Anpassungsprozess in Osteuropa eingeleitet - Freundlicher Jahresausklang 2009 nach Börsentief
im ersten Halbjahr erwartet - Gewinnrevisionen in Österreich schon weit fortgeschritten
Wien (rzb) - Für Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG
(RZB), hat der globale Konjunktureinbruch nun auch Zentral- und Osteuropa (CEE) erreicht. "Obwohl die Binnenwirtschaften
durch privaten Konsum und Investitionen gestützt wurden, macht sich die Eintrübung der Stimmung in allen
osteuropäischen Volkswirtschaften bemerkbar", meint Brezinschek.
Birgit Kuras, Chefanalystin der Raiffeisen Centrobank AG, sieht den ATX anfangs unter Druck, geht aber von einer
deutlichen Belebung der Aktiennachfrage im zweiten Halbjahr 2009 aus.
Stefan Maxian, Head of Company Research die OMV, nennt die Österreichische Post, CEZ, Telefonica O2 CR und
Asseco Poland als Empfehlungen.
Anpassungsprozess in Osteuropa eingeleitet
Die Aussichten für Exporte haben sich durch die schlechte globale Konjunkturlage spürbar eingetrübt.
Die günstigen Kreditfinanzierungsmöglichkeiten haben sich durch das Abreißen der Kapitalströme
verschlechtert. Das Lohnwachstum der letzten Jahre hat die Produktivitätsentwicklung deutlich übertroffen.
Dies reduziert die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität für Auslandsinvestitionen. Um das
langfristige Wachstumspotenzial wieder auszuschöpfen, wurde ein Anpassungsprozess eingeleitet, der auch 2010
seine Spuren hinterlassen wird.
In Polen scheint eine Wachstumsabschwächung unvermeidbar. Die ungarische Wirtschaftspolitik ist zu einer nachhaltigen
Reduzierung des Budgetdefizits gezwungen, was zu einer Schrumpfung aller Sektoren führen wird. In Tschechien
leiden die verarbeitenden Sektoren, vor allem der Automobilsektor. "Den stärksten Rückschlag erwarten
wir uns bei der Ukraine. Auch Russland steht am Rande einer veritablen Schwächephase, hat aber die Ressourcen,
seine Sanierung ohne Fremdhilfe zu entwickeln", so Brezinschek. Das reale BIP-Wachstum 2009 in Mitteleuropa
wird auf 1,2 Prozent (2008: 4,7 Prozent), in Südosteuropa auf 2,5 Prozent (2008: 6,7 Prozent) und in den GUS-Staaten
auf 0,6 Prozent (2008: 6,2 Prozent) geschätzt. Im nächsten Jahr sind höhere Wachstumsraten um gut
einen Prozentpunkt zu erwarten.
Rückgang der Inflationsraten schafft Zinssenkungsspielraum
Eine positive Nebenerscheinung des Konjunktureinbruchs und der Rohstoffpreissenkung ist der drastische
Rückgang der Inflationsraten, der fast überall Spielraum für Zinssenkungen eröffnet. Nur in
Ländern mit akuter Währungsschwäche wie beispielsweise in der Ukraine, Russland und Rumänien
könnte sich eine temporär restriktive Geldpolitik bemerkbar machen. Allerdings sorgen schlechtere Ratings
und die anhaltende Risikoaversion für weiterhin hohe Renditespreads bei CEE-Anleihen, sowohl in Lokalwährung
als auch bei Eurobonds.
Freundlicher Jahresausklang nach erneutem Börsentief erwartet
In fast allen Märkten rechnet man mit Gewinnrückgängen. Trotzdem sind auch CEE-Börsen
betroffen, und zwar im Umfeld einer neuerlichen Verschlechterung der Konjunkturvorlaufindikatoren und globalen
Aktienkursrückgängen. Die RZB Analysten rechnen daher mit einem Erreichen des zyklischen Börsentiefs
im Verlauf des ersten Quartals.
"Mit langsamer Stimmungsaufhellung sollte das Gesamtjahr 2009 unter hohen Schwankungen von gut 30-40 Prozent
einen freundlichen Jahresausklang bescheren", meint Brezinschek.
Die Schwäche der Energie- und Rohstoffpreise und die sich fortsetzende Rubelabwertung werden die russische
Börse zunächst negativ beeinflussen. Die Schätzungen für Unternehmensgewinne 2009 werden von
aktuell minus 16,9 Prozent weiter abnehmen. Bei einer Erholung der Energiepreise ist im zweiten Halbjahr beim RTS-Index
wieder ein kräftiges Lebenszeichen zu erwarten.
Gewinnrevisionen in Österreich schon weit fortgeschritten
Bei den österreichischen Unternehmen sind die Gewinnanpassungen schon weiter fortgeschritten als beispielsweise
bei den DAX Werten. Für die Gewinnerwartungen sieht Kuras bei den ATX Unternehmen für 2009 einen Rückgang
von rund 20,2 Prozent. Die Kurse sind stärker gefallen als die Gewinnschätzungen. Trotz dieser markanten
Gewinnrevision liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis 2008 bei 5,2 und 2009 bei 6,5. Dies enthält im Gegensatz
zu anderen etablierten Börsenplätzen noch genügend Spielraum für weitere Ergebniskürzungen.
