50 Jahre Österreich im Europarat   

erstellt am
16. 10. 08

Nationalratspräsidentin Prammer präsentiert Sammelband
Wien (pk) - Nachdem sich die österreichische Mitgliedschaft im Europarat 2006 zum fünfzigsten Mal jährte, liegt nun ein Sammelband über Österreichs Aktivitäten in der Straßburger Organisation vor, der am 15.10. von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Parlament vorgestellt wurde. Die im Böhlau Verlag erschienene Publikation gibt unter dem Titel "50 Jahre Österreich im Europarat" anhand von Einzelberichten der jeweiligen Experten aus der Praxis einen Überblick über die überaus engagierte Mitarbeit und bietet damit eine erste grundlegende Zusammenfassung der österreichischen Europarats-Aktivitäten der letzten 50 Jahre.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer betonte in ihren Begrüßungsworten, mit der Gründung des Europarates im Jahre 1949 habe die internationale Kooperation begonnen. Die Gremien des Europarates, der sich heute vom Atlantik bis nach Wladiwostock erstreckt, würden es immer wieder zustande bringen, in wichtigen Fragen, vor allem im Bereich der Menschenrechte, nachhaltige Weichenstellungen zu geben und auch dort Wegweiser zu sein, wo die Europäische Union noch nachhinkt. Was Österreich betrifft, sei seine Mitgliedschaft im Europarat wesentlich für die Gestaltung der Außenpolitik in der 2. Republik gewesen. Allein die lange Reihe von Österreichern in führenden Positionen des Europarates zeige schon die tiefe Verbundenheit. Prammer erinnerte insbesondere auch daran, dass sich die österreichischen ParlamentarierInnen immer stark und aktiv im Europarat engagiert haben und nach wie vor ihre internationale Aufgabe sehr ernst nehmen.

Vizekanzler a.D. Erhard Busek (Herbert-Batliner-Europainstitut) stellte rückblickend fest, vom Beitritt zum Europarat nach dem Staatsvertrag 1955 sei eine bedeutende Signalwirkung ausgegangen, da der Europarat neben den Vereinten Nationen für Österreich eine erste Gelegenheit geboten habe, sich auf internationaler Ebene zu betätigen. Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union notiere der Stellenwert des Europarates nicht mehr so hoch wie früher, auch verstehe sich die EU immer mehr selbst als "Europa", gab Busek zu bedenken. Der Europarat habe aber nach wie vor große Bedeutung, zumal er in Regionen hineinwirke, die nicht oder noch nicht Teil der Europäischen Union sind, stand für Busek fest.

Waldemar Hummer (Herausgeber des Bandes "50 Jahre Österreich im Europarat) nannte die Mitarbeit Österreichs im Europarat eine Erfolgsgeschichte und meinte, der Sammelband dokumentiere die ungeheure Bedeutung des kleinen Österreich in diesem internationalen Gremium. Zur gegenwärtigen Situation des Europarates hielt er kritisch fest, Europa werde heute immer mehr mit der EU identifiziert, der Europarat befinde sich in einer fast tödlichen Bedrohung durch die Europäische Union, die sich wie ein Krebsgeschwür immer stärker in seine Agenden hineinfrisst. Reibungsflächen ortete Hummer dabei vor allem beim Menschenrechtsschutz, den er als ureigenste Kompetenz des Europarates bezeichnete.

Walter Schwimmer (Generalsekretär des Europarates 1999–2004) befasste sich ebenfalls mit dem Verhältnis Europarat und EU und erinnerte, der Europarat sei 1949 die Initialzündung für den zwischenstaatlichen Einigungsprozess gewesen mit dem Ziel einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit auf Basis von Grundwerten und Rechtsstaatlichkeit. Mit diesem überaus attraktiven Modell habe der Europarat an der Wiege der EU gestanden, sei aber für viele Jahre hindurch bis zur Gründung der Zwölfer-Gemeinschaft die Plattform der politischen Diskussion in Europa geblieben.

Die heutige Bedeutung des Europarates sah Schwimmer vor allem in dem Umstand gelegen, dass die Straßburger Organisation eine Zusammenarbeit auch mit jenen Staaten Mittel- und Osteuropas ermöglicht, die nicht Teil der Union sind. Mit Nachdruck plädierte er überdies für einen Beitritt der EU zur MRK, der seiner Meinung nach den Grundrechtsschutz komplettieren würde, sowie für eine besondere Form der Mitgliedschaft der Union im Europarat.

Peter Schieder (Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 2002-2005) betrachtete den Europarat als Stammzelle Europas, aus der sich die EU entwickelt habe. Auch die Initiative zur Schaffung der OSZE-Parlamentarierversammlung sei von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ausgegangen, skizzierte er. Bei den neuen Demokratien Mittel- und Osteuropas hat nach Einschätzung Schieders die Mitgliedschaft im Europarat die Bereitschaft gebracht, Gesetze zu ändern und an europäische Standards anzupassen. Das Ausmaß der Modernisierung des nationalen Rechts sei für den Europaratsbeitritt größer gewesen als für den Beitritt zur EU.

Einer Meinung mit Schwimmer war Schieder bezüglich der bahnbrechenden Bedeutung des Europarates auf dem Gebiet der Menschenrechte. Für Österreich wiederum sei die Mitgliedschaft im Europarat nach den Jahren der Besatzungszeit Tor zu Europa und Tor zur Welt gewesen, hob er hervor. Die Bedeutung Österreichs im Europarat habe sich, wie Schieder betonte, auch nach der Ostöffnung gezeigt, als Wien vieles an Expertise einbringen konnte. Positiv vermerkte Schieder überdies, dass SPÖ und ÖVP trotz innenpolitischer Differenzen im Europarat immer gemeinsam aufgetreten sind.

Zum Verhältnis des Europarates zur EU bemerkte er, die Europäische Union wäre gut beraten, nicht ihren Alleinseligmachungsanspruch beizubehalten, sondern vielmehr zu sehen, dass auch andere Institutionen eine vernünftige Ergänzung sind und der EU helfen können, ihre Probleme besser zu lösen. In diesem Sinn sah Schieder eine besondere Rolle des Europarates vor allem im Verhältnis zu Russland und bei der Zusammenarbeit mit jenen Staaten, die noch nicht Mitglieder der EU sind oder dies nicht werden können.
 
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