EU-Ausschuss des Bundesrates debattiert über künftige Asylstrategie
Wien (pk) - Grundlage für die Diskussion über die weitere Harmonisierung des Asylwesens
war die Mitteilung der EU-Kommission "Künftige Asylstrategien – Ein integriertes Konzept für EU-weiten
Schutz". Darin skizziert die Kommission die Pläne für die Umsetzung der zweiten Phase eines gemeinsamen
europäischen Asylsystems, wie es das Haager Programm 2004 bis 2009 vorsieht. War man in der ersten Phase um
die Schaffung von Mindestnormen bemüht, so soll es im folgenden Schritt der Harmonisierung zur Verwirklichung
eines gemeinsamen Asylverfahrens, zu einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für Flüchtlinge
und subsidiär Schutzbedürftige und zur Stärkung der praktischen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
kommen.
In diesem Zusammenhang strebt die EU unter anderem eine Qualitätssteigerung der Asylsysteme an. Daher werden
Anstrengungen unternommen, die praktische Zusammenarbeit und Solidarität innerhalb der EU und im Verhältnis
zu Drittstaaten zu fördern und zu verbessern und damit zu einer verstärkten Harmonisierung und zur Wahrung
der Kohärenz beizutragen. Die Kommission schlägt zu diesem Zweck die Errichtung einer Europäischen
Asylunterstützungsagentur vor und regt an, das Dublin-System zu ändern, die Möglichkeit der gemeinsamen
Bearbeitung von Asylanträgen zu prüfen, Spezialteams zur Unterstützung überlasteter Mitgliedstaaten
bereitzustellen und stärker belastete EU-Länder finanziell zu unterstützen. Darüber hinaus
werden regionale Schutzprogramme zur Verbesserung der Situation in den Drittstaaten überlegt, wie etwa erleichterte
Asylverfahrenszugänge durch Botschaftsanträge und Visum zur Einreise sowie Wiederansiedlungen auf freiwilliger
Basis.
Weiters hat die Kommission Legislativvorschläge zur Änderung der Aufnahmerichtlinie und der Dublin II-
sowie der Eurodac Verordnung noch für Dezember 2008 angekündigt. Die Überarbeitung der Verfahrens-
und Statusrichtlinie und den Entwurf für die Einrichtung einer Asylunterstützungsagentur beabsichtigt
die Kommission im ersten Halbjahr 2009 vorzulegen. Damit will man einem für alle gültigen gemeinsamen
Verfahren näher kommen. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sollen eine einheitliche Rechtsstellung
erhalten, wobei man geschlechtsspezifische Aspekte und spezielle Bedürfnisse von besonders hilfsbedürftigen
Gruppen berücksichtigen will.
Österreich hat sich in der Vergangenheit klar zum Ziel, ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu schaffen,
bekannt. Aus heimischer Sicht werden daher auch die Pläne der EU-Kommission grundsätzlich begrüßt,
insbesondere die Bemühungen um eine Stärkung der praktischen Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten.
Da es sich bei einer Mitteilung der Kommission jedoch nur um allgemeine Vorschläge und nicht um konkrete Legislativmaßnahmen
handelt, sind die angekündigten Entwürfe für weitere legislative Schritte abzuwarten, um konkret
dazu Stellung nehmen zu können.
Hilbert Karl aus dem Innenministerium gab bekannt, dass dieses Papier im Juni 2008 vorgelegt wurde. Die Asylstrategie
beinhalte wesentliche Schwerpunkte. So gehe es um die Verwirklichung eines gemeinsamen Asylverfahrens, um die beiden
größten Flüchtlingsgruppen, die Gruppe nach der Genfer Flüchtlingskonvention und die subsidiär
Schutzberechtigten (d.s. Personen, die etwa wegen Folterung nicht in ihre Heimatland zurückkehren können)
verfahrensrechtlich gleich zu behandeln. Daran knüpft ein einheitlicher Status; ist jemand Flüchtling
oder subsidiär Schutzberechtigter, soll er die gleichen Rechte im Mitgliedsstaat haben. Weiter soll es eine
Stärkung der praktischen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten geben. Die Kommission habe ein erstes
Asylpaket am 3.12.2008 öffentlich präsentiert; es beinhaltet die Aufnahmerichtlinie, also die Versorgung
von Asylwerbern, die Dublin-Verordnung – sie legt fest, wer für die Prüfung eines Asylverfahrens bei
einem Asylwerber zuständig ist – und die Eurodac Verordnung, die u.a. aussagt, wie die Fingerabdrücke
elektronisch erfasst, weiter verarbeitet und übermittelt werden sollen.
Hinsichtlich der praktischen Zusammenarbeit haben die Arbeiten 2004/2005 begonnen. Zielsetzung war, ein gemeinsames
Portal für eine Staatendokumentation und eine gemeinsame Entscheidungsgrundlage zu finden. Eine Europäische
Asylunterstützungsagentur soll jenen Mitgliedsstaaten helfend, etwa mit Expertenteams, zur Seite stehen, die
sehr stark mit Asylwerberströmen belastet sind wie etwa Malta, Zypern und auch Italien. Das Papier über
diese Europäische Unterstützungsagentur soll im März/April 2009 vorgelegt werden, ein Abschluss
werde bestenfalls im April mit der sogenannten Verfahrens- und Statusrichtlinie erfolgen, meinte Karl. Die Staatendokumentation
werde im Juni 2009 erfolgen.
