Bischof Bünker zum Reformationsfest   

erstellt am
31. 10. 08

Bildungsgerechtigkeit und Grundsicherung sind Anliegen der Reformation
Wien (epd Ö) - Für Bildungsgerechtigkeit und ausreichende Grundsicherung für jeden tritt der lutherische Bischof Dr. Michael Bünker ein. In seiner Predigt zum Gedenktag der Reformation am 31. Oktober in einem von Ö1 übertragenen Festgottesdienst in der Lutherischen Stadtkirche in Wien betont Bünker: "Bildungsgerechtigkeit, ein Uranliegen der Reformation, ist ein dringendes Anliegen auch heute."

Der Bischof erläutert: "Helfen könnten eine wirksame Förderung und vor allem eine Schule, in der die Starken und Schwachen nicht voneinander getrennt werden, sondern miteinander und voneinander lernen." In einer solchen Schule würden sozial benachteiligte Kinder und solche, die die Unterrichtssprache noch nicht gut beherrschen, sowie Kinder mit Behinderungen, also die "Schwachen", nicht abgeschoben, "sondern bleiben möglichst lange mit den Starken zusammen". Integration, so Bünker, könne allen nützen, "wenn die Bedingungen stimmen".

Auch auf die in Armut geratenen Menschen geht der Bischof ein. In seiner Predigt erklärt er: "Solidarische Verantwortung, das ist eine Prägung, die das Evangelium einer Gesellschaft verleiht. Heute bedeutet das, dass es für jeden und jede ein Recht auf ausreichende Grundsicherung gibt." Derzeit sei es "erniedrigend, hilfsbedürftig zu sein".

Zur Bedeutung des Reformationsfestes sagt Bünker: "Das Evangelium verleiht Charakter. Es prägt. Es prägt zuerst den einzelnen Menschen, dich und mich. Es prägt dann Kirche und Gemeinde, die der Reformation bedürfen, wenn dieser Charakter nicht mehr erkenntlich ist. Es prägt drittens auch die Gesellschaft."

Respekt vor der Gewissensentscheidung Bernardis
"Dankbar, dass die Evangelischen Kirchen in dieser Feierstunde ihres Mitglieds Robert Bernardis gedenken" äußerte sich Bundespräsident Heinz Fischer in einem Grußwort beim Empfang zum Reformationsfest der Evangelischen Kirchen in Österreich am 30. Oktober in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Er betrachte dies "als eine wichtige und in die Zukunft gerichtete Geste des Respekts vor dem militärischen Widerstand und vor der Gewissensentscheidung, die ihr zugrunde liegt". Der Oberstleutnant im Generalstab Robert Bernardis (1908 - 44) war als einziger österreichischer Offizier am Staatsstreich gegen Hitler beteiligt. Am 8. August 1944, einen Tag nach seinem 36. Geburtstag, wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

"Die NS-Diktatur unter Adolf Hitler war ein auf einer unmenschlichen Ideologie aufgebautes verbrecherisches Regime, und der Widerstand gegen dieses Regime war ehrenhaft - auch und gerade, weil dieser Widerstand rücksichtslos mit dem Tode bedroht wurde und in vielen Fällen auch tatsächlich mit dem Leben bezahlt werden musste", betonte der Bundespräsident bei dem Empfang, zu dem erstmals die drei evangelischen Kirchen, die Lutherische, die Reformierte und die Methodistische Kirche, gemeinsam geladen hatten. An dem Empfang hat auch Ingeborg Heidelberger, die Enkelin von Robert Bernardis, teilgenommen. Ihr konnte der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld auch eine neue Gedenkschrift überreichen, die an Robert Bernardis erinnert.

