Gedenktafel für Leopold Hilsner am Wiener Zentralfriedhof enthüllt
Wien (bmj) - „Der Fall des Leopold Hilsner ist ein markantes Beispiel für ein Versagen des Justizsystems.
Betroffen macht nicht nur das Fehlurteil, betroffen macht das gesamte von Antisemitismus und Zynismus getragene
Verfahren, das zum Urteil führte“, sagte Justizministerin Maria Berger am 14.11. am Wiener Zentralfriedhof.
Gemeinsam mit IKG-Präsident Ariel Muzicant enthüllte Berger eine Gedenktafel am Grabstein Hilsners mit
der Aufschrift „Wir bedauern die Verfehlungen der Justiz. Sie sind uns Mahnung für die Zukunft.“
Hilsner war Anfang des 20. Jahrhunderts in antisemitischen Skandalprozessen ohne jeden Beweis zuerst des Ritual-,
dann des Sexualmordes an einem christlichen Mädchen für schuldig erkannt und zum Tode verurteilt worden.
Nach internationalen Protesten begnadigte ihn Kaiser Franz Joseph zu lebenslanger Haft. Hilsner wurde 1918 entlassen.
Er starb als gebrochener Mann 1928 in Wien. „Das Unrecht, das Leopold Hilsner widerfahren ist, kann nicht mehr
gutgemacht werden. Der heutige Gedenkakt, in Verbindung mit der Ergänzung der Grabinschrift, hat daher vor
allem symbolische Bedeutung“, so Berger.
In der Demokratie gebiete es der Respekt vor der Unabhängigkeit der Rechtsprechung, dass Justizminister aktuelle
Entscheidungen der Gerichte nicht nur nicht beeinflussen, sondern auch nicht kommentieren. Dieser Grundsatz könne
freilich nicht für die Vergangenheit gleichermaßen gelten, bekräftigte die Ministerin. Vielmehr
sei es eine Verpflichtung für jedes Justizsystem und somit auch für jeden Justizminister, vergangene
Rechtsprechungsepochen kritisch zu betrachten, Fehlentwicklungen aufzuzeigen, Verfehlungen deutlich zu benennen
und die Lehren für Gegenwart und Zukunft daraus zu ziehen.
Das Strafverfahren gegen Leopold Hilsner sei kein tragischer Einzelfall, sondern stehe vielmehr für den Ungeist
der damaligen Zeit. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die österreichisch-ungarische Monarchie, die Stadt
Wien im Besonderen, von einem Klima des Antisemitismus geprägt, das Jahrzehnte anhielt und schließlich
in den Nationalsozialismus mündete. „Die traurige Erkenntnis, die wir heute ziehen müssen, ist, dass
sich auch die Justiz diesem Zeitgeist anschloss und unterwarf“, so Berger.
Dank sprach Berger den Institutionen und Privatpersonen aus, die sich für eine Rehabilitierung Leopold Hilsners
eingesetzt haben, insbesondere den Schülerinnen der HBLW Wels, die im Rahmen der Gedenkveranstaltung Texte
zum Lebens Hilsners vortrugen, der Israeltischen Kultusgemeinde sowie der Welser Initiative gegen Faschismus. |