Wien (fwf) - Stabile und messbare Zustände, die sich über zwei
Quantenpunkte erstrecken und vermehren, konnten nun erstmals theoretisch nachgewiesen werden. Dieser Nachweis unterstützt
die Idee des so genannten Quanten-Darwinismus, der die Selektion und Fortpflanzung quantenmechanischer Zustände
für die Wahrnehmung unserer Realität verantwortlich macht. Diese Ergebnisse eines Projekts des Wissenschaftsfonds
FWF wurden vor Kurzem in den Physical Review Letters veröffentlicht und leisten einen Beitrag zur zukünftigen
Realisierung der Quanten-Informationstechnologie.
Quantenpunkte sind nanoskopische Strukturen, die so klein sind, dass für sie die Gesetze der Quantenphysik
gelten. Das bedeutet unter anderem, dass in Quantenpunkten Elektronen Zustände mit bestimmten Energiewerten
einnehmen. Werden diese Zustände der Elektronen gemessen, dann wechselwirken diese mit der Umgebung. Durch
diese Wechselwirkung vermischen sich die Zustände der Elektronen z. T. miteinander, aber auch mit jenen der
Umgebung, und werden energetisch verschmiert. Einige der ursprünglichen Zustände sind jedoch robust und
behalten ihre Energiewerte. Diese werden als "Pointer-Zustände" bezeichnet und konnten bisher nur
für einzelne Quantenpunkte nachgewiesen werden.
Stabile Beziehungen ...
Jetzt ist es einem Team am Institut für Physik der Montanuniversität Leoben mit Kollegen an der
Arizona State University in den USA gelungen, die Existenz von neuartigen Pointer-Zuständen in gekoppelten
Quantenpunkten auf einer Halbleiter-Schichtstruktur aus Aluminiumarsenid und Galliumarsenid nachzuweisen. Dazu
Dr. Roland Brunner aus dem Team von Prof. Friedemar Kuchar: "Diese Pointer-Zustände zweier gekoppelter
Quantenpunkte haben wir als Bipartite Pointer-Zustände bezeichnet. Sie sind insofern spannend, als sie über
zwei Quantenpunkte ausgedehnt sind und somit ein Analogon zu Molekülen darstellen. Durch die Wechselwirkung
mit der Umgebung werden sie einer Messung, z. B. des elektrischen Widerstands, zugänglich."
... schaffen Nachwuchs
Tatsächlich gelang es dem Team auch, deutliche Hinweise auf den so genannten Quanten-Darwinismus zu
finden. Dieser beschreibt die Idee, dass bei einer Wechselwirkung mit der Umgebung nur die "stärksten"
Zustände, eben die Pointer-Zustände, stabil bleiben und diese die Eigenschaft haben, "Nachwuchs"
zu produzieren. Zum Nachweis dieser Idee berechnete die Gruppe um Dr. Brunner und Prof. Kuchar die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten
der Elektronen im System mehrerer Quantenpunkte in Serie. Ein solches System entspricht einem Wellenleiter für
Elektronen, in dem der elektrische Strom durch transmittierte Elektronenwellen bestimmt wird. Die Berechnung der
Elektronen-Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei der Energie des Bipartiten Pointer-Zustands zeigte, dass die Aufenthaltswahrscheinlichkeit
als räumliches Muster für viele verschiedene Elektronenwellen gleich ist, d. h. Nachwuchs der Bipartiten
Pointer-Zustände präsent ist. Dieses Ergebnis wird international als Nachweis gewertet, dass Quanten-Darwinismus
tatsächlich auftritt.
Wurden in diesem FWF-Projekt Quantenpunkte auf rein theoretischer Basis untersucht, so ist ihr möglicher Nutzen
durchaus praktischer Natur. Einerseits konnte mit einer früheren Publikation bereits ein Bezug zu einer gemessenen
Größe - dem elektrischen Widerstand - hergestellt werden, andererseits können die Quantenpunkte
die Quintessenz zukünftiger Bauteile der Quanten-Informationstechnologie wie Quanten-Computer bilden. Diese
könnten die Robustheit der Bipartiten Pointer-Zustände nutzen und damit mehr als nur die Zustände
"0" oder "1" der binären Logik beschreiben, die das Leistungsspektrum herkömmlicher
Computer darstellen. Kritisch für die Entwicklung der Quanten-Computer ist jedoch das Messen der Zustände
- also die Schnittstelle zur äußeren "klassischen" Welt. Erst wenn mehrere Messungen den gleichen
Zustand erfassen, kann eine Messung oder ein Ergebnis als objektiv gelten. Genau dazu aber muss ein solcher Zustand
"Nachwuchs" schaffen, wie es der Quanten-Darwinismus postuliert, der in diesem Projekt eine weitere Bestätigung
fand.
Originalpublikation: "Coupling-Induced Bipartite Pointer States in Arrays of Electron Billiards:
Quantum Darwinismus in Action?" R. Brunner, R. Akis, D. K. Ferry, F. Kuchar & R. Meisels, Phys. Rev. Letters
101, 024102 (2008). |