Gusenbauer: War mit großer Freude Bundeskanzler
Wien (sk) - Nach fast 18 Jahren, in denen Alfred Gusenbauer dem Parlament in den verschiedensten
Funktionen zur Verfügung stand, nutze der Bundeskanzler die Nationalratssitzung, um sich vom Parlament und
seinen Abgeordneten zu verabschieden. Der Bundeskanzler betonte, daß er sich zu jeder Zeit bemüht habe,
eine faire Diskussion im Parlament zu ermöglichen und zeigte sich erfreut, über die Jahre viele Bekanntschaften,
auch Freundschaften, mit verschiedenen Abgeordneten geschlossen zu haben. In seiner heutigen letzten Rede im Parlament
wünschte Gusenbauer allen Abgeordneten "persönlich, wie politisch alles Gute. Österreich wird
ein starkes, ein demokratisches, auf Zusammenarbeit orientiertes Parlament brauchen." Mit lang anhaltendem
Applaus aus allen politischen Lagern verabschiedeten sich die Abgeordneten vom scheidenden Bundeskanzler.
Österreich habe Glück gehabt, daß es in den letzten Jahren großen wirtschaftlichen Erfolg
verzeichnen konnte und es gelungen ist, "gemeinsam die Arbeitslosigkeit auf ein Rekord-Niedrigstniveau zu
senken". Nun würden "wirtschaftlich bedeutend schwierigere Zeiten" vor Österreich liegen,
weil zum ersten Mal seit 1945 wieder eine die gesamte Welt betreffende Krise vorherrsche. Alle Antworten auf diese
Krise seien genährt aus den Erfahrungen der Vergangenheit, die aber keiner der anwesenden Abgeordneten miterlebt
hätte. "Niemand hat hier die Weisheit gepachtet", so Gusenbauer, man könne nur "nach bestem
Wissen und Gewissen" Maßnahmen setzen, die man als richtig erachtet, eine breite demokratische Diskussion
sei dafür die Voraussetzung.
Wichtige Schritte seien bereits gesetzt worden. Gusenbauer nannte hier u.a. die Konjunkturpakete, das Bankenpaket
und das Vorziehen der Steuersenkung. Die wirtschaftlichen Herausforderungen in den nächsten Jahren werden
enorme sein, so Gusenbauer, weshalb es der "gesamten Anstrengung unseres Landes und unseres Parlamentes"
bedürfe, diese zu bewältigen. Gusenbauer zollte dem Parlament Respekt dafür, daß bei aller
persönlichen Polemik, der Respekt vor der Person und die kritische Auseinandersetzung mit den Argumenten doch
im Vordergrund stünden.
Weichenstellung im Bereich Bildung und Soziales als Zielsetzungen seiner Regierungszeit
Den 71. Ministerrat und die gleichzeitig letzte Sitzung der Bundesregierung unter Bundeskanzler Alfred
Gusenbauer, nahm der scheidende Bundeskanzler zum Anlass, um über die vergangenen 22 Monate Bilanz zu ziehen.
Den "Start einer Bildungsoffensive" nach mehreren Jahren des Bildungsabbaus und das "fester Knüpfen
des sozialen Netzes" nannte Gusenbauer als seine großen Zielsetzungen als Kanzler. Obwohl in der medialen
Rezeption der Streit zwischen den Koalitionspartner überwogen hätte, würde die "Substanz der
Maßnahmen doch für sich sprechen", so Gusenbauer. Der neuen Bundesregierung wünschte Gusenbauer,
daß "sie die Herausforderungen in guter und professioneller Weise bewährt".
Die Veränderungen im Bildungsbereich, Gusenbauer sprach hier unteren anderem die kleineren Klassen, die Neue
Mittelschule, die Erhöhung der Beihilfen, sowie die Lehre mit Matura an, seinen ihm in seiner Regierungszeit
ein besonderes Anliegen gewesen. "Ich glaube, daß sich das künftige Kapital unseres Landes in den
Klassenzimmern findet", erklärte Gusenbauer. Deshalb brauche es ein durchlässiges Bildungssystem,
daß mehrer Haltegriffe biete, um möglichst viele Kinder zu Matura- und Hochschulreife zu bringen. Mit
den umgesetzten Maßnahmen habe man dafür doch einige Weichen stellen können.
Das "anders und fester Knüpfen des sozialen Netzes" nannte Gusenbauer als zweite, für ihn besonders
bedeutende, Weichenstellung, um den "modernen Herausforderungen in moderner Art gerecht werden zu können".
Die Mindestpensionen, die bedarfsorientierte Mindestsicherung, der Sozialversicherungsschutz von freien Dienstnehmern,
sowie die Legalisierung und Sicherung von Pflege seien hierbei die großen Errungenschaften. Vor allem für
die nächsten, wirtschaftlich anspruchsvollen Jahre - Gusenbauer nahm hier auf die globale Wirtschaftskrise
Bezug - sei "das soziale Netz von entscheidender Bedeutung".
Bilanz kann sich sehen lassen
Bis 2010 habe sich die Regierung vorgenommen, die Arbeitslosenrate auf unter vier Prozent zu bekommen.
Dies sei schon 2008 gelungen. Außerdem habe man im letzten Jahr mit 100.000 neuen Arbeitsplätze, den
höchsten Beschäftigungsanstieg verzeichnen können. Das Demokratiepaket mit der Wahlaltersenkung
auf 16 Jahre, die Einführung eines Asylgerichtshof, die kompetente Durchführung der EURO 08, die Ratifizierung
des Lissabon-Vertrages und den nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, all diese Punkte würden eine
klare Sprache sprechen, so Gusenbauer, "die Bilanz kann sich sehen lassen". Er sei "mit großer
Freude" Bundeskanzler gewesen, so Gusenbauer, der sich abschließend bei den ausgezeichneten Mitarbeitern
seines Hauses bedankte. |