Der Vertreter des Amtes der NÖ Landesregierung Peter Anerinhof meinte, zu dieser Mitteilung der Kommission
gebe es eine ausführliche gemeinsame Stellungnahme der Bundesländer; das Papier der Kommission betreffe
im Wesentlichen die Änderung von drei maßgeblichen Richtlinien im Bereich des Asylwesens. Die Stellungnahme
der Bundesländer beziehe sich auf Änderungsbereiche, die in den Vollzugsbereich der Länder eingreifen
oder die Kostenbereiche der Länder betreffen. Bei der Aufnahmerichtlinie gehe es um die Versorgung von Asylwerbern.
Asylwerber werden in Österreich zu 95 % von und in den Ländern versorgt, hier treten massive Kosten auf;
in diesem Papier werde in Aussicht gestellt, dass die Leistungsvoraussetzungen und die Leistungen für die
Asylwerber verbessert werden. Das bedeute für die Länder und für den Bund höhere Kosten. So
lange man nicht weiß, welche Kosten auf die Länder und die Gemeinden zukommen, werden die Länder
einer derartigen Änderung nicht zustimmen, meinte Anerinhof.
In der Anerkennungsrichtlinie gebe es unterschiedliche soziale Leistungen für Asylberechtigte und subsidiär
Schutzberechtigte; die Asylberechtigten sind im Bereich der sozialen Leistungen den Österreichern gleichgestellt,
die Leistungen für die subsidiär Schutzberechtigten beziehen sich auf die sozialen Kernleistungen. Die
Änderung bringt eine Angleichung der subsidiär Schutzberechtigten an die Asylberechtigten. Auch hier
werde befürchtet, dass im Bereich der Sozialhilfe höhere Kosten für die Gemeinden und Länder
entstehen könnten, so der Vertreter des Amtes der NÖ Landesregierung.
In der Debatte hinterfragte Bundesrat Franz Eduard Kühnel (V/W) den Zeitplan für die Kommission bzw.
das EU-Parlament und verwies auf die Aussage in Brüssel, es dürfe hinsichtlich der materiellen Leistungen
und der Sachleistungen keinen Asyltourismus in Europa geben. – Welche Länder befinden sich bei Geld- und Sachleistungen
an der Spitze?, fragte er.
Bundesrat Reinhard Winterauer (S/O) wollte wissen, inwieweit das Dublin-System mit dem österreichischen Asylverfahren
korrespondiere und ob man nicht dem organisierten Schlepperwesen beikomme.
Für die Kritikpunkte des Ministeriums an dem Paket interessierte sich Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum
(G/N). Sie fragte auch, ob es einen "Hoffnungsschimmer" gibt, dass sich die Verfahren verkürzen.
Die Zahl der subsidiär Schutzberechtigten hinterfragte Bundesrat Franz Perhab (V/St).
Hilbert Karl teilte mit, das erste Paket wurde bereits vorgelegt; die Dublin-Verordnung werde am 29./30. Jänner
2009 erstmals in einer Ratsarbeitsgruppe vorgestellt und beraten. Es sei schwer, eine Prognose abzugeben, wann
dieses Paket abgeschlossen sein werde, meinte er, sprach aber in diesem Zusammenhang von zwei bis drei Jahren.
Das Dublin-System sei ein wesentlicher Punkt des Asylgesetzes in der Fassung 2005, weil ein Drittel der Asylwerber
Dublin-relevant ist und im Zulassungsverfahren beschleunigt gearbeitet werden muss. Das Dublin-System sei ein wichtiges
und gut funktionierendes System, unterstrich er.
Wie man hört, fuhr er fort, sei das Schlepperwesen nicht mehr so wichtig, weil viele bereits Familienangehörige
in Österreich haben. Es fahre dann der Familienangehörige ins Ausland und hole die Person dort ab oder
die Personen wissen, wo sie in Österreich ankommen müssen. Das sei aber von den Staatsangehörigkeiten
abhängig, ob in Österreich bereits eine Community besteht oder nicht.
Österreich befinde sich bei den Sachleistungen auf mitteleuropäischem Niveau, vergleichbar mit Deutschland,
den Niederlanden und Frankreich.
In Österreich wird den subsidiär Schutzberechtigten überwiegend der Flüchtlingsstatus gewährt;
in Europa sei dies aber unterschiedlich, in Schweden haben 80 % subsidiären Schutzstatus; der ist aber nicht
so hoch wie der Flüchtlingsstatus, fügte Karl hinzu.
Der Antrag auf Einholung von schriftlichen Äußerungen wurde einhellig angenommen.
Im Zusammenhang mit dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über
Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe teilte Vorsitzender
Gottfried Kneifel (V/O) mit, dass die Frist für eine Stellungnahme bis 6. Feber laufe, aber man wolle in der
Zwischenzeit Stellungnahmen und Gutachten einholen, um eine Bewertung bei der nächsten EU-Ausschusssitzung
vornehmen zu können. – Ein entsprechender Antrag wurde einstimmig verabschiedet. |