Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien, Deutschland, Italien Österreich und das Vereinigte
Königreich
Brüssel (ec.europa) - Die Europäische Kommission hat Maßnahmen ergriffen, um den
Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit in fünf Mitgliedstaaten entgegen zu wirken. So wird die Kommission
Italien wegen seiner Vorschriften über obligatorische Höchsthonorare für Anwälte vor den Europäischen
Gerichtshof bringen. Die Kommission wird dem Vereinigten Königreich eine mit Gründen versehene Stellungnahme
im Hinblick auf seine Marken-Vorschriften und Österreich eine mit Gründen versehene Stellungnahme bezüglich
seiner Insolvenzregeln zuleiten. Auch wird die Kommission Belgien eine zusätzliche mit Gründen versehene
Stellungnahme hinsichtlich der Rechte der europäischen Leiharbeitsunternehmen und der Bundesrepublik Deutschland
ebenfalls eine zusätzliche mit Gründen versehene Stellungnahme zum Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz des
Landes Nordrhein-Westfalen übermitteln. Eine mit Gründen versehene Stellungnahme ist die zweite Stufe
des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag. Erhält die Kommission binnen zwei Monaten keine
zufriedenstellende Antwort, kann sie den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anrufen.
Italien – Einhaltung der Höchsthonorarsätze für Anwälte
Die Kommission hat beschlossen, den Europäischen Gerichtshof nach Artikel 226 EG-Vertrag zu befassen, um die
Einhaltung der Vorschriften über obligatorische Höchsthonorare für Leistungen von Anwälten
anzuprangern. Die Kommission bestreitet die Notwendigkeit derartiger Bestimmungen, die für Dienstleister aus
einem anderen Mitgliedstaat den Zugang zum italienischen Markt beschränken, ohne jedoch Zugang zum Justizwesen
und seiner ordnungsgemäßen Verwaltung zu gewähren oder die Empfänger der Dienstleistungen
im Hinblick auf das angestrebte Ziel des Allgemeininteresses angemessen zu schützen. Die besagten Vorschriften
scheinen folglich Artikel 43 und Artikel 49 EG-Vertrag zuwiderzulaufen, die das Niederlassungsrecht bzw. die Dienstleistungsfreiheit
in der Europäischen Union gewährleisten.
Vereinigtes Königreich – Pflicht, zur Anfechtung von Markenzeichen und Patenten über eine
Adresse im Vereinigten Königreich zu verfügen
Die Kommission hat beschlossen, wegen des Marken- und Patentrechts des Vereinigten Königreichs eine mit
Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 226 EG-Vertrag an das Land zu richten. Die betreffende
Rechtsvorschrift verpflichtet die Beteiligten, für jede Anfechtung von Markenzeichen und Patenten über
eine Adresse im Vereinigten Königreich zu verfügen. Nach Auffassung der Kommission ist eine solche Auflage
unverhältnismäßig und nicht mit der in Artikel 49 EG-Vertrag garantierten Dienstleistungsfreiheit
zu vereinbaren.
Österreich - Pflicht, für jedes Vorgehen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über eine Adresse
in Österreich zu verfügen
Die Kommission hat beschlossen, Österreich wegen seiner Bestimmungen über Insolvenzverfahren eine mit
Gründen versehene Stellungnahme gemäß Artikel 226 EG-Vertrag zukommen zu lassen. Die Bestimmungen
sehen vor, dass jede Partei, die an einem Insolvenzverfahren teilnimmt oder in diesem Rahmen entsprechende Schritte
einleitet, zwecks Zustellung von Schriftstücken über eine Adresse in Österreich verfügen muss.
Nach Auffassung der Kommission stellt diese Verpflichtung eine indirekte Diskriminierung auf der Grundlage der
Staatsangehörigkeit dar und läuft somit Artikel 12 EG-Vertrag zuwider.
Belgien - Rechte der europäischen Leiharbeitsunternehmen
Die Europäische Kommission hat beschlossen, Belgien eine zusätzliche mit Gründen versehene Stellungnahme
zukommen zu lassen, um das Land aufzufordern, seine unverhältnismäßigen Anforderungen an Leiharbeitsunternehmen,
die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten haben und ihre Dienstleistungen in Belgien erbringen wollen, abzuschaffen.
Nach Artikel 49 EG-Vertrag sollten alle Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat eine Dienstleistung erbringen (die
den geltenden nationalen Gesetzen entspricht) diese Dienstleistung ohne Einschränkungen auch in allen anderen
Mitgliedstaaten erbringen können. Der Verstoß gegen diesen Grundsatz in Bezug auf die Leiharbeitsunternehmen
hat zur Folge, dass der Wettbewerb in diesem Bereich beschränkt wird. Dies könnte außerdem dazu
führen, dass die belgischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer benachteiligt werden, die Dienstleistungen dieser
Unternehmen in Anspruch nehmen. Die belgische Gesetzgebung sieht nämlich vor, dass Leiharbeitsunternehmen
in Belgien eine Zulassung benötigen, die an mehrere Bedingungen geknüpft ist: Sie müssen eine natürliche
Person bestellen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Belgien hat oder – falls ein solcher
Vertreter nicht mehr erforderlich ist – muss das Leiharbeitsunternehmen über eine Adresse in der entsprechenden
Region verfügen. Die Kommission kritisiert außerdem, dass sich der Tätigkeitsbereich von Leiharbeitsunternehmen
auf mit Humanressourcen verbundene Tätigkeiten beschränkt und dass diese Unternehmen die Rechtsform einer
besonderen juristischen Person annehmen müssen.
Die Aufforderung der Kommission ergeht in Form einer so genannten mit Gründen versehene Stellungnahme, der
zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag. Übermittelt die belgische Regierung
nicht binnen zwei Monaten nach Erhalt dieser Stellungnahme eine zufrieden stellende Antwort, kann die Kommission
den Gerichtshof anrufen.
Deutschland – Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz – Diskriminierung von Gemeinschaftsunternehmen
Die Kommission hat beschlossen, der Bundesrepublik Deutschland eine zusätzliche mit Gründen versehene
Stellungnahme zu übermitteln und diese aufzufordern, die unverhältnismäßigen Anforderungen
des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zu beseitigen. Das deutsche Gesetz sieht
für die Anerkennung von Bildungseinrichtungen Kriterien vor, die nicht mit Artikel 49 EG-Vertrag über
die Dienstleistungsfreiheit vereinbar sind und somit die Erbringung von Dienstleistungen durch Bildungseinrichtungen
anderer Mitgliedstaaten auf ungerechtfertigte Art und Weise einschränken oder erschweren. |