Steuerreform  

erstellt am
16. 10. 08

 Ziele und Optionen der Steuerreform: Plädoyer für einen großen Wurf 
WIFO erachtet Entlastungen von 4 bis 6 Mrd. Euro als notwendig
Wien (wifo) - Die dramatische Verschärfung der weltweiten Finanzkrise lässt befürchten, daß die Konjunktur in Österreich stärker gedämpft wird als bisher angenommen. International akkordierte Schritte zur Stabilisierung des Finanzsystems müssen durch nationale Maßnahmen ergänzt werden. Diese sollten nicht auf den Finanzsektor beschränkt bleiben. Das WIFO schlägt vor, die Steuerreform auch als Instrument der Konjunkturbelebung zu nutzen, und plädiert für einen "großen Wurf", der über eine Inflationsanpassung des Tarifs hinausgeht. Neben einer massiven Entlastung der Steuerpflichtigen sind auch Strukturänderungen des Steuersystems notwendig. Als Optionen zur teilweisen Finanzierung einer Entlastung, die über eine Nettoentlastung von 3 Mrd. Euro hinausgeht, kommen folgende Maßnahmen in Frage: Einsparungen von Staatsausgaben, die Beseitigung von Ausnahmen sowie die Erschließung neuer Steuerquellen, wenn das Defizit nicht weiter steigen soll.

Die Bundesregierung hat für die kommende Steuerreform ein Volumen von 3 Mrd. Euro vorgesehen und geplant, sie ohne Gegenfinanzierung umzusetzen. Es wurden bereits mehrere Maßnahmen beschlossen, die auf diese Steuerreform angerechnet werden, sodaß insgesamt nur mehr 2,7 Mrd. Euro, davon etwas mehr als 1 1/2 Mrd. Euro für eine Tarifreform, zur Verfügung stehen. Berechnungen des WIFO zeigen, daß eine Senkung von Lohn- und Einkommensteuer in diesem Umfang nicht einmal ausreicht, um den realen Einkommensverlust aufgrund der Inflation von etwa 2 Mrd. Euro seit der letzten Anhebung der Tarifgrenzen auszugleichen. Für eine dringend gebotene Reform der derzeitig wachstums- und beschäftigungsfeindlichen Struktur des Steuersystems verbleibt damit kein Spielraum.

Das WIFO plädiert daher für ein größeres Volumen der steuerlichen Entlastung und zeigt Optionen auf, die eine umfassendere Steuerreform ermöglichen. Einige der vom WIFO zur Diskussion gestellten Reformoptionen können bereits kurzfristig die Kaufkraft der privaten Haushalte erhöhen und somit den Inlandskonsum stützen: So bringt die Einführung eines Absetzbetrages auf Sozialversicherungsbeiträge von 650 Euro für Erwerbstätige und 200 Euro für Pensionsbezieherinnen und Pensionsbezieher bereits im November für das laufende Jahr eine Entlastung von rund 600 Mio. Euro, wenn er für Jahreseinkommen bis 25.000 Euro gilt.

Darüber hinaus zeigt das WIFO Möglichkeiten auf, die beschäftigungs- und wachstumshemmende Struktur des Steuersystems in eine nachhaltige, die Beschäftigung und das Wachstum fördernde Richtung zu verbessern. Anders als von der Bundesregierung bisher geplant, wird eine Gegenfinanzierung als notwendig erachtet, um substanzielle positive Effekte auf die Nachfrage, die Beschäftigung und das Wachstums zu bewirken.

