Wien (wifo) - Für die Langzeitpflege wenden die öffentlichen Haushalte in Österreich im Jahr
rund 3¼ Mrd. Euro auf (2007, Pflegegeld- und Sachleistungen). Da die Sachleistungen der Bundesländer
und Gemeinden aber sehr unvollständig erfasst werden, dürfte der tatsächliche öffentliche Aufwand
wesentlich höher sein. Seit 1994 wurde er um rund die Hälfte gesteigert. Das Pflegesystem übt im
Allgemeinen eine umverteilende Wirkung zugunsten niedriger Einkommen aus: Seine Finanzierung wirkt zwar im Wesentlichen
proportional, von der Leistungsseite gehen aber deutlich ausgleichende Verteilungseffekte aus.
Das WIFO hat vor kurzem die mittel- und langfristige Finanzierung der Pflegevorsorge in Österreich sowie alternative
Finanzierungsformen der Pflegevorsorge in Österreich analysiert und Optionen für eine Neuorganisation
der Langzeitpflege und ihrer langfristigen Finanzierung formuliert.
Die Finanzierung der Pflegevorsorge gerät durch die demographische Entwicklung und den gesellschaftlichen
Wandel zunehmend unter Druck. Die WIFO-Studie berücksichtigt in ihrer Prognose der langfristigen Kostenentwicklung
demographische (Entwicklung der Bevölkerungsstruktur nach Alter, Geschlecht und Haushaltsstruktur, Entwicklung
des Gesundheitszustandes) und nicht-demographische Faktoren (Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen als Approximation
für das Ausmaß der informellen Pflege, Kostenentwicklung im Pflegesektor). Demnach wird der öffentliche
Finanzierungsbeitrag 2006 bis 2030 real um 66% (niedrige Variante) bis 207% (hohe Variante) zunehmen. Das mittlere
Szenario weist einen Anstieg von rund 160% aus. In diesem Fall würden sich die Kosten des Pflegesystems von
1,13% des BIP im Jahr 2006 auf 1,96% im Jahr 2030 erhöhen.
Zur finanziellen Abdeckung dieser Kostensteigerungen werden in der WIFO-Studie die Finanzierungsvarianten über
Steuern, Beiträge und in einer Mischform diskutiert. Sowohl die Verteilungswirkungen als auch die Wirkungen
auf Wachstum und Beschäftigung würden eine Finanzierung des Pflegesystems aus Steuereinnahmen nahe legen.
Sollte sie nicht ergiebig genug sein, wäre ein Mischsystem mit Sozialversicherungsbeiträgen denkbar.
Aus organisatorischer Sicht ist eine weitere Angleichung der Pflegesysteme in den einzelnen Bundesländern
erforderlich.
Gemessen an den Kriterien Ergiebigkeit, Volatilität, Verteilungseffekte und andere ökonomische Effekte
bietet sich als organisatorischer Überbau für Geld- und Sachleistungen eine Fondslösung an, die
laufend an Veränderungen der Rahmenbedingungen angepasst werden kann. Dies setzt voraus, dass sich Bund und
Länder auf eine Vereinfachung der Organisation der öffentlich finanzierten Pflege einigen und weitere
Kanäle der Finanzierung erschlossen werden.
Quelle: WIFO
Autorin: Ulrike Mühlberger |