Im Rahmen eines Festaktes in der Weiherburg wurden am 05.12. die diesjährigen PreisträgerInnen
des Preises der Landeshauptstadt Innsbruck für wissenschaftliche Forschung an der Leopold-Franzens-Universität
Innsbruck ausgezeichnet.
Innsbruck (universität) - Bürgermeisterin Hilde Zach gratulierte den fünf WissenschaftlerInnen
und betonte bei ihrer Ansprache, die Bedeutung von Bildung und dass sie immer zutiefst beeindruckt sei, was an
der Universität Innsbruck alles passiert. Rektor Karlheinz Töchterle dankte der Stadt Innsbruck für
ihr Engagement um die Forschungsförderung, wies aber in Hinblick auf die aktuelle budgetäre Situation
auch darauf hin, dass Universitäten auch weiterhin auf die finanzielle und ideelle Unterstützung der
Stadt und des Landes angewiesen sein wird.
Im Rahmen der Vorstellung der PreisträgerInnen unterstrich der Vizerektor für Forschung der Universität
Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Tilmann Märk, die enge und verständnisvolle Zusammenarbeit mit der Stadt.
Die preiswürdigen Arbeiten reichen diesmal von der Via Claudia Augusta über ein neues ethisches Modell
für die Ökonomie, die sprachwissenschaftliche Erforschung von Redewendungen im Italienischen bis hin
zur deutschsprachigen Exilliteratur in Israel und einer Aufsehen erregenden Ausgabe der Texte von Georg Trakl.
Sie zeigen damit die große Vielfalt der geisteswissenschaftlichen Forschung an der Universität Innsbruck.
Die Via Claudia Augusta im Fokus
In seiner Habilitationsschrift “Die Via Claudia Augusta in Nordtirol – Methode, Verlauf, Funde” stellt Priv.-Doz.
Mag. Dr. Gerald Grabherr (Institut für Archäologien) den Nordtiroler Abschnitt dieser römischen
Reichstraße sehr grundlegend dar. Erstmals wird hier der gesamte Straßenverlauf zusammenhängend
beschrieben. Dabei berücksichtigt Gerald Grabherr auch die, in den vergangenen Jahrzehnten neu entwickelten
Forschungsmethoden der Dendrochronologie, der Paläobotanik und geophysikalische Untersuchungen, was zu neuen
Erkenntnissen führt. Im Rahmen des Projektes ist eine umfassende Dokumentation der Altstraßenspuren
im Gebiet vom Reschenpass bis zum Lech bei Füssen entstanden. Diese genaue Kartierung, die Fotografien und
die detaillierten Geländemodelle bieten, gerade in einer Zeit rasanter Zerstörung von archäologischen
Bodendenkmälern, eine wesentliche Grundlage für weitere Forschungsarbeiten. Darüber hinaus widmet
sich Grabherr auch den umfangreichen archäologischen Kleinfunden, die erstmals mit Hilfe von Metalldetektoren
und GPS-basierter Kartierung geborgen wurden und wichtige Anhaltspunkte zur Verkehrsdichte sowie zu verkehrs- und
materialtechnischen Fragen liefern.
Wie kommt die Ethik in die Wirtschaft?
Dieser interessanten Frage widmet sich die Habilitationsschrift von Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Guggenberger (Institut
für Systematische Theologie). Nicht erst die jüngsten Ereignisse auf den Finanzmärkten lassen den
Ruf nach mehr Ethik in der Wirtschaft wieder laut werden. Ausgehend von den Gedanken des Münchner Wirtschaftsethikers
Karl Hormann, Wirtschaftsethik müsse sich den Regeln der Ökonomie beugen, um die Menschen nicht zu überfordern
und der Wirtschaft nicht zu schaden, entwickelt Guggenberger das Modell der kalkulierten Vorleistung als Alternative.
Hormann hält fest, dass Menschen überall dort, wo unterschiedliche Interessen aufeinander treffen, als
rationale Nutzenmaximierer agieren. Daher könne man kein Verhalten erwarten, das mehr als nur strategisches
Interesse am Mitmenschen entwickelt. So wird Wirtschaftsethik jedoch in die Rahmenordnung der Ökonomie verlagert
und die Menschen in ihrem konkreten Handeln von sittlichen Ansprüchen entlastet. Für Guggenberger entlastet
sich der Mensch dann aber auch von sich selbst, von Freiheit sowie von Verantwortungs- und Gestaltungsfähigkeit.
Er schlägt daher das Modell der kalkulierten Vorleistungen vor, das zu einer lebensdienlicheren Gestaltung
der Ökonomie führen könnte. Unter der Voraussetzung, dass Einzelakteure bewusst sittliche Verantwortung
übernehmen und ihnen klar ist, dass Werte ihren Preis haben, ermöglicht sie die kreative Ausschöpfung
bestehender ökonomischer Freiräume. Dies ist jedoch nicht ohne Einsatz und Risiko zu haben. Um jene Einsatz-
und Risikobereitschaft zu fördern, empfiehlt Guggenberger die spirituellen Ressourcen zu nutzen, die die religiösen
Traditionen und Gemeinschaften unserer Gesellschaft bieten.