Die bisher als positiv angesehenen Vernetzungen österreichischer Unternehmen in Osteuropa wirken sich nunmehr
belastend aus.
ATX anfangs unter Druck – verstärkte Dynamik im zweiten Halbjahr
"Wenn sich die europäischen Konzerne den verschlechternden Rahmenbedingungen angepasst und ihre
Prognosen auf realistische Niveaus abgeändert haben, kann der österreichische Aktienmarkt wieder Eigendynamik
entwickeln“, ist Kuras überzeugt. "Ende des ersten Quartals könnte sich der ATX (derzeit bei 1869)
daher zwischen 1400 und 2000 Punkten einpendeln. Nach anhaltender Volatilität während des ganzen Jahres
sollte er bis Ende 2009 von einer deutlichen Belebung der Aktiennachfrage profitieren und sich um 2300 Punkte bewegen",
so Kuras weiter.
Unternehmen unterschiedlich beeinflusst
Die negativen Tendenzen haben sich auch bereits bei einigen zyklischen Unternehmen bemerkbar gemacht. So
lieferten beispielsweise Mayr Melnhof und Wienerberger für das dritte Quartal schwache Ergebnisse. Relativ
gut zeigte sich im dritten Quartal noch die Ergebnisentwicklung der Finanztitel. Kuras rechnet aufgrund von höheren
Risikokosten und schwächeren Ostwährungen mit einem spürbaren Rückgang in den Folgequartalen.
Industriebetriebe konnten noch relativ gute Quartalszahlen präsentieren. „Hier“, so Kuras, „sollte sich der
Abschwung, der alle Wirtschaftsbereiche erfassen wird, im vierten Quartal 2008 stärker bemerkbar machen“.
Empfehlungen
Die Analysten der RCB bleiben für das erste Quartal 2009 weiterhin defensiv aufgestellt. Er empfiehlt,
relativ konjunkturunabhängige und dividendenstarke Unternehmen sowie ausgewählte Energietitel überzugewichten.
Maxian nennt daher folgende Titel:
OMV
Die OMV sollte weiterhin von einem leichten Wachstum ihrer Märkte profitieren können, auch wenn
in den westlichen Märkten mit einem Rückgang zu rechnen ist. Die vergleichsweise konservative Finanzierungsstruktur
des Konzerns erachtet Maxian als Erfolgsfaktor für die nächsten Monate. Darüber hinaus geht Maxian
davon aus, dass ein wieder stärkerer Ölpreis sowie ein schwächerer rumänischer Leu die Ertragsentwicklung
der Gruppe positiv beeinflussen sollte.
Österreichische Post AG
Im aktuellen Kapitalmarktumfeld hält Maxian weiterhin an der Kaufempfehlung für die Aktie der
Österreichischen Post fest. Mit einem Plus von 0,5 Prozent im vergangenen Jahr konnte die Österreichische
Post den ATX (minus 61,2 Prozent) auch deutlich outperformen. Diese gegensätzliche Entwicklung zum Gesamtmarkt
sollte auch in den nächsten Monaten anhalten. Aufgrund der defensiven Qualitäten der Aktie erwarten die
Experten bei Marktrückgängen im Vergleich zum Gesamtmarkt eine deutlich stabilere Entwicklung.
CEZ
Der tschechische Energieversorger CEZ wird im Gegensatz zu westeuropäischen Stromerzeugern noch länger
einen guten Teil seines CO2-Zertifikatsbedarf gratis zugeteilt bekommen. Maxian sieht darin einen Kostenvorteil
für das Unternehmen. Zudem sollte der Strompreis gut unterstützt bleiben, da die Großhandelspreise
von den Grenzkosten westeuropäischer Versorger getrieben werden. Außerdem erhielt das Unternehmen mehr
Zeit, um die CO2-Intensität ihrer Kraftwerke zu senken. Bei einer Dividendenrendite von 6,3 Prozent und einer
vergleichsweise günstigen Bewertung wird die CEZ als Top-Pick unter den Versorger-Titeln gewertet.
Telefonica O2 CR
Die Aktie der tschechischen Telefonica O2 CR verfügt über defensive Qualitäten. Gründe
sind die Bilanz ohne Schuldenbelastung, ein positiver Free Cash Flow, außergewöhnlich hohen Margen sowie
der erwarteten attraktiven Dividendenrendite (>10 Prozent). Darüber hinaus kann das Unternehmen aufgrund
geringer regulatorischer Einschränkungen und den relativ guten wirtschaftlichen Bedingungen in der Tschechischen
Republik in einem besseren Marktumfeld agieren als die Konkurrenz.
Asseco Poland
Grund für die Kaufempfehlung des Softwareproduzenten ist die positive Geschäftsentwicklung mit
einem anhaltend starken Auftragseingang. Das unterstützt auch die Vielzahl an öffentlichen Aufträgen.
Der hohe Anteil von rund 80 Prozent der IT Services am Konzernumsatz ist ein weiterer Vorteil. |