Kardinal Schönborn zelebrierte den Gottesdienst und appellierte an die Jugend: "Habt
Vertrauen in die Zukunft durch den Glauben an Christus"
Wien (pew) - Im voll besetzten Wiener Stephansdom wurde am Abend des 07.10. mit einer Rosenkranzfeier
der Ereignisse vom 7. Oktober 1938 gedacht. Genau vor 70 Jahren hatten sich 7.000 Jugendliche zum gleichen Fest
im Dom versammelt. Die Feier mit dem damaligen Wiener Erzbischof, Kardinal Theodor Innitzer, war die größte
Manifestation des geistigen Widerstands gegen den Nationalsozialismus im gesamten sogenannten "Großdeutschen
Reich".
Die Rosenkranzfeier 1938 müsse ein "unglaubliches Zeichen der Ermutigung" für Kardinal Innitzer
gewesen sein, sagte Kardinal Christoph Schönborn in seiner Predigt bei dem Gottesdienst. "In einer Zeit,
in der so viele Jugendliche vom gleißenden Glanz des Nationalsozialismus weggerissen worden sind, muss es
ein bewegender Moment gewesen sein, so viele zu sehen, die treu zur Kirche standen", betonte der Kardinal.
Der Wiener Erzbischof zitierte in seiner Predigt, die er – wie Kardinal Innitzer vor 70 Jahren - von der Pilgramkanzel
aus hielt, die zentralen Sätze der damaligen Ansprache seines Amtsvorgängers. Innitzer bekannte darin
seinen Irrtum in der Einschätzung des Nationalsozialismus und forderte - u.a mit den Worten "Christus
ist unser Führer" - die Jugendlichen auf, das Vertrauen in Christus nicht zu verlieren und treu im Glauben
zu stehen. "Was Kardinal Innitzer an jenem Abend gesagt und bezeugt hat, war stärker als alle gleißenden
Worte des Nationalsozialismus, alle Verführungen dieser Ideologie und stärker als alle Schrecken des
Krieges", so Kardinal Schönborn rückblickend.
Die heutigen Anfechtungen des Glaubens seien in keiner Weise mit der Situation des Jahres 1938 vergleichbar, aber
auch heute brauche es die Vertrautheit mit Jesus, betonte Kardinal Schönborn. "Der Glaube ist nicht zuerst
eine Lehre, eine Doktrin, sondern eine Freundschaft - und zwar zu Jesus Christus", sagte der Wiener Erzbischof.
Wie Innitzer appellierte Kardinal Schönborn an die Jugendlichen, das Vertrauen in den Glauben nicht zu verlieren:
"Auch wenn heute über der Zukunft dunkle Wolken hängen: Habt Vertrauen in die Zukunft durch den
Glauben an Christus!" Die jungen Menschen sollten sich "trauen" zu heiraten, Familien zu gründen
und sich in die Nachfolge Christi berufen zu lassen. "Traut euch, in die Zukunft zu vertrauen", sagte
Kardinal Schönborn.
Nach der Predigt des Kardinals wurden bei einer Rosenkranz-Fürbittandacht vor der "Dienstbotenmadonna"
die Fürbitten gesprochen. Gemeinsam mit Zeitzeugen des Gottesdienstes von 1938 baten Jugendliche dabei um
Mut zum Bekenntnis des Glaubens, um Zivilcourage und um die Kraft, für andere da zu sein. Als Schlusslied
erklang "Auf zum Schwure, Volk und Land"; dieses Lied hatten 1938 die Jugendlichen vor dem Erzbischöflichen
Palais auf dem Stephansplatz gesungen, um ihre Treue zum Glauben zu bekennen.
Zur Feier in der Erinnerung an das Rosenkranzfest vor 70 Jahren hatten die Katholische Jugend (KJ), der Cartellverband
(CV) und der Mittelschüler-Kartellverband (MKV) gemeinsam eingeladen. "Die Menschen mussten damals sehr
mutig sein, um sich zu ihrem Glauben zu bekennen", sagte Maresi Böhm, die Vorsitzende der KJ der Erzdiözese
Wien im Stephansdom. Das Bekenntnis zum Glauben habe vielen Menschen Verfolgung gebracht, man könne sich das
als junger Mensch in Österreich heute gar nicht mehr vorstellen, so Böhm: "Umso wichtiger ist es,
sich mit dem Thema Widerstand auseinanderzusetzen und sich der mutigen Jugendlichen von damals zu erinnern".
Rosenkranz aus Leuchtballons
Nach dem Gottesdienst versammelten sich die Gläubigen zu einer kurzen Kundgebung auf dem Stephansplatz. Im
Zentrum stand dabei ein großer Rosenkranz, den 55 Jugendliche mit großen leuchtenden Ballonen nachstellten.
Rund 50 Jugendgruppen aus der Erzdiözese Wien hatten sich in den vergangenen Wochen mit den Ereignissen von
1938 beschäftigt, und ihre Impulse in Schlagworten auf den "Perlen" festgehalten. Die Ballons mit
Aufschriften wie "Glaube", "Versöhnung", "Hoffnung" oder "Widerstand muss
nicht zwecklos sein" wurden bei der Kundgebung nacheinander zum Leuchten gebracht.
Der Zeitzeuge Franz Helmwein berichtete zuvor auf dem Stephansplatz von seinen Erlebnissen bei der Rosenkranzfeier
1938 und den anschließenden Jubelrufen für Kardinal Innitzer vor dem Erzbischöflichen Palais. "Ich
glaube, die Worte von Kardinal Innitzer haben ihre Aktualität nicht verloren", sagte Helmwein. "Bleibt
der Kirche treu und gebt Zeugnis von eurem christlichen Leben", appellierte er an die vielen Gläubigen
vor dem Stephansdom.
Der Herzogenburger Chorherr Petrus Roman Stockinger sprach in einer Rede die "Gratwanderung" an, mit
der die Kundgebung in Erinnerung an die Rosenkranzfeier 1938 verbunden ist. Es dürfe nicht allein bei einer
"sentimentalen Erinnerung" an die damaligen Ereignisse bleiben, sagte Stockinger. Ohne sich in einem
"falschen Gutheitsgefühl zu wiegen", sollte sich heute jeder ehrlich fragen, "Wo wäre
ich damals gestanden?" |