Faymann:
Bei gutem Willen kann man sehr rasch sein
Am 20.10. erstes Zwei-Parteien-Gespräch über Verhandlungsabläufe
Wien (sk) - "Wenn man will, bei gutem Willen, kann man sehr rasch sein", erklärte
SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann am 14.10. vor dem Ministerrat zur Dauer von Regierungsverhandlungen. Faymann
zeigte sich darüber, daß der gf. ÖVP-Obmann Josef Pröll nun rasche Regierungsverhandlungen
will, vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise und der drohenden Rezession erfreut. "Weil ich überzeugt
bin, daß wir keine Zeit zu verlieren haben, die Banken und die Wirtschaft zu stützen." Denn wenn
die Auftragslage der Unternehmen schlecht sei, und die Kaufkraft schwach, dann habe das negative Auswirkungen auf
den Arbeitsmarkt.
Ein Gespräch, wie die Verhandlungsabläufe organisiert werden, werde erst am Montag stattfinden. Die SPÖ
werde ihr Verhandlungsteam am Donnerstag beim Parteipräsidium und Parteivorstand nominieren. "Wichtig
ist mir, daß es eine Gruppe ist, die nicht zu groß ist", betonte Faymann. Die Arbeitsgruppen,
die Themen erarbeiten, sollen innerhalb von zwei bis drei Wochen Ergebnisse in das Hauptverhandlungsteam bringen.
Es gebe laufend Gespräche mit Josef Pröll, etwa über die Auswirkungen der Finanzmarktkrise und auch
heute beim "Österreich-Gespräch" mit allen Parlamentsparteien und dem Nationalbank-Gouverneur
Ewald Nowotny. Bei der Gelegenheit werde neben den Auswirkungen der Finanzmarktkrise auch über die weitere
Zusammenarbeit auch über die Punkte, die einer zwei Drittel-Mehrheit bedürfen, diskutiert werden.
Bezüglich der Dauer der Regierungsverhandlungen betonte Faymann, daß er immer gesagt habe, daß
er sich eine Einigung vor Weihnachten wünsche. "Aber wenn es noch schneller geht, ist es noch besser."
Vor allem aber gehe es darum, einen Schritt vor den anderen zu setzen, "sonst kommt man leicht ins Stolpern".
Es würden sich zwei Parteien treffen, "die einander kennen, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede bekannt
sind", wie Faymann betonte.
Bevölkerung kann Vertrauen in Politik zurückgewinnen
"Wir werden nicht danach gemessen, ob wir in jedem Kapitel alle Details festgelegt haben, sondern
wir werden danach gemessen, daß wir in dieser wirtschaftlichen Situation ein Konjunkturpaket zustande bringen",
sagte Faymann und erklärte, daß es nicht nur ein Konjunkturpaket geben werde, sondern mehrere Konjunkturpakete
notwendig sein würden - es gehe um Kaufkraftstärkung und Investitionen. "Und das muß verhandelt
werden." Wichtig sei auch eine größere Sicherheit für Klein- und Mittelbetriebe, damit diese
wieder vermehrt investieren. Auch der Beginn der Verhandlungen für das Doppelbudget 2009 und 2010 sei ein
wesentlicher Punkt.
"Es soll gespart werden, wo es geht, aber wenn es um den Arbeitsmarkt geht, müssen Investitionen gesetzt
werden, etwa bei Forschung und Infrastruktur", so Faymann. "Wenn das herauskommt, dann glaube ich, daß
die Bevölkerung das Gefühl hat, daß die Politik wieder Vertrauen zurückgewinnt."
Positive und verbesserungswürdige Bereiche der EU formulieren
Was sich Faymann keinesfalls vorstellen könne im Zusammenhang mit dem Thema EU sei, daß in dem
EU-Kapitel eines Regierungsabkommens mit der SPÖ steht, daß die Regierung nicht für eine EU-Volksabstimmung
sei. "Denn wir sind für eine Volksabstimmung im Falle eines neuen EU-Vertrags." Faymann betonte,
er sei überzeugt, daß diese Frage jetzt nicht geregelt werden müsse. Denn man könne über
die EU in einem Regierungsabkommen "viel positives und viel kritisches formulieren". Aber in den Bereichen
Transparenz, Kontrolle, Soziales und Transit sei "nur loben" ungerecht und falsch sowie "politisch
nicht sinnhaft". Faymann zeigte sich überzeugt, daß man die positiven und verbesserungswürdigen
Bereiche der EU in einem Kapitel ausführlich formulieren könne, ohne daß man einander Schwierigkeiten
über die jeweilige Position zu einer EU-Volksabstimmung macht.
