einkommen und Versicherungsverlauf einer eine Pensionseinbuße
von 12 % erleidet, nur weil er kurz vor seinem 60. Geburtstag einen Herzinfarkt erleidet und berufsunfähig
wird. Klug ortete Handlungsbedarf bei den Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen.
Schließlich brachte Bundesrat Klug einen Antrag auf Einspruch des Bundesrates gegen den Beschluss des Nationalrates
auf Annahme des ÖVP-Antrages 901/A ein. Die SPÖ habe diesem Antrag in der Sitzung am 24. und 25. September
irrtümlich zugestimmt, was zu einer widersprüchlichen Beschlusslage zu mehreren Sozialgesetzen geführt
habe, insbesondere bei der Pensionsanpassung 2009, beim Energiekostenzuschuss, bei der Pensionseinmalzahlung für
das Jahr 2008, bei der Pensionsregelung für Langzeitversicherte, der Einmalzahlung für das Jahr 2008,
bei der Verlängerung der Langzeitversichertenregelung, der Anrechnung von Ersatzzeiten wegen Krankengeldbezuges
und so genannter Ausübungszeiten und beim Entfall der Wartefrist bei erstmaliger Pensionsanpassung. Bundesrat
Klug plädierte dafür, diese Widersprüche durch einen Einspruch des Bundesrates zu beheben.
Bundesrat SALLER (V/Salzburg) unterstrich die Bedeutung der älteren Generation als wichtiger Wirtschaftsfaktor
und wies dabei auch auf den Zusammenhang von Kaufkraft, finanziellen Ressourcen und Hilfe der Älteren für
die Jungen hin. Die vorliegende Pensionserhöhung sei deshalb keine Belastung für die Jüngeren, sondern
schaffe vielmehr auch eine Möglichkeit der Unterstützung der jungen Menschen durch die Älteren,
meinte er.
Bundesrätin KERSCHBAUM (G/Niederösterreich) äußerte Bedenken hinsichtlich der Praxis von Einmalzahlungen
und forderte hingegen dauerhafte Erhöhungen der niedrigen Pensionen. In Anspielung an die Sitzung vom 24.
September bemerkte sie pointiert, egoistische SeniorInnen müssten eigentlich hoffen, dass es bald wieder zu
einem Bruch einer Regierung kommt, zumal Pensionsanpassungen offenbar nur im Zuge eines Wahlkampfes möglich
sind.
Bundesrat TODT (S/Wien) begrüßte die Pensionsanpassung, sprach von einem der größten sozialpolitischen
Erfolge für PensionistInnen in den letzten Jahrzehnten und verstand die Einmalzahlung vor allem als Teuerungsausgleich.
Bundesrat BIERINGER (V/Salzburg) kam in seiner Wortmeldung ebenfalls auf die letzte Nationalratssitzung zu sprechen
und meinte kritisch, eine Sternstunde des Parlaments sei dieser 24. September mit Sicherheit nicht gewesen. Es
dürfe nicht mehr vorkommen, dass aus Anlass von Wahlen Gesetze ohne Vorberatungen und Begutachtung beschlossen
werden, die den Staatshaushalt in der Zukunft belasten. Im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise kritisierte
der Redner überdies Spekulanten und Manager, denen er vorwarf, jegliches Gefühl für die arbeitenden
Menschen verloren zu haben und bloß noch ihr Augenmerk auf satteste Gewinne für sich selbst zu richten.
Abgeordneter KONECNY (S/Wien) zog aus der Finanzkrise den Schluss, der Slogan "Weniger Staat, mehr privat"
habe sich als töricht erwiesen. Er erinnerte vor allem daran, dass es nun gerade der Staat sei, der die Auswirkungen
des Finanzdesasters zu mildern habe und dabei jene Steuerungsinstrumente wieder in die Hand nehmen müsse,
die er leichtfertig abgegeben hatte.
Bundesrat SCHENNACH (G/Wien) teilte die Einschätzung seines Kollegen Bieringer, wonach es eine Sitzung wie
jene vom 24. September nie mehr geben dürfe. Es sei unerträglich, dass der Bundesrat heute als "Putztrupp
einer Kehrausparty" zu agieren und widersprüchliche Gesetzesbeschlüsse zu bereinigen habe, fügte
er an.
Bundesrat Mag. HIMMER (V/Wien) warnte, aus der derzeitigen Krise an den Finanzmärkten dürften nicht die
falschen Umkehrschlüsse in Richtung einer unternehmerfeindlichen Haltung gezogen werden. Klar sei vielmehr,
dass es auch in Zukunft Unternehmer geben müsse, die ein Risiko tragen und Kapital einsetzen.
Bundesrätin MÜHLWERTH (F/Wien) appellierte in diesem Zusammenhang an die gesellschaftspolitische Verantwortung
der Unternehmer, warf dem Staat andererseits aber vor, in seiner Rolle als Kontrollor der Finanzmärkte versagt
zu haben.
Bei der Abstimmung wurde gegen das Sozialrechts-Änderungsgesetz kein Einspruch erhoben. Gegen die Änderung
des ASVG und anderer Gesetze (901/A) wurde mit S-F-Mehrheit Einspruch erhoben. Einstimmig beeinsprucht wurde Beschluss
betreffend die Änderung des Kriegsopferversorgungsgesetzes und anderer Gesetze (905/A). Gegen den Beschluss
auf Änderung des ASVG und weiterer Gesetze (906/A) erhob der Bundesrat einstimmig keinen Einspruch. |