Nobelpreisurkunden werden in Hagenbrunn geschrieben   

erstellt am
14. 10. 08

Hagenbrunn (nöwpd) - Jedes Jahr im Oktober, sobald die Namen der aktuellen Nobelpreisträger feststehen, setzt in einem kleinen Häuschen mit angeschlossenem Atelier in Hagenbrunn am Fuße des Bisamberges hektische Betriebsamkeit ein. Dort lebt und arbeitet die gebürtige Schwedin Annika Rücker. Sie ist schon seit geraumer Zeit die Kalligraphin, aus deren Feder die begehrten Nobelpreisurkunden stammen.

"Ich habe in den letzten 20 Jahren 148 Nobelpreisurkunden mit meiner Handschrift verfasst. Ich bin eine der wenigen Künstlerinnen, die dieses Handwerk erlernt haben und noch ausüben. Für mich ist das jedes Jahr eine große Ehre und eine enorme Aufregung, denn auch ich erfahre um keinen Tag früher als der Rest der Welt, wer die Nobelpreise erhalten wird"; erzählt Annika Rücker dem NÖ Wirtschaftspressedienst bei einem Besuch in ihrem Hausatelier.

Annika Rücker hat die wertvollen, in Leder gebunden Urkunden für bekannte Nobelpreisträger wie u.a. Toni Morrison (1993), Dario Fo (1997), Günter Grass (1999) oder Elfriede Jelinek (2004) angefertigt - allesamt in Handarbeit mit Gänsekiel und Aquarellfarben. "Bevor ich mit der Arbeit beginne, informiere ich mich über den Preisträger. Ich studiere sein Werk, lese seine Bücher. Wenn ich ein Gefühl zu dem Menschen bekomme, entwerfe ich das Monogramm, das auf den Ledereinband geprägt wird. Dann schreibe ich den Text, der von der Schwedischen Akademie vorgeschlagen wird", berichtet die Künstlerin.

In dieser für sie sehr aufregenden Zeit von der Bekanntgabe der Preisträger bis zur Überreichung im Dezember in Schweden ist die Kalligraphin für niemanden zu sprechen. Sie arbeitet in Hagenbrunn beinahe rund um die Uhr, ganz konzentriert auf ihr Werk. Denn beim Schreiben der einzelnen Buchstaben auf Pergament darf ihr kein Fehler unterlaufen.

Die Schwedin ist vor zwei Jahren nach Niederösterreich gezogen. Ihr Vater Fritz Rücker war 1938 aus Österreich nach Schweden geflohen, wo er Annikas Mutter Lena kennen lernte und mit ihr fünf Kinder zur Welt brachte. Von ihrem Vater, einem begabten und begehrten Grafiker, hat sie die künstlerische Ader. "Ich bin schon als Fünfjährige im Nachthemd an seinem Schreibtisch gestanden und habe ihm bei der Arbeit zugesehen." Als 18jährige hat sie in Wien an der Akademie für Angewandte Kunst die Meisterklasse für Schrift- und Buchgestaltung besucht und später selbst Kalligraphie in Schweden unterrichtet.

Sie schreibt in farbenreicher Schönschrift auch Urkunden für weitere Preise, wie etwa den hoch dotierten "Astrid-Lindgren-Preis" für Kinderbuchautoren oder die Preise für Literatur, Musik, Umwelt und Film des "Nordischen Rates". Die Künstlerin blickt stolz auf ihr abwechslungsreiches Leben: "Ich bin froh über meine Arbeit, denn ich habe keinen Mann, den ich aus der Schublade ziehen kann und der mich unterstützt. Ich habe alles aus eigener Kraft geschaffen. Ich fühle mich sehr wohl in meinem Haus nahe den Weinbergen. Hier kann ich auch meinem Hobby, dem Aquarellieren von Rosen, nach Herzenslust frönen. Schweden ist schon sehr nahe am Nordpol. Ich bin gerne hier, denn ich habe viel österreichisches Blut in mir."

Informationen: http://www.atelier-ruecker.com
 
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