Wien (wifo) - Unternehmensgründungen sowie kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) stehen
immer mehr im Mittelpunkt der österreichischen und europäischen wirtschaftspolitischen Diskussion um
Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. Dabei wird oft auf die höhere unternehmerische Dynamik in den USA
verwiesen. Allerdings bleiben Österreich und die EU im Gegensatz zur herkömmlichen Vorstellung nicht
hinter den USA zurück, wenn man unternehmerische Dynamik an der Zahl der Unternehmensgründungen oder
Selbständigkeitsquoten misst. Die empirische Evidenz zeigt, dass alle EU-Länder einen höheren Anteil
von Kleinstunternehmen aufweisen als die USA. Das zentrale Defizit der EU und auch Österreichs ist aber die
zu geringe Besetzung mit wachstumsstarken Unternehmen ("Gazellen"). Sie sind äußerst wichtig
für die Wirtschaftsdynamik, weil sie den größten Teil der Arbeitsplatzschaffung beitragen.
In einem neuen Beitrag (Europa Innova Paper 6/2008) haben Werner Hölzl vom WIFO und Erkko Autio vom renommierten
Imperial College in London diese wachstumsstarken "Gazellen" genauer untersucht. Die Studie hinterfragt
auch populäre Vorstellung über diese wachstumsstarken Unternehmen kritisch:
- Gazellen sind nicht notwendigerweise junge Unternehmen, obwohl junge Unternehmen in der Regel ein sehr volatiles
Wachstum aufweisen.
- Gazellen sind nicht unbedingt in der Sachgütererzeugung tätig. Viele wachstumsstarke Unternehmen
bieten Dienstleistung und hier insbesondere wissensbasierte Dienstleistungen an.
- Gazellen sind innovative Unternehmen, aber nicht zwingend Hochtechnologieunternehmen. Sie finden sich ebenso
häufig in Niedrigtechnologie- oder alten Sektoren wie in Hochtechnologiesektoren.
- Gazellen sind innovativ. Schnell wachsende Unternehmen schaffen aber in der EU 15 ihre Vorteile überwiegend
aus eigenen Innovationstätigkeiten, während die Wettbewerbsvorteile schnell wachsender Unternehmen in
neuen EU-Ländern nicht auf Innovation in einem strengen Sinn beruhen (siehe dazu WIFO Working Papers 327/2008).
- Gazellen müssen nicht als kleine Unternehmen beginnen. Die verfügbaren Studien zeigen, dass den größten
Beitrag zur Arbeitsplatzschaffung jene wenigen großen Unternehmen leisten, die außerordentlich schnell
wachsen.
- Schnell wachsende Unternehmen sind also ein vielfältigeres Phänomen, als oft angenommen wird. Hohes
Unternehmenswachstum ist nicht beschränkt auf kleine oder neue Unternehmen oder auf F&E-intensive Sektoren.
Auf der europäischen Ebene, aber auch auf der Ebene der Nationalstaaten sind deshalb koordinierte Politikmaßnahmen
notwendig, um die Rahmenbedingungen für schnell wachsende Unternehmen zu verbessern.
- Der europäische Binnenmarkt muss durch eine starke Wettbewerbspolitik weiter gestärkt werden. Wettbewerbshemmende
Regulierungen und andere Hemmnisse sollen beseitigt werden, denn nur ein vollkommener Binnenmarkt ohne Grenzen
ermöglicht es Unternehmen mit hohem Potential, dieses auszuschöpfen und mit etablierten Unternehmen in
Konkurrenz zu treten.
- Die Insolvenzgesetzgebung sollte verändert werden, um das soziale Stigma des Scheiterns zu reduzieren,
und gleichzeitig starke Kreditorenrechte einräumen, um Finanzierungslücken für schnell wachsende
Unternehmen zu vermeiden.
- Neben Regulierungen, welche das Finanzsystem stabilisieren, müssen auch Finanzinnovationen möglich
bleiben, die adäquate Finanzierungsformen für schnell wachsende Unternehmen bieten. Traditionelle Bankkredite
sind in der Regel nicht geeignet, um explosives Unternehmenswachstum zu finanzieren.
- Noch häufiger als finanzielle Ressourcen nennen schnell wachsende Unternehmen den Mangel an hochqualifiziertem
Personal als Engpass. Das Bildungssystem und das Hochschulsystem sind hier der zentrale Ansatzpunkt. Schnell wachsende
Unternehmen brauchen gut ausgebildete Arbeitskräfte, die motiviert sind, in kleinen und mittelgroßen
Unternehmen ihre Karriere zu beginnen.
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