Redewendungen als Subjekt von Fremdsprachenforschung
Mag. Dr. Christine Konecny befasst sich im Rahmen ihrer Dissertation mit so genannten “Kollokationen” im Italienischen,
bestimmte Wortverbindungen oder Redewendungen, die von MuttersprachlerInnen meist als völlig “normal” angesehen
werden und rein intuitiv richtig gebildet werden. Für FremdsprachlerInnen sind diese jedoch oft sehr tückisch,
weil nur selten die Konzeptualisierung, das Bild, der einen Sprache mit der einer anderen übereinstimmt. Lernt
man Italienisch sollte man beispielsweise wissen, dass ein Nagel eingepflanzt und nicht eingeschlagen wird, ein
Stuhl nicht wackelt sondern hinkt, ein Zahn tanzt und nicht wackelt oder man einen Zug verliert und nicht verpasst.
Die Arbeit von Christine Konecny ist die erste Monographie zu Kollokationen anhand von italienischen Beispielen.
Sie ist auch eine der wenigen, die sich mit den semantischen und den begrifflichen Charakteristika dieses Typs
von Wortverbindungen auseinander setzt. Den umfangreichsten und innovativsten Teil der Arbeit bildet die detaillierte
empirische Auswertung eines reichen Datenmaterials auf der Basis semantisch-kognitiver Kriterien. Als Grundlage
dafür dienen 16 ausgewählte Kollokationen des Italienischen, die Christine Konecny mit Hilfe der Suchmaschine
Google im World Wide Web auf ihre jeweiligen Kontexte hin untersucht hat. Anhand dieser Analyse kann sie nachweisen,
dass Kollokationen extrem dynamisch und einem ständigen Prozess der Modifikation ausgesetzt sind. Sie erweisen
sich als vielschichtiges Phänomen, das nach unterschiedlichen Kriterien und auf der Basis unterschiedlicher
Theorien untersucht werden muss, damit es als sprachliches Phänomen überhaupt fassbar wird. So gelangt
Christine Konecny zu einer neuen Beschreibung und Klassifizierung der Kollaktionen.
Deutschsprachige ExilschriftstellerInnen in Israel
Die Dissertation von MMag. Dr. Bernadette Rieder (Institut für Germanistik) widmet sich sechs deutschsprachigen
Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus Israel, die während der NS-Zeit vertrieben wurden. Anhand eines
eigens dafür entwickelten Analyseinstrumentariums werden die Autobiografien von Max Brod, Lola Landau, Max
Zweig, Anna Maria Jokl, Alcie Schwarz-Gardos und Willy Verkauf-Verlon untersucht. Die darin öffentlich gemachten
Lebensdeutungen werden enthüllt und zu einander sowie zu den Paradigmen der Exilforschung – Heimatverlust
und Identitätsbruch – in Beziehung gesetzt. Dabei generiert Bernadette Rieder im Rahmen ihrer Arbeit viel
neues Wissen über die jeweils drei Schriftstellerinnen und Schriftsteller und über die Textgattung Autobiografie
ganz allgemein. Darüber hinaus liefert sie zahlreiche Informationen zur deutschsprachigen Literatur und zur
deutschsprachigen Einwanderung nach Palästina/Israel und stellt damit die sechs Autobiografien in einen gemeinsamen
Kontext. Die Dissertation von Bernadette Rieder leistet neben dem Wert der Erinnerung einen wesentlichen Beitrag
zur Weiterentwicklung der Gattungstheorie und zur literaturwissenschaftlichen Toposforschung.
Inside Georg Trakl
Die “Innsbrucker Trakl-Ausgabe” besteht aus fünf Bänden und wurde von Univ.-Prof. Dr. Eberhard Sauermann
und Univ.-Doz. Dr. Hermann Zwerschina am Brenner-Archiv herausgegeben. Es handelt sich um eine historisch-kritische
Edition der Texte Georg Trakls (1887-1914), der als bedeutendster Vertreter des österreichischen Expressionismus
gilt. Sie liefert zu jedem einzelnen Text die vollständige Entstehungsgeschichte und die Überlieferungsgeschichte
der Textzeugen. Die Herausgeber standen vor der Aufgabe die Arbeitsweise Georg Trakls zu studieren und ein Editionsmodel
zu entwickeln, das dieser Arbeitsweise gerecht wird und dazu geeignet ist, den kreativen Prozess des Lyrikers Trakl
in der Ein-Dimensionalität eines Buches abzubilden. Die Lösung dieses Problems gelang Mitherausgeber
Univ.-Doz. Dr. Hermann Zwerschina, indem er den Entstehungsprozess der Texte in Textstufen und Absätze zergliedert
und so für die BenutzerInnen der Ausgabe nachvollziehbar macht, wie Trakl sie zu Papier gebracht hat. Als
ob man einem Maler über die Schulter blickt, wie er Pinselstrich an Pinselstrich setzt und sich davon zu weiteren
Strichen und Farben inspirieren lässt, so wird in der “Innsbrucker Trakl-Ausgabe” sichtbar, wie die Gedichte
Georg Trakls entstehen, wie erreichte Zwischenstufen Trakls weitere Arbeit am Text inspirieren. Dadurch lässt
sich das sperrige, dunkle und schwer zugängliche Werk des Lyrikers jetzt leichter und besser verstehen. Darüber
hinaus ist die „Innsbrucker Trakl-Ausgabe” auch eine Faksimile-Ausgabe, die sämtliche Handschriften Trakls,
entsprechend bearbeitet, wiedergibt, sodass sie auch Menschen zugänglich werden, die, mangels Kenntnis, keine
alten Schriften mehr lesen können. Diese Ausgabe ist die derzeit avancierteste textgenetische Edition und
hat Vorbildcharakter für künftige historisch-kritische Ausgaben. |