Eine über die bisherigen Ansätze hinausgehende Steuerreform sollte folgende Optionen zur Steuerentlastung berücksichtigen:

  • Tarifreform: Zur Vermeidung der "kalten Progression" könnten die Tarifzonen in der Lohn- und Einkommensteuer an die Verbraucherpreisentwicklung angepasst werden. Gezielte Entlastungen können durch Senkung der Lohn- und Einkommensteuersätze erreicht werden. Um das untere Drittel der Einkommen zu entlasten, sollten die Sozialversicherungsabgaben herabgesetzt werden. Die Einführung eines Freibetrags anstelle der Sechstelbesteuerung bewirkt die Angleichung von Effektiv- und Tarifsatz, ohne daß Personen mit niedrigem Einkommen zusätzlich belastet werden. Je nachdem, ob einzelne Maßnahmen oder eine Kombination gewählt wird, ist eine jährliche Entlastung von 2 bis 5 Mrd. Euro möglich.
  • Standortförderung: In der Unternehmensbesteuerung könnte die Neutralität der Eigenkapitalaufbringung gegenüber der Fremdfinanzierung auch durch steuerliche Maßnahmen (z. B. die teilweise Absetzbarkeit von kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen oder die Einschränkung der Absetzbarkeit von Fremdkapital) unterstützt werden. Die Zusammenführung der arbeitgeberseitigen Lohnnebenkosten zu einer einheitlichen Arbeitgeberabgabe könnte Einsparungen im Bereich der Lohnverrechnung bis zu 150 Mio. Euro ermöglichen. Eine zusätzliche Senkung dieser Arbeitgeberabgabe würde den Faktor Arbeit steuerlich entlasten. Eine Maßnahme zur Standortverbesserung wäre auch die Schaffung einer einheitlichen Unternehmensbesteuerung unabhängig von der Rechtsform. Ein mutiger Schritt zur Stärkung des Forschungsstandortes Österreich wäre, anstelle mehrerer Instrumente nur noch eine Forschungsprämie vorzusehen. Deren sachlicher Umfang sollte allerdings erweitert und die Prämie von 8% auf 12% erhöht werden; das würde im Jahr zwischen 200 und 300 Mio. Euro kosten.
  • Familienförderung: Reformen der Familienförderung dürfen nicht dem Ziel der Hebung der Beschäftigung entgegenstehen und eine Verkürzung der Erwerbstätigkeit nach sich ziehen. Der finanzielle Aufwand für Kinder könnte durch höhere Absetzbeträge stärker berücksichtigt werden. Die Kosten der Kinderbetreuung durch Kindergärten oder zertifizierte Tagesmütter könnten durch steuerliche Absetzbarkeit oder durch Dienstleistungsschecks zusätzlich verringert werden. Betreuungskosten, die Unternehmen tragen, könnten als Betriebsausgabe gelten und bei den Beschäftigten steuerfrei sein.


Folgende Optionen zur Gegenfinanzierung im Bereich der Steuern würden das Entlastungsvolumen für den Faktor Arbeit erhöhen:

