Bozen (lpa) - "Südtirol steht am Ende der Geschichte. Und am Beginn
der Zukunft" Landeshauptmann Luis Durnwalder hat am 16.12. in seiner Regierungserklärung klar gemacht,
dass die Politik sich in den kommenden Jahren ändern werde, weil sich die Rahmenbedingungen geändert
hätten. Die Konzentration gelte nun weniger der Infrastruktur als der Begleitung der Bürger durch alle
Abschnitte ihres Lebens.
In den letzten 15 Jahren habe man Südtirols Infrastruktur den neuen Herausforderungen angepasst, habe Schulen,
Straßen und Krankenhäuser errichtet, den öffentlichen Nahverkehr ausgebaut und die Erschließung
mit schnellem Internet vorangetrieben. "Wir haben", so Durnwalder heute, "Südtirol im Zeitraffer
entwickelt." Nachdem das Aufholprogramm aber so gut wie abgeschlossen sei, könne man den Fokus verschieben,
hin zu einer Politik, die noch mehr als bisher den Menschen in den Mittelpunkt stelle. "Es geht, wenn Sie
so wollen, in Zukunft in allen Bereichen mehr um die Soft- als um die Hardware", so der Landeshauptmann.
Die Menschen stärker in den Mittelpunkt zu stellen, heiße aber auch, die Menschen wieder mehr in die
Verantwortung zu nehmen, ihnen mehr Spielraum einzuräumen, ihre Kreativität anzukurbeln. Bevor jemand
einen für seine persönliche Zukunft einschneidenden Schritt setze, dürfe er nicht fragen, ob es
dafür einen Beitrag vom Land gebe, "sondern ob dieser Schritt in der jeweiligen Lebenssituation der richtige
ist, ob er ihn als Individuum weiterbringt und bestenfalls vielleicht auch die Gesellschaft", so Durnwalder.
Das Land wolle, dürfe und könne individuelle Entscheidungen nicht konditionieren, weder mit dem Zuckerbrot
noch mit der Peitsche, betonte der Landeshauptmann.
Als Beispiel nannte Durnwalder Eltern, die vor der Entscheidung stünden, arbeiten zu gehen oder Vollzeit zu
Hause zu bleiben. Die Landesregierung werde sie unterstützen, egal wie ihre Entscheidung ausfalle, etwa im
Wohnbau, durch Beiträge zur Rentenfortzahlung, Ausbildung, familienfreundliche Tarife, flexible Arbeitszeitmodelle,
Kinderbetreuungs-Strukturen oder Mittelstands-Förderung. Aber: "Unterschiede werden bleiben, egal, welche
Entscheidung man fällt: beim Einkommen, bei der Rente, bei der Zeit, die für die Betreuung der Familie
übrig bleibt, bei der Lebensqualität", so der Landeshauptmann. Verantwortung zu übernehmen
heiße nun einmal, Prioritäten zu setzen. "Den Anspruch, gleichzeitig alles haben zu wollen, können
und werden wir nicht erfüllen", so Durnwalder.
Angesprochen hat der Landeshauptmann heute auch mögliche Kompetenz-Abtretungen an die Gemeinden. Es werde
einen Runden Tisch mit den Gemeinden geben, an dem über Übertragungen, Delegierungen und Beteiligungen
verhandelt werde. Entscheidungen, so Durnwalder, müssten näher an die Bürger gebracht werden, im
Mittelpunkt müssten aber immer die Vorteile für den Bürger sowie die Kosten stehen, die er zu tragen
habe.
Der Landeshauptmann forderte heute zudem, das Land durch die Augen der Kinder und Jugendlichen zu sehen. "Sie
sind es, an deren Lebenswelt wir basteln, sie sind es, deren Lebensbedingungen wir mit unseren Entscheidungen am
meisten beeinflussen", so Durnwalder. Deshalb sei auch größter Wert auf die Bildung zu legen. Diese
sei offen - im Sinne keines festen Wissenskanons, sondern eines Lernens zu lernen -, europäisch und vielfältig
- etwa im Bereich der Sprachen - auszurichten.
Als größte Herausforderung der nächsten Jahre nannte der Landeshauptmann die Wirtschaftskrise und
das Halten der Vollbeschäftigung. Dies sei nur möglich, wenn man Betrieben beste Voraussetzungen biete
(eine schlanke Verwaltung, gut ausgebildete Arbeitskräfte, eine Vernetzung mit Forschungs-Instituten), ohne
von den Standards in Sachen Personal und Umwelt abzurücken. Auch müsse die Rolle des Landes überdacht
werden: "Der Aufbau ist geschafft, nun geht es um größere Handlungsspielräume für die
Unternehmen", so Durnwalder. Die Vollbeschäftigung bringe in Form des Arbeitskräftemangels aber
auch ein besonderes Problem mit sich, betonte der Landeshauptmann. Dieses wolle man lösen, indem man 2000
derzeit Arbeitslose - Frauen nach der Babypause, Menschen mit Behinderung, Senioren - wieder in den Arbeitsmarkt
eingliedere.
Zudem sei in diesem Zusammenhang die Einwanderer-Thematik anzugehen, was in erster Linie eine bessere Steuerung
bedeute: quantitativ, indem nur so viele Einwanderer ins Land geholt würden, dass der Arbeitsmarkt sie auch
aufzunehmen imstande sei, und eine strenge Regelung der Familienzusammenführung gefunden werde, qualitativ,
indem mehr auf die Ausbildung der Einwanderer geachtet werde, und kulturell, indem "wir darauf achten, dass
sich in Sachen Sprache und Lebensart keine unüberwindlichen Hürden für die Integration ergeben",
so Durnwalder, der auch betonte, dass Integration nicht mit Assimilierung verwechselt werden dürfe. "Aus
Einwanderern müssen keine Tiroler werden, sollen keine Tiroler werden. Jeder wird vielmehr seine Eigenheiten
behalten und pflegen, solange sie mit den geltenden Regeln im Einklang stehen", so der Landeshauptmann.
Als konkrete Zukunftsthemen sprach Durnwalder heute die Energie und die Mobilität an. In ersterem Bereich
habe man den Grundstein für eine eigenständige Energiepolitik gelegt, die nun fortzuführen und zu
konkretisieren sei, in letzterem Bereich müsse man weiter an der Verlagerung des Güterverkehrs von der
Straße auf die Schiene arbeiten, ebenso wie am Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Dies vor allem,
weil die Ära des Individualverkehrs vorbei und die vorhandene Infrastruktur bestmöglich zu nutzen sei,
damit "die Bürger den Untergang der Ära des Individualverkehrs nicht als Einschränkung empfinden,
sondern als Bereicherung", so der Landeshauptmann.
"Südtirol", so Durnwalder, "steht am Beginn der Zukunft. Zukunft passiert nicht einfach, Zukunft
will gestaltet werden. Und genau dies werden wir in den kommenden fünf Jahren tun." |