Beim Reformationstag geht es auch immer darum, "die reformatorischen Elemente für das Hier und Heute sichtbar zu machen", sagte der lutherische Bischof Michael Bünker in seiner Begrüßung. Gekommen waren zahlreiche VertreterInnen der evangelischen Kirchen und ihrer Einrichtungen im In- und Ausland, darunter etwa auch Stephanie Dietrich und Michael Beintker vom Präsidium der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, RepräsentantInnen des öffentlichen Lebens und der Ökumene, wie etwa der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Altbischof Herwig Sturm, Oberin Christine Gleixner oder Metropolit Michael Staikos.

Friedrich: Für Respekt, Offenheit und Dialog im Verhältnis zwischen Christen und Juden
Geprägt war der Empfang vom Dialog mit dem Judentum, dem gemeinsamen Schwerpunktthema der drei evangelischen Kirchen in diesem Jahr. "Es gehört zu den ureigensten Aufgaben der Kirche, sich von jeglicher Judenfeindschaft loszusagen", erklärte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Johannes Friedrich. Der Festredner plädierte vor den knapp 600 Gästen, darunter auch Willy Weisz von der Israelitischen Kultusgemeinde und Theodor Much von der jüdischen Reformgemeinde Or Chadasch in Wien, für "Respekt, Offenheit und Dialog" im Verhältnis zwischen Christen und Juden. "Wenn die jüdische Wurzel nicht berücksichtigt wird, führt dies zu einer verkürzten Sichtweise christlicher Identität", so der bayerische Landesbischof.

Den Diakoniepreis 2008 konnten Synodalpräsident Peter Krömer und der stellvertretende Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Hans Schilcher, VertreterInnen von vier innovativen diakonischen Projekten überreichen. Ausgezeichnet wurde das Integrationsprojekt "ELONGÓ" des Diakonie-Flüchtlingsdienstes, das Theater "A la Carte" der Evangelischen Jugend Wels und das Projekt "Kunst und Kultur für Menschen mit Behinderungen" des Diakoniewerks Gallneukirchen. Ein Sonderpreis ging an die ARGE Diakonie Niederösterreich. Dass der Preis wie auch in den letzten Jahren von der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich zur Verfügung gestellt wurde, bezeichnete Oberkirchenrätin Hannelore Reiner als "Zeichen der Solidarität und Nachhaltigkeit".

Gemeinsam mit dem lutherischen Bischof Michael Bünker, dem reformierten Landessuperintendenten Thomas Hennefeld und dem methodistischen Superintendenten Lothar Pöll führte die Oberkirchenrätin durch das Festprogramm. Auch heuer wurde die beste Fachbereichsarbeit in Religion vorgestellt. Sie kommt von der Absolventin des Akademischen Gymnasiums Innsbruck, Mirjam Hönisch, die sich mit den Standpunkten österreichischer und US-amerikanischer Jugendlicher in der Frage "Evolution oder Kreation" beschäftigte. Betreut hat die Arbeit die Religionspädagogin Carola Conzelmann. Erfreut, dass MaturantInnen Themen aus dem evangelischen Religionsunterricht für die Fachbereichsarbeit auswählen, zeigte sich Oberkirchenrat Karl Schiefermair. Gerade für eine Minderheit wie die Evangelische Kirche hätte dies im Schulalltag eine "herausragende Bedeutung", so der für den Religionsunterricht zuständige Oberkirchenrat bei der Preisverleihung. Musikalisch verwöhnt wurden die Gäste des Reformationsempfangs von Timna Brauer und dem Elias Meiri Ensemble, die Titel aus ihrem Programm "Voices for Peace" boten.

Bundespräsident Fischer: Die Republik Österreich und das verbrecherische NS-System verhalten sich zueinander "wie Feuer und Wasser"
"Dankbar, dass die Evangelischen Kirchen in dieser Feierstunde ihres Mitglieds Robert Bernardis gedenken" äußerte sich Bundespräsident Dr. Heinz Fischer in einem Grußwort beim Empfang zum Reformationsfest der Evangelischen Kirchen in Österreich am 30. Oktober in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Bei dem Festakt, in dessen Verlauf des 100. Geburtstages des evangelischen Oberstleutnants i.G. Robert Bernardis gedacht wurde, der als einziger österreichischer Offizier am Staatsstreich gegen Adolf Hitler beteiligt war und hingerichtet wurde, sagte Fischer, er betrachte die Ehrung "als eine wichtige und in die Zukunft gerichtete Geste des Respekts vor dem militärischen Widerstand und vor der Gewissensentscheidung, die ihr zugrunde liegt".

