Gouverneur Nowotny spricht sich in Brüssel für europäisches Modell der Bankenaufsicht aus   

erstellt am
14. 11. 08

Brüssel/Wien (oenb) - Die voranschreitende Integration des Binnenmarktes und intensive grenzüberschreitende Geschäftsaktivitäten der Banken erfordern, dass die Aufsicht verstärkt „europäisch“ wird. Dies forderte Gouverneur und Mitglied des EZB-Rates, Univ.-Prof. Dr. Nowotny, beim Belgian Financial Forum.

Das von einigen internationalen Großbanken favorisierte Konzept eines sogenannten „Lead Supervisors“ – die Benennung einer Aufsichtsbehörde, die für die gesamte Aufsicht einer grenzüberschreitend tätigen Bankengruppe zuständig ist – ist aus Sicht der OeNB jedoch abzulehnen. Der Lead Supervisor würde v.a. in einer Fragmentierung des Aufsichtsrahmens und Bankgruppen-spezifischen Sonderlösungen resultieren, die schlussendlich zu einer Wettbewerbsverzerrung für die Banken selbst führen. Im Ernstfall wäre zudem auch ein effektives Krisenmanagement erschwert.

Der Gouverneur tritt demgegenüber in einem ersten Schritt für eine weitere Verstärkung der Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörden ein. Die konkrete praktische Zusammenarbeit bei der Aufsichtstätigkeit, die v.a. im Rahmen von sogenannten „Colleges“ der Aufsichtsbehörden für die einzelnen Bankengruppen stattfindet, ist hier durchaus noch ausbaufähig. So sollten verstärkt themenbezogen Aufsichtsteams gebildet und die Aufgabenverteilung noch weiter optimiert werden. Auch die Harmonisierung des Rechtsrahmens wäre parallel dazu weiter voranzutreiben.

Längerfristig sollte analog zum Europäischen System der Zentralbanken ein dezentral ausgestaltetes Europäisches Bankenaufsichtssystem errichtet werden. Grundlegende Voraussetzungen dafür sind ein klares politisches Commitment und wohl auch eine verstärkte politische Integration. Darüber hinaus müsste neben der Lösung von technischen und rechtlichen Fragen insbesondere auch geregelt werden, wie in einem solchen System Krisenfälle gelöst werden. Im Sinne einer zielgerichteten Weiterentwicklung der europäischen Bankenaufsichtsarchitektur sollte daher ein Masterplan entwickelt werden, in dem die einzelnen Vorbereitungsschritte hin zu einem Europäischen Bankenaufsichtssystem fixiert werden.

Zur aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung meinte der Gouverneur am Rande des Forums, dass er mit einer deutlichen Abschwächung des Wirtschaftswachstums in Europa rechnet. Die von der Wirtschaftspolitik, Aufsehern und Zentralbanken gesetzten, sehr substanziellen Maßnahmen, werden jedoch zu einer Stabilisierung der Wirtschaft führen. Bezüglich der weiteren Inflationsentwicklung zeigte sich Gouverneur Nowotny optimistisch, dass diese tendenziell zurückgehen wird. In diesem Zusammenhang wies der Gouverneur auf die Anfang Dezember erscheinenden Projektionen der Experten des Eurosystems hin.

Gouverneur Nowotny verwies weiters auf die Flexibilität des Stabilitäts- und Wachstumspakts, innerhalb dessen Rahmen eine koordinierte Fiskalpolitik der EU-Mitgliedstaaten zur Abfederung des Wirtschaftsabschwungs beitragen sollte.

Das rasche Agieren von EU und IWF im Falle von Ungarn habe gezeigt, so Gouverneur Nowotny, dass diese Institutionen sehr rasch, effektiv und solidarisch Hilfe bereitstellen können. Zusammen mit dem damit verbundenen Maßnahmenkatalog wird dies zur Stabilisierung der ungarischen Volkswirtschaft beitragen. Die Aufstockung der EU-Zahlungsbilanzhilfe auf 25 Mrd. Euro – wovon 6,5 Mrd Euro von Ungarn in Anspruch genommen werden, wurde von Gouverneur Nowotny ausdrücklich begrüßt und eine weitere Aufstockung als präventive Maßnahme in den Raum gestellt.

Univ.-Prof. Dr. Nowotny verwies auch auf den Kohäsionsfonds, der Mittel für die zentral- und osteuropäischen Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt und der bislang nicht ausgeschöpft wird. Eine stärkere Ausschöpfung würde, zusammen mit den Finanzierungsaktivitäten von EIB und EBRD, notwendige Investitionen unterstützen und dazu beitragen, die bisherigen Erfolge der Region zu sichern und den weiteren Aufholprozess zu fördern.
     
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