Wien (fwf) - Das Erlernen eines Gefühls der Sicherheit aktiviert zelluläre
und molekulare Vorgänge, die gegen Depressionen wirken. Dies konnte dank eines neuen Tiermodells analysiert
werden, mit dessen Hilfe die relevanten zellbiologischen Vorgänge besser untersucht und erklärt werden
können. Die nun im Journal Neuron publizierten Ergebnisse zeigen, dass "Erlernte Sicherheit" eine
vergleichbare antidepressive Wirkung wie Psychopharmaka haben kann - diese Wirkung aber durch andere molekulare
Vorgänge gesteuert wird. Durchgeführt wurde das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Projekt
an der Columbia University, Howard Hughes Medical Institute, USA.
Angst ist gut. Sie schützt uns vor allerlei Gefahren. Daher ist sie sowohl Teil unserer Instinkte als auch
erlernbar. Angst kann aber auch lästig oder gar krankhaft werden und verschiedene psychische Leiden wie z.
B. Depressionen hervorrufen. Um erlernte Angst zu erforschen, wurde jetzt bei Tieren ein angstreduzierendes Verhalten
untersucht: die so genannte Erlernte Sicherheit. Dabei werden Tiere so konditioniert, dass sie spezielle Reize
mit einem Gefühl der Sicherheit assoziieren, was in der Folge erlernte Angst vermindert. Dieses experimentelle
Modell nutzte nun Dr. Daniela D. Pollak als Projektleiterin in der Gruppe von Prof. Eric Kandel. So analysierte
sie zelluläre und molekulare Vorgänge im Zusammenhang mit Erlernter Sicherheit.
Mit Sicherheit gegen Depression
Die Ergebnisse dieser Arbeit, die vor Kurzem im Journal Neuron veröffentlicht wurden, waren erstaunlich
klar, wie Dr. Pollak darlegt: "Drei wesentliche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Arbeiten unseres Teams
ableiten: Erstens, Erlernte Sicherheit ist ein Tiermodell für Verhaltenstherapie gegen Depressionen, in dem
es zu ähnlichen Wirkungen kommt wie durch die Behandlung mit Psychopharmaka. Zweitens, das Tiermodell bietet
sich daher auch an, zelluläre und molekulare Interaktionen zwischen medikamentösen und verhaltenstherapeutischen
Behandlungen von Depressionen zu analysieren. Und drittens, Erlernte Sicherheit führt zu zellbiologischen
Reaktionen, wie sie auch durch Antidepressiva hervorgerufen werden - nutzt dafür aber andere molekulare Mechanismen."
Konkret konnte das Team um Dr. Pollak folgende zellulären und molekularen Vorgänge im Zusammenhang mit
Erlernter Sicherheit beobachten:
Es konnte gezeigt werden, dass Erlernte Sicherheit in einer spezifischen Region des Hippokampus (dentate gyrus)
des Hirns positiven Einfluss auf neu entstandene Zellen hat. Denn dort überlebten signifikant mehr neue Zellen,
wenn sie zuvor einen Stimulus durch das Erlernen von Sicherheit erfahren hatten. Dieser Effekt auf das Überleben
der Zellen könnte auf die vermehrte Expression des Proteins BDNF (brain-derived neurotrophic factor) zurückgeführt
werden, die ebenfalls durch Erlernte Sicherheit hervorgerufen wird. Der Stimulus für die Zellen, das zeigte
die Arbeit von Dr. Pollak, musste jedoch in einer bestimmten Phase nach der Entstehung der neuen Zellen erfolgen,
um wirksam zu sein.
Weiters konnten Effekte auf die Aktivität verschiedener wichtiger Gene beobachtet werden. Durch erlernte Sicherheit
werden Gene des dopaminergenen und neuropeptidären Systems in der Amygdala in ihrer Aktivität reduziert.
Interessanterweise wurde aber kein Effekt auf das serotonin-abhängige System beobachtet, das ein Hauptziel
für die medikamentöse Behandlung von Depressionen darstellt.
Zwei Wege - Ein Ziel
In Summe führen diese Ergebnisse dazu, dass Dr. Pollak von mindestens zwei unterschiedlichen Neurotransmitter-Systemen
für die anti-depressiven Effekte der Erlernten Sicherheit ausgeht. Diese führen zu neuronalen Modifikationen,
die denen von Antidepressiva verursachten ähneln. Doch werden dazu - wie das Fehlen eines Effekts auf das
serotonin-abhängige System nahelegt - andere zellbiologische Vorgänge beeinflusst.
Für Dr. Pollak markiert die Veröffentlichung dieser Arbeit auch einen Wendepunkt in ihrer beruflichen
Laufbahn. Ausgestattet mit zwei anerkannten Stipendien aus Österreich (einem Max-Kade-Stipendium der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften und einem Erwin-Schrödinger-Stipendium des FWF) hatte sie in den letzten drei
Jahren Gelegenheit, im Team um den Nobelpreisträger Eric Kandel wichtige Beiträge zur Neurophysiologie
zu leisten. Eine persönliche Passion, die sie nun zukünftig am Institut für Physiologie an der Medizinischen
Universität Wien forschen lassen wird. |