Das Mondlicht ist ein natürlicher Zeitgeber für viele im Meer lebende Organismen. Aber
wie dieses Zusammenspiel genau funktioniert, ist noch weitgehend unerforscht
Wien (tu) - In einigen Kellern am Campus Vienna Biocenter scheint seit einigen Wochen der Mond -
beziehungsweise eine Gartenlampe vom Baumarkt, die den Mond simuliert. Die Würmer, die sich in Boxen rundherum
kringeln, stört der Unterschied nicht. Sie erholen sich vom Umzug aus Heidelberg. Von dort sind sie mit Kristin
Tessmar und Florian Raible an die Max F. Perutz Laboratories gezogen. Kristin Tessmar erforscht am Department für
Mikrobiologie und Immunbiologie das Paarungsverhalten der im Wasser lebenden Ringelwürmer Platynereis dumerili.
Das Besondere an den kleinen Tierchen: Sie nutzen das Mondlicht, um ihre biologischen Rhythmen zu steuern.
Neue Forschungsgruppe
Die Arbeitsgruppe behandelt zwei große Forschungsthemen. Einerseits untersucht das junge Team, wie
wirbellose Meerestiere ihr Paarungsverhalten mit Hilfe des Mondlichts synchronisieren. Andererseits erforscht die
Gruppe sensorische Gehirnzellen von Wirbeltieren, die Hormone ausschütten und auch lichtrezeptive Moleküle
enthalten. Hier dient der Zebrafisch als Modellorganismus. "Die Lichtsinneszellen, die in beiden Projekten
- einmal im Wurm und einmal im Fisch - im Mittelpunkt stehen, sind evolutionär miteinander verwandt, das heißt
sie sind schon vor mehr als 500 Millionen Jahren entstanden und gehören damit zum ältesten Repertoire
des Gehirns", erklärt Kristin Tessmar.
Bei Vollmond: Licht nonstop
Dem Vollmond hat man schon viele magische Auswirkungen zugeschrieben, sicher ist: Er steuert die Geschlechtsreife
der Meeresringelwürmer. Ist es die Intensität des Mondlichts, die das Leben auf der Erde beeinflusst?
Eher nicht, zeigen mehrere Studien. Auch die Wellenlänge des Lichtes ist nicht besonders andersartig, denn
Mondlicht ist nur von der Sonne reflektiertes Licht. Kristin Tessmar sieht den großen Unterschied darin,
daß es während des Vollmondes keine Pause zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang gibt. Eine wesentliche
Komponente könnte also sein, daß es durchgehend Licht gibt - und weniger, daß das Licht vom Mond
kommt.
Marine Mondsüchtige
In der Meereswelt gibt es viele Tiere, die ihr Paarungsverhalten nach dem Mond ausrichten. Vor allem wenn
die Befruchtung außerhalb der Tiere stattfindet, ist es wichtig, daß Spermien und Eizellen zur gleichen
Zeit im Wasser schwimmen, sonst kann die Fortpflanzung nicht funktionieren. Tessmars Modelltier, der Meeresringelwurm,
hat einen klaren lunaren Rhythmus.
Neues Labor
Im Labor gibt es zwei Kulturräume, in denen die ForscherInnen die Lichtzyklen des Mondes nachahmen.
Die eingangs erwähnte Gartenlampe ist nur provisorisch, in Kürze wird ein computergesteuertes Licht den
Mond ersetzen. Einige Ringelwürmer befinden sich in transparenten Boxen in Regalen, andere sind in blickdichten
Kästen eingeschlossen, wo sie von speziellen Leuchten mit verschiedenen Lichtwellenlängen mit unterschiedlicher
Dauer bestrahlt werden, um zu erforschen, ob sich dadurch etwas ändert. Würde man herausfinden, daß
nur bestimmte Lichtqualitäten Zellreaktionen auslösen, könnte man diese Erkenntnisse im Umweltschutz
anwenden, indem in der Nähe von Küsten nur Beleuchtung ohne Einfluss auf die Meeresfauna montiert wird.
Lichtabhängiger 24-Stunden-Rhythmus?
In die Räume neben den Würmern ziehen demnächst die Zebrafische ein. Auch sie besitzen -
wie alle anderen Wirbeltiere - lichtempfindliche Gehirnzellen wie die Würmer. Die Funktion dieser Zellen ist
aber noch nicht erforscht. Für die Zebrafische ist zwar bisher kein Mondrhythmus beschrieben, aber wie fast
alle Tiere besitzen sie einen inneren 24 -Stunden-Rhythmus. Bei der Steuerung dieses Rhythmus könnten die
Lichtsinneszellen eine Rolle spielen. Dafür müssen aber erst die lichtrezeptiven Moleküle genauer
untersucht und die Zellen visualisiert werden. |