  • Umweltsteuern: Um aus Umweltsteuern zusätzlich 1 Mrd. Euro pro Jahr aufzubringen, schlägt das WIFO drei alternative Optionen vor: Die Mineralölsteuer auf Treibstoffe könnte um 0,10 Euro je Liter erhöht werden; eine CO2-Steuer auf fossile Energieträger in der Höhe von 30 Euro je Tonne CO2 könnte eingeführt werden, wenn gleichzeitig etwa ein Drittel des Steueraufkommens an energieintensive Unternehmen rückvergütet wird; die Elektrizitätsabgabe könnte von bisher 0,015 Euro je kWh auf 0,0275 Euro je kWh angehoben werden. Durch Kombination dieser Maßnahmen könnte daßelbe Volumen auch mit niedrigeren Steuersätzen erzielt werden.
  • Grundbesteuerung: Die Grundsteuereinnahmen halten mit der Entwicklung des Immobilienvermögens zu Marktpreisen nicht Schritt. Zusätzliche Einnahmen von bis zu 1 Mrd. Euro pro Jahr wären zu erzielen, selbst wenn für Eigenheime, die Land- und Forstwirtschaft und Betriebe großzügige Ausnahmen gewährt werden.
  • Besteuerung des Vermögenszuwachses: Im internationalen Vergleich ist der Finanzierungsbeitrag der vermögensbezogenen Abgaben in Österreich niedrig und hat sinkende Tendenz. Zur Umkehrung dieser Entwicklung scheint es sinnvoll, realisierte Veräußerungsgewinne zu besteuern. Dabei sollten Veräußerungsverluste innerhalb der gleichen Einkunftsart gegengerechnet sowie selbst genutztes Wohnungseigentum und Altersvorsorge in angemessenem Ausmaß ausgenommen werden. Selbst in diesem Fall sind jährliche Einnahmen von 200 Mio. Euro zu erwarten.
  • Umsatz- und Verbrauchsteuern: Die Anhebung der Tabaksteuer und der Alkoholsteuern sowie der Besteuerung von Glückspiel und Glückspielautomaten erhöht für den Staat nicht nur den Einnahmenspielraum zur Senkung beschäftigungs- und wachstumshemmender Abgaben, sondern verringert auch gesellschaftlich unerwünschte Begleiterscheinungen des Konsums dieser Güter, sodaß daraus eine doppelte Dividende realisiert wird. Eine Anhebung der Mengensteuer pro 1.000 Zigaretten von derzeit 26,69 Euro um 20 Euro würde Einnahmen von etwa 300 bis 500 Mio. Euro jährlich bringen.
  • Streichung von Ausnahmen und Begünstigungen: Zahlreiche Ausnahmen und Begünstigungen schmälern die Steuerbasis. Die Steuerbegünstigung der ersten zehn Überstunden pro Monat oder des Alleinverdienerabsetzbetrags für Kinderlose sowie die Begünstigung von Stock Options könnten entfallen, um zusätzliche Einnahmen zu erschließen.

Ein Gegenfinanzierungspotential ergibt sich nicht nur durch die Erhöhung von Steuern oder die Streichung von steuerlichen Ausnahmen, sondern darüber hinaus durch Vereinfachungen, Steigerung der Effizienz oder den Abbau von Staatsausgaben und durch Einmaleffekte wie z. B. Privatisierungen.

Das WIFO empfiehlt, eine große Reform anzustreben, die eine deutliche Nettoentlastung und gleichzeitig eine wachstumsfördernde, beschäftigungsfreundliche und kaufkraftstärkende Abgabenstruktur erreicht. Es ist Aufgabe der Politik, die genaueren Ziele der Steuerreform festzulegen, ihr Volumen zu bestimmen und aus den skizzierten Optionen ein konsistentes Gebäude zu erarbeiten.


 

 Strache: WIFO bestätigt freiheitliches Verlangen nach Entlastungsoffensive
FPÖ-Entlastungs- und Wachstumspaket von 6,812 Mrd. Euro,um die Binnennachfrage und damit die Konjunktur ins Laufen zu bringen
Wien (fpd) - "Ein klarer Beweis für die fehlende Wirtschaftskompetenz von SPÖ und ÖVP ist, daß nun auch das WIFO eine nachhaltige Steuerentlastung verlangt. Nämlich in einem Ausmaß von 4 bis 6 Milliarden Euro - und darin enthalten auch die von der FPÖ so nachdrücklich geforderte Lohnsteuersenkung", bekräftigte FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache das freiheitliche Verlangen nach eben einer derart gestalteten Entlastungsoffensive für die Österreicher.

"International hat die Finanzmarktkrise zu Einbrüchen im Wachstum der Weltwirtschaft geführt", erklärte Strache, und ebenso befänden sich unsere europäischen Nachbarländer im Konjunkturabschwung. Speziell die Bundesrepublik Deutschland werde als Exportnation besonders stark getroffen werden, so daß der Konjunkturmotor in Europa ins Stottern gerate.