Der Umgang mit dem militärischen Widerstand, die Frage der Relevanz des Fahneneides im so genannten Dritten Reich sowie die Problematik der Desertion aus der Hitlerarmee würden immer wieder als heikle Fragen empfunden. Der Bundespräsident erklärte dazu: "Meine Antwort lautet: Die NS-Diktatur unter Adolf Hitler war ein auf einer unmenschlichen Ideologie aufgebautes verbrecherisches Regime. Und der Widerstand gegen dieses Regime war ehrenhaft - auch und gerade, weil dieser Widerstand rücksichtslos mit dem Tode bedroht wurde und in vielen Fällen auch tatsächlich mit dem Leben bezahlt werden musste."

Fischer unterstrich, die im April 1945 von Männern und Frauen, die teilweise selbst aus dem Widerstand oder direkt aus den Konzentrationslagern gekommen seien, wieder errichtete demokratische Republik Österreich und das verbrecherische NS-System verhielten sich zueinander "wie Feuer und Wasser". Der Bundespräsident: "Unser demokratisches Gemeinwesen unter der rotweißroten Fahne ist das absolute Gegenteil zum totalitären NS-Staat unter dem Hakenkreuz."

Im Blick auf die Evangelische Kirche A.B., die Evangelische Kirche H.B. und die Evangelisch-methodistische Kirche, die erstmals gemeinsam zum Reformationsempfang geladen hatten, sagte Fischer: "Auch Ihre Kirche stellt sich so auf die Seite von Humanismus und Menschenrechten. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Gewissensbildung in unserem Land."

Landessuperintendent Hennefeld: Berufung auf das Gewissen ist "urprotestantische Tugend"
Der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld sagte bei der Vorstellung des im Evangelischen Presseverband neu erschienen Buches "Robert Bernardis - Österreichs Stauffenberg zum ehrenden Gedenken anlässlich seines 100. Geburtsjubiläums", der Offizier sei dem unüberhörbaren Ruf des Gewissens gefolgt. Die Berufung auf das Gewissen sei eine "urprotestantische Tugend". Ein besonderer theologischer Beitrag der reformierten Tradition dazu sei die Entwicklung eines Widerstandsrechts bis hin zum Tyrannenmord.

Hennefeld erklärte, das Buch verstehe sich als Beitrag der Evangelischen Kirchen Österreichs zum Gedenkjahr 2008. Die Evangelischen Kirchen hätten im Blick auf ihre Geschichte im Nationalsozialismus "viel aufzuarbeiten". Bernardis selbst sei kein "Mann der Kirche", sondern ein "Durchschnittschrist" gewesen, der zunächst mit dem Nationalsozialismus konform gegangen sei. Das Gedenken an ihn bedeute für die Evangelischen Kirchen "Anregung und Ermutigung, wie wir sicherer Schritte in die Zukunft gehen, auf die Stimme unseres Gewissens achten und konsequent danach handeln können".

Oberstleutnant i.G. Robert Bernardis, der in Innsbruck geboren und evangelisch getauft wurde, war beteiligt an Planungs- und Vorbereitungsarbeiten sowie an der Organisation des Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944. Möglicherweise hat er auch die Bombe für das Attentat auf Hitler hergestellt. Er wurde am 8. August 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Seine Witwe Hermine Bernardis lebt in Linz, wo seit 1994 eine Straße nach ihm benannt ist. Bei dem Empfang in der Wiener Akademie der Wissenschaften begrüßte Oberkirchenrätin Dr. Hannelore Reiner die Enkelin von Bernardis, Ingeborg Heidelberger.
     
Informationen: http://www.evang.at/
     
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