Neuer Stil einer Regierung muß ich schon in den Verhandlungen zeigen
Faymann betonte, bei guter Zusammenarbeit könne man solche Dinge "in neuem Stil diskutieren".
Oder man versteht sich schlecht - das habe ich auch erlebt - dann ist zwar irgendetwas detailliert fixiert, aber
dann beginnt man trotzdem mit verschiedenen Interpretationen. Faymann betonte, es sei das Gebot der Stunde, rasche
Verhandlungen zu führen. "Und wenn eine Regierungsbildung schon in kurzer Zeit erfolgt, dann ist das
schon der Beginn eines neuen Stils", zeigte sich Faymann überzeugt davon, daß die Bevölkerung
sehr genau beobachte, ob sich dieser neue Stil schon bei den Verhandlungen zeigt. |
Plassnik: Wichtig, aktiv Klärungen vorzunehmen und Klarheit zu schaffen
Außenministerin begrüßt Eintreten Josef Prölls für baldige Regierungsverhandlungen
Luxemburg (övp-pd) - "Die Ankündigung von Josef Pröll überrascht mich nicht.
Sie war absehbar, entspricht einer breiten Erwartungshaltung und ist angesichts der derzeitigen Gesamtsituation
für Österreich auch vernünftig", erklärte Außenministerin Ursula Plassnik in Reaktion
auf die Erklärung des geschäftsführenden Parteiobmann Josef Pröll, daß angesichts der
Finanzkrise rasche Regierungsverhandlungen notwendig sind. "Diese Entscheidung ist für die Volkspartei
nicht einfach. Schließlich haben die Wähler der SPÖ und der ÖVP mit "minus 16 Prozent"
Verlusten ein klares Signal der Unzufriedenheit erteilt. Umso wichtiger ist es, daß jetzt inhaltliche Pflöcke
in wichtigen Themen eingeschlagen werden - etwa bei der Europafrage, in der Wirtschaft und bei anderen Zukunftsthemen."
Plassnik: "Unseren Wählern schulden wir als Volkspartei, das Drehbuch selbst zu schreiben und nicht
den Anschein zu erwecken, ein Drehbuch umzusetzen, das andere schon geschrieben haben. Es ist daher gut, daß
Josef Pröll die Sache selbst in die Hand nimmt. An ihm liegt es auch, jetzt rasch ein Verhandlungsteam zu
nominieren."
Die Ministerin betonte, daß es notwendig sei, Klarheit in einer Reihe von Themen zu schaffen. "Zu Europa
gibt es den Weg, der in den letzten 13 Jahren unbestritten Regierungspolitik - nicht ÖVP-Parteiposition
- war: Österreich als berechenbarer, verlässlicher und engagierter Partner in der Europäischen
Union. Der Ruf nach zusätzlichen Volksabstimmungen löst weder irgendeine Sachfrage, noch schafft er
mehr Vertrauen oder ein besseres Europabewusstsein bei den Österreichern. Es gibt keine Abkürzungen
für gute Europapolitik und geduldige EU-Informationsarbeit im Dialog mit den Bürgern. Von diesem österreichischen
EU-Grundkonsens der Staatsräson ist die SPÖ einseitig abgewichen, nicht nur in Leserbriefen, sondern
auch auf parlamentarischer Ebene. Sie sollte von sich aus zur Einsicht kommen, daß dies ein unvernünftiger
europapolitischer Irrweg ist."
Plassnik verwies in diesem Zusammenhang auch auf den klaren Auftrag zur Regierungsbildung durch den Bundespräsidenten,
wonach "die österreichische Außenpolitik weiterhin auf bewährten Grundlagen aufbaut und
Österreich am Projekt der europäischen Zusammenarbeit weiterhin als verlässlicher Partner aktiv
mitarbeitet". "Ich verstehe diesen Auftrag als klare Aufforderung an die SPÖ zur Rückkehr
zu europapolitischer Berechenbarkeit."
Zu Gerüchten, wonach sie als Botschafterin nach Washington wechseln könnte, stellte die Ministerin klar:
"Wie Sie sehen: Ich bin hier, ich bin aktiv. Allerdings kann ich mir schon vorstellen daß der eine
oder andere mich weit weg wünscht - möglichst transatlantisch. Aber davon ist nichts zu halten." |