"Die Binnennachfrage in Österreich hat angesichts der Nichtentlastung der Bürger durch die SPÖ-ÖVP-Regierung in den letzten zwei Jahren, die hohen Inflation und die exorbitant steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise die notwendige Rolle des Konjunkturmotors nicht übernehmen können", machte der FPÖ-Chef den beiden Noch-Regierungsparteien zum Vorwurf. "Die FPÖ hat vor der Wahl ein Entlastungs- und Wachstumspaket von 6,812 Mrd. Euro vorgestellt, um die Binnennachfrage ins Laufen zu bringen. Und das WIFO gibt uns jetzt vollinhaltlich damit recht", stellte Strache abschließend fest.

 

 Bucher: Mittelstandsfonds und Steuersenkung dringend nötig
Abwärtsspirale der Wirtschaft rechtzeitig stoppen
Wien (bzö) - Um die Abwärtsspirale der Wirtschaft rechtzeitig stoppen zu können, schlägt BZÖ-Budgetsprecher Abg. Josef Bucher einen Mittelstandsfonds und eine Steuersenkung vor. "Diese zwei Stoßrichtungen sind jetzt wichtig und rasch umzusetzen, um die Konjunktur in Bewegung zu halten." So soll der Mittelstandsfonds Klein- und Kleinstbetrieben den Zugang zu Krediten ermöglichen - eine Voraussetzung, daß sie Waren beziehen und produzieren können. Eine Steuersenkung stärkt wiederum die Kaufkraft.

"Steht die Produktion still, werden auch Arbeitsplätze freigesetzt", so Bucher. Deshalb müsse den traditionell kapitalschwachen KMU'S geholfen werden, damit sie auch in den momentan wirtschaftlich schwächeren Zeiten ihr Unternehmen weiterführen können.

Bucher fordert auch eine rasche und massive Senkung der Steuern, vor allem für die Bezieher kleiner Einkommen, weil gerade diese Bevölkerungsgruppe zusätzliche Beträge sofort in Konsum umwandelt. Allein dadurch würde die Konjunktur schon gestärkt.

Möglichst rasch - auf jeden Fall 2009 - müssen diese Maßnahmen umgesetzt werden, fordert Bucher. "Das muß Priorität haben, sonst wird durch die Finanzmarktkrise die Wirtschaft zurückfallen und schwächer werden", warnt der BZÖ-Budgetsprecher. Dies könne dann nur noch durch einen noch höheren Einsatz aus dem Haushaltsbudget abgefangen werden.

 

 Kogler: "Steuerreform notwendig, um steigende Preise abzufedern"
Grüne begrüßen Vorstoß der Wirtschaftsforscher zum Umbau des Steuersystems - Weitgehend gleiche Stoßrichtung wie Vorschläge der Grünen
Wien (OTS) - "Runter mit Lohn- und Einkommensteuer und eine faire Besteuerung von Vermögen sind der richtige Weg, um die Belastung durch weiter steigende Preise abzufedern", erklärte der Wirtschaftssprecher der Grünen, Werner Kogler, zum Vorstoß des Wirtschaftsforschungsinstituts. "Weg von der Besteuerung von Arbeitseinkommen bedeutet ein sozial gerechtes und leistungsfreundliches Steuersystem. Daß die obersten 10.000 einen fairen Beitrag zum Sozial- und Bildungsstaat leisten müssen, ist vollkommen klar und nun auch von den Wirtschaftsforschern bestätigt." Die Grünen sehen darin eine deutliche Unterstützung für ihre Reformvorhaben und Steuerkonzepte. "Die Grünen werden vor allem darauf drängen, daß unmittelbar Schritte zur Entlastung der untersten Einkommen gesetzt werden, um den Konsum aufrechtzuerhalten. Wie vom WIFO vorgeschlagen, sollen noch im November die Beiträge zur Sozialversicherung gesenkt werden. Das würde den untersten Einkommen um 600 Millionen Euro entlasten. Nach den Grünen Vorstellungen sollte es bei entsprechenden Gegenfinanzierung sogar eine Milliarde Euro sein", sagte Kogler.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
zurück