Regierungsverhandlungen bis Donnerstag ausgesetzt   

erstellt am
17. 11. 08

Wien (öj) - Während viele Medien alle Hindernisse für die Unterzeichnung eines Koalitionsvertrages zwischen SPÖ und ÖVP durch die bisherigen Verhandlungen bereits beseitigt sehen, steht nun eine prinzipielle Entscheidung bevor: Der gf. Bundesparteiobmann der ÖVP, Landwirtschaftsminister Josef Pröll, hat - überraschend - die Verhandlungen bis zum Donnerstag dieser Woche ausgesetzt. SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann ist dennoch zuversichtlich, daß die Koalitionsgespräche zu einen guten Ende geführt werden können.

Bis Mitte vergangener Woche schien noch alles halbwegs in Ordnung zu sein. Bis - vorerst gerüchteweise - ein Plan des Vorstandes der Österr. Post AG in die Öffentlichkeit gelangte, bis zu 1000 Filialen schließen und rund 9000 Mitarbeiter bis zum Jahr 2015 entlassen zu wollen. Der Postmarkt wird sich nämlich in Österreich ab 2011 radikal verändern, denn zu diesem Termin verliert die Post das Briefmonopol und damit die entscheidende Einnahmequelle, aus der heute die Universaldienstleistung (jeden Tag an jeder Tür) mit deutlich zu hohen Personalkosten finanziert wird. Als Folge stehen der Post AG Umsatz- und Mengenverluste ins Haus, die die "Wettbewerbsfähigkeit der Österreichischen Post AG ohne das Setzen von Maßnahmen" gefährden würde, wie sich der Postvorstand dann äußerte.

Nun könnte man meinen, bis zu den Jahren 2011 bzw. 2015 würde noch einige Zeit zur Verfügung stehen, notwendige Schritte zu unternehmen, ein nich unwesentlicher Teil der abzubauenden Stellen könnte durch Nicht-Nachbesetzen eingespart werden, viele der Postdienstleistungen könnten durch sogenannte "Postpartner" erledigt werden, die unter Einhaltung besonderer Voraussetzungen auch heute oft zur Komplettierung der Infrastruktur beitragen. Doch verlaufen die Debatten über dieses durchaus wichtige Thema recht hitzig. In vielen der Meldungen war von dieser Zeitspanne keine Rede, die Öffentlichkeit mußte also vorerst den Eindruck haben, die Massenentlassungen würden unmittelbar bevorstehen und damit Tausende in die Arbeitslosigkeit drängen.

Dann berichtete das Wochenmagazin "profil", Werner Faymann habe (in seiner Funktion als Infrastrukturminister) - entgegen bisherigen Aussagen - die Schließung von zunächst 24 Postämtern bereits im Oktober genehmigt und das bereits ab dem ersten Quartal 2009. Nun wolle Faymann die Schließung von Filialen in genau diesem Zeitraum per Verordnung verbieten. Faymann, der zwar die Verordnung erlassen hat, die der Post für die nächsten sechs Monate diesbezügliche Vorhaben untersagt, weist den Vorwurf, er habe dem zumindest teilweise zugestimmt, vehement zurück: Er würde jeden Manager, der kein besseres Konzept habe, durch einen besseren ersetzen. Das Post-Management solle sich da nicht "rausreden" und er würde jedenfalls lieber einen neuen Manager suchen, als dem Vorhaben, 9000 Menschen zu entlassen, politisch zuzustimmen.

ÖVP-Chef Josef Pröll verlangt vom Post-Management eine absolute Versorgungsgarantie und betont, dass vor allem die Versorgung für ältere und nicht mobile Menschen im ländlichen Raum gewährleistet bleiben muß und zeigte sich enttäuscht darüber, daß das Management nur von Post-Standortschließungen und Personalreduktion spreche. Er sei dagegen, die Köpfe rollen zu lassen, die Köpfe sollten rauchen. Empört war Pröll besonders darüber, daß sein potenzieller Koalitionspartner SPÖ keine klare Linie erkennen lasse und sah die Gespräche ernsthaft belastet. Was in den letzten Tagen passiert sei, habe das Vertrauen nicht unbedingt gestärkt, so Pröll, der ankündigte , er würde das auch in seiner nächsten Verhandlung mit Faymann deutlich ansprechen. Die war in Form eines Vier-Augen-Gesprächs für gestern, Sonntag (16.11.) auf Wunsch Pröll anstelle einer großen Verhandlungsrunde angesetzt. Danach ließ Pröll wissen, er habe die Gespräche bis zum 20.11. ausgesetzt und Faymann eine Liste mit 10 Fragen überreicht, deren Beantwortung dazu beitragen solle, spätere Auseinandersetzungen bzw. Streit in einer - "möglichen" - gemeinsamen Regierung zu vermeiden.

In der heutigen Nachmittags-"Zeit im Bild" des ORF ließ Faymann dann wissen, er habe den Fragenkatalog Prölls bereits beantwortet. In einem Schreiben, das der APA vorliegt, geht Faymann davon aus, daß er die notwendige Basis hergestellt habe und der "sehr geehrte Herr geschäftsführende Bundesparteivorsitzende" und "liebe Josef" Pröll nun wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren würde.

Eine wesentliche Hürde steht der möglichen Koalition, vorausgesetzt, Faymann und Pröll werden sich nun einig, natürlich noch bevor, nämlich die Position der ÖVP selbst: Am 28. November hält sie in Wels einen außerordentlichen Bundesparteitag ab, in dessen Mittelpunkt die Wahl des neuen Bundesparteiobmannes steht. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß Josef Pröll dort mit hoher Zustimmung zum Nachfolger Wilhelm Molterers gewählt werden wird. Fraglich ist indes, wie und ob es Pröll gelingen wird, die Meinungsvielfalt innerhalb seiner Partei auf eine Linie zu bringen: Ein Teil seiner Parteifreunde steht für die Koalition "neu" mit der SPÖ, ein Teil wiederum ist massiv dagegen, ein weiterer Teil empfiehlt der Partei, eine Legislaturperiode hindurch sich in der Oppositionsrolle zu regenerieren. Das wiederum sind Stichworte für die Opposition: Sowohl FPÖ als auch BZÖ zeigen sich bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen - was ja, wegen der Fixierung Faymanns (er hat jede Koalition mit FPÖ und BZÖ kategorisch ausgeschlossen) schon aus rein rechnerischen Gründen nur eine Koalition mit der ÖVP bedeuten könnte -, die Grünen ließen damit aufhorchen, eine SP-geführte Minderheitsregierung zu unterstützen. Das wäre, so die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, keine optimale und auf lange Zeit stabile, aber dennoch eine gangbare Lösung. (mm)
     
zurück