Beim Festakt im Wiener Kardinal-König-Haus wurde das besondere österreichische Ökumenemodell
gewürdigt
Wien (epd Ö) - Mit einem Gottesdienst und einem Festakt feierte der Ökumenische Rat der
Kirchen in Österreich am 22.10. im Wiener Kardinal-König-Haus sein 50-jähriges Bestehen. Dabei betonten
die hochrangigen Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedskirchen das besondere österreichische Ökumenemodell:
Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern gehört die Römisch-katholische Kirche dem Ökumenischen
Rat seit 1994 als Vollmitglied an. Mehrfach konnten die 14 christlichen Kirchen in gesellschaftspolitischen Fragen
"mit einer Stimme" sprechen und so verstärkt Gehör finden, bekräftigte der Vorsitzende
des Ökumenischen Rates, Altbischof Herwig Sturm. Präsentiert wurde bei dem Festakt, zu dem Sturm auch
Bundespräsident Heinz Fischer begrüßen konnte, eine Festschrift mit dem Titel "Begegnung und
Inspiration". Darin zeichnen AutorInnen verschiedener Kirchen den Weg der Ökumene in Österreich
nach.
Mit seinem Eintreten für Dialog, Respekt und Kooperation befinde sich der Ökumenische Rat der Kirchen
"auf dem richtigen Weg", sagte Bundespräsident Heinz Fischer. Er erinnerte auch daran, dass demnächst
der 60. Jahrestag der Proklamation der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen wird. Dieses Bekenntnis
zu den Menschenrechten müsse immer auch mit konkreten Taten verbunden sein, so der Bundespräsident, der
die Bedeutung der Kirchen dabei besonders hervorhob. Wo nach wie vor grundlegende Menschenrechte verwehrt würden,
"darf man nicht wegschauen".
Kardinal Christoph Schönborn appellierte bei dem Festakt an die österreichische Politik, Solidarität
mit den verfolgten Christen im Irak zu üben. Wer verfolgt wird, habe ein Menschenrecht auf Asyl, und Verfolgten
Asyl zu gewähren sei eine Menschenpflicht, so Schönborn. Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz
erinnerte insbesondere an die dramatische Situation in der nordirakischen Metropole Mossul, wo tausende Christen
vertrieben wurden, und an die Lage der vielen christlichen Flüchtlinge in Syrien und Jordanien, die nicht
in ihre Heimat zurückkehren können. In der Würdigung der Arbeit des ÖRKÖ in Österreich
verwies der Kardinal auf die Zusammenarbeit der Kirchen beim Sozialwort und beim Verfassungskonvent, beides "Zeichen,
die nicht zu übersehen sind".
Ökumene der Zwischenschritte
Die Ökumene befinde sich derzeit in der Phase der "Zwischenschritte", befand der evangelisch-lutherische
Bischof Michael Bünker. Er sprach sich dafür aus, das bisher Erreichte zu sichten und einen Umsetzungsplan
mit klaren Prioritäten zu erstellen. "Nicht alles, was etwa kirchentrennend ist, ist etwa auch religionsunterrichttrennend",
sagte der Bischof. "Das, was uns eint" sollte gestärkt werden, damit "aus den Zwischenschritten
wieder eine flüssige Bewegung, ja ein Lauf" werde.
Für die orthodoxen Kirchen dankte Metropolit Michael Staikos für das gute ökumenische Klima. Dass
die orthodoxen Kirchen als volle Mitglieder seit 1964 mitwirken können, "nicht als entfernte Verwandte,
sondern als Teil der Familie", ist für Staikos "Geschenk Gottes" und konsequente Folge der
grundsätzlichen ökumenischen Haltung der Gesamtorthodoxie. Ziel der Ökumene sei nicht "irgendein
Selbstzweck, sondern das gemeinsame christliche Zeugnis".
Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa sei ein Beispiel für die "Art und Weise, wie Kirchen
in versöhnter Verschiedenheit miteinander leben und zusammenwirken", sagte der evangelisch-reformierte
Landessuperintendent Thomas Hennefeld. Kirchen müssten auch in Zukunft gemeinsam ihre Stimme für Frieden
und Gerechtigkeit in Europa und in der Welt erheben.
Als einen "mutigen Schritt" bezeichnete der frühere methodistische Superintendent Helmut Nausner
die Gründung des ÖRKÖ vor 50 Jahren: "Alle haben Neuland betreten." Die ökumenischen
Erkenntnisse des II. Vatikanischen Konzils hätten "weitreichende Folgen" gehabt, bekräftigte
die langjährige Vorsitzende des ÖRKÖ, Oberin Christine Gleixner, bei dem Gottesdienst in der Konzilgedächtniskirche.
Hervorragende Ökumene im Bildungsbereich
Dass Ökumene gerade im Bildungsbereich hervorragend funktioniere, verdeutlichte Helene Miklas an der "Erfolgsgeschichte"
der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH), die von der katholischen, der evangelischen, der altkatholischen,
den orthodoxen und den altorientalischen Kirchen gemeinsam getragen wird. Weitere positive Beispiele sind für
die Vizerektorin die Pilgrimschulen, das Projekt konfessionell-kooperativer Religionsunterricht oder die Kooperation
an den Universitäten. Kirchen, so Miklas, sehen "das Recht auf Bildung für alle als ihre besondere
Aufgabe", die gemeinsame Bildungschance liege in ihrer Unterschiedlichkeit, indem "die Differenz fruchtbar
gemacht" werde.
Der Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen, Colin Williams, würdigte in seiner Predigt
beim Festgottesdienst das Engagement des ÖRKÖ beim Sozialwort, im Auftreten gegen Fremdenfeindlichkeit
und für ein Asyl- und Bleiberecht ebenso wie bei den großen europäischen Versammlungen 1997 in
Graz und 2007 in Sibiu/Hermannstadt: "Hier wird deutlich, was bewegt werden kann, wenn Kirchen fest entschlossen
zusammenarbeiten."
Der Innsbrucker römisch-katholische Bischof Manfred Scheuer gab zu bedenken, dass bei aller Freude über
50 geglückte Jahre der Ökumene immer auch bedacht werden müsse, "dass Ökumene mit der
Aufarbeitung von Schuld zu tun hat". Als ein Beispiel nannte er die Tatsache, dass noch im 19. Jahrhundert
Protestanten aus Tirol vertrieben wurden. Der langjährige Direktor der Katholischen Sozialakademie, Alois
Riedlsperger, bekräftigte die soziale Dimension gemeinsamer christlicher Verantwortung in der Welt. Es gehöre
zum Grundauftrag der Kirchen, sich den Menschen in ihren konkreten Nöten zuzuwenden. Das werde auch weiterhin
eine der großen Aufgaben der Ökumene bleiben. "Mehr Platz" für die Jugend in den Kirchen
wünscht sich die Vorsitzende des Ökumenischen Jugendrates, Sylvia Berger. Jugendliche seien "nicht
Zukunft, sondern Gegenwart" der Kirchen.
"Der Titel liest sich wie ein Programm der Ökumene", meinte Gerda Schaffelhofer vom Styria-Verlag,
als sie die Festschrift "Begegnung und Inspiration" vorstellte. Fachleute und Zeitzeugen beschreiben
auf den knapp 300 Seiten den Weg der Ökumene in Österreich. Dabei gehe es nicht um einen "Rechenschaftsbericht,
sondern um eine geistige Bilanz und Staunen über das, was gewachsen ist", sagte der Publizist Heinz Nußbaumer,
der den Abend moderierte. Grußworte sprachen auch der Leiter des Kultusamtes, Oliver Henhapel, und der Vorsitzende
des Ökumenischen Rates der Kirchen in Ungarn, der frühere Bischof Imre Szebik. Für den musikalischen
Rahmen sorgten zwei Ensembles der Johann-Sebastian-Bach-